DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-06-2019 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 26.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Norden teils böiger Wind, im Süden morgen kräftige Gewitter. Vorübergehend
deutlicher Temperaturrückgang.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... wird das Wetter in Deutschland von einem Höhenkeil dominiert, der
von Nordafrika bis nach Südfrankreich ausgreift und sich dort in zwei kräftig
ausgeprägte Äste aufteilt. Der erste Ast ist nach Nordwesten gerichtet und
reicht über die Britischen Inseln hinweg bis zum Nordatlantik, der zweite ist
ostwärts orientiert und weißt nach Rumänien und zum Schwarzen Meer. Während
ersterer in der Nacht durch stützende Warmluftadvektion kaum an Intensität
einbüßt, wird der zweite deutlich schwächer, so dass die 592er Isohypse nicht
mehr bis nach Zentralrumänien, sondern nur noch bis nach Kroatien und Serbien
ausgreift. Abgebaut wird der Ast des Rückens von einem kurzwelligen, sich aber
in der Nacht etwas amplifizierenden Trog, der von Nordwest nach Südost über
Dänemark und den Nordosten Deutschlands wandert und dessen Achse ausgangs der
Nacht etwa von der Danziger Bucht bis zum Erzgebirge verläuft. Vorderseitig des
Troges ist im Bodendruckfeld ein Tief positioniert, das in den kommenden 12
Stunden vom Zentrallettland zum Dreiländereck Lettland-Russland-Weißrussland
wandert. Zu diesem gehört auch die über Deutschland verlaufende Kaltfront, die
sich aktuell von der Ostsee bis zu den westlichen Mittelgebirgen erstreckt und
in der Nacht bis etwa zur Mainlinie bzw. sogar etwas weiter südlich vorankommt.
Im Bereich der Front ist der Gradient etwas gerafft, was im Nordosten für
einzelne Böen Bft 7 sorgt. Die Front selbst trennt präfrontal und damit über der
Südosthälfte liegende heiße, sehr feuchte und sehr labile Luft (T850 bis 24
Grad; PPW-Werte laut ICON-EU bis 40mm, laut GFS über 35mm; Lapse-Rates laut
ICON-EU lokal unter -0,8 K/100m und entsprechend sehr hohe CAPE-Werte von z.T.
um 3000 J/kg) von postfrontal kühlerer, stabiler geschichteter, wenngleich immer
noch recht feuchter Luft (laut ICON-EU T850 um 12 Grad; PPWs um 30mm;
Lapse-Rates um -0,55 K/100m). Da unterhalb des kräftigen Höhenkeils die
Hebungsantriebe fehlen und die Schichtung gedeckelt ist, kommt es in der
hochgradig labilen Luft dennoch nicht zur Auslöse von Konvektion und damit zu
Gewittern. Ebenfalls trocken sehen die meisten Modelle die Situation an der
Kaltfront, wo die bodennah einsickernde Kaltluft die Schichtung stabilisiert -
und dies offenbar so stark, dass dies die zu erwartenden Hebungsprozesse an der
Front bzw. durch den Trog überkompensiert. Nennenswerte Regenmengen hat
entsprechend nur GFS im Programm (um 1 mm am Erzgebirge in der ersten
Nachthälfte), ICON und seine Derivate, aber auch Euro4 oder COSMO-D2 bleiben
trocken - und mit der Kaltluftadvektion schiebt sich ein Keil des Hochs in den
Norden und die Mitte Deutschlands vor. Dies sorgt allerdings vom Nordwesten bis
in die Mitte auch für einige tiefe Stratusfelder, im Süden und Osten ist es
dagegen weitgehend wolkenfrei. Für die Tiefstwerte in der Nacht ist der
Charakter der Luftmasse entscheidend. In der Nordwesthälfte und damit in der
eingeflossenen Kaltluft liegen die Tiefstwerte meist zwischen 10 und 15 Grad, in
der Südosthälfte dagegen zwischen 15 und 20 Grad.

Donnerstag ... wird der östliche Ast des Höhenrückens, wenn auch zögerlich,
weiter abgebaut, da der Trog über Osteuropa weiter nach Südosten vorankommt.
Seine Achse erreicht zum Abend den Südosten Polens und die Slowakei, das mit dem
Trog korrespondierende Tiefzieht endgültig nach Russland hinein. Mit dem Trog
kommt auch die Kaltfront über Deutschland weiter nach Süden voran, sie erreicht
zum Abend die Donau, hängt in ihrer Verlagerungsgeschwindigkeit im Westen aber
etwas zurück, so dass sie es dort nur bis zur Südpfalz und ins Saarland schafft.
Rückseitig der Front dreht die bodennahe Strömung zwischen dem Russland-Tief und
einem Hoch über der Nordsee auf Nordnordwest, in der Höhe herrscht hinter dem
Trog und auf der Vorderseite des weiterhin kräftig ausgeprägten
Großbritannien-Asts des Höhenrückens eine nordwestliche Strömung vor. Insgesamt
bedeutet dies, dass hoch reichend kühlere Luft nach Deutschland transportiert
wird. Die 850er Temperaturen liegen zum Abend im Norden und in der Mitte nur
noch bei 9 bis 15 Grad, was Höchstwerte von 24 bis 29 Grad, im erweiterten
Küstenumfeld bei teils weiterhin vorhandenen tiefen Stratusfeldern sogar nur
Höchstwerte zwischen 18 und 23 Grad erwarten lässt. Präfrontal werden dagegen
von der Saar und vom Oberrhein bis zu dem Alpen und ins Alpenvorland noch
850er-Temperaturen von 17 bis 22 Grad erwartet, womit dort nochmal 30 bis 35
Grad, lokal auch noch etwas mehr, möglich sind. Dort liegt somit weiterhin die
heiße und labile Luft, der nunmehr auch die Modelle ein gewisses
Gewitterpotential zutrauen. Dabei hat sich an der Charakteristik der Luftmasse
nicht viel geändert. Laut ICON-EU liegen die PPW-Werte vom Schwarzwald bis nach
Oberbayern um 35mm, in der Spitze sogar bei 38mm, die Cape-Werte erreichen in
der Region 2000 bis 3000 J/kg, lokal werden sogar knapp 4000 J/kg erreicht, und
weiterhin ist die Luftmasse sehr labil geschichtet. Im Kern stimmen diese
Aussagen z.B. mit denen von GFS überein, wobei bei diesem Modell die PPW-Werte
etwas niedriger liegen, und auch COSMO-D2 deckt sich weitgehend mit den
ICON-EU-Berechnungen. Da die Hebung aber nicht aus der Höhe getriggert ist,
sondern durch die bodennah einfließende trockene Kaltluft, eventuell in
Verbindung mit orografischer Unterstützung, werden die Gewitter vermutlich von
Typ "elevated" sein, worauf auch die hohen HKNs von um 2500m hindeuten. Die
Konvektion selbst umfassen das gesamte Spektrum, was sommerliche Gewitter bieten
können. Neben teils heftigem Starkregen ist auch größerer Hagel vorstellbar.
Neben den Gewittern und der im Süden weiterhin hohen Wärmebelastung (und der
gebietsweise weiterhin hohen UV-Belastung) ist beim Blick durch die Warnbrille
noch der Wind relevant, der von der Nord- und Ostsee bis zur Altmark und zur
Uckermark mitunter böig auffrischt und hier und da für eine Böe Bft 7, an der
Küste vereinzelt auch mal für eine Böen Bft 8 reicht.

In der Nacht zum Freitag greift der nunmehr wetterbestimmende Höhenkeil westlich
von uns noch etwas nach Norden aus. Durch diesen Keil wird das Bodenhoch über
der Nordsee und dem Nordwesten Deutschlands gestützt, dessen Keil sich bis nach
Süddeutschland ausweitet und dessen Schwerpunkt vor der schottischen Ostküste zu
finden ist. Das resultierende Absinken lässt die Konvektion auch am östlichen
Alpenrand alsbald in sich zusammenfallen bzw. die feucht-labile Luft und mit ihr
die Gewitter werden in die Alpen abgedrängt. Im Norden, Osten und in den
mittleren Gebieten führt die postfrontal eingeflossene merklich kühlere Luft zu
einem Temperaturrückgang auf 13 bis 9 Grad. Im Südwesten und ganz im Süden kann
sich diese Luftmasse erst in der zweiten Nachthälfte durchsetzen, so dass dort
Temperaturminima meist zwischen 18 und 14 Grad zu erwarten sind. Mit dem
Ausgreifen des Keils fächert auch der Gradient auf, warnwürdige Böen sind in der
Nacht nicht mehr zu erwarten.

Freitag ... schwenkt die Achse des Höhenkeils in ihrem nördlichen Teil etwas
nach Osten, in der Nacht schwächt sich der Höhenkeil dann bezüglich des
Geopotentials in seinem Achsenbereich etwas ab, ohne seinen dominierenden
Charakter für unser Wetter zu verlieren. Das korrespondierende Bodenhoch beginnt
sich zögerlich abzuschwächen, verlagert sich erst zur mittleren Nordsee und in
der Nacht zu Samstag in die Deutsche Bucht, bestimmt dabei aber weiter unser
Wettergeschehen. Großräumiges Absinken lässt erneut keine Bildung von
Konvektionsbewölkung zu. Da die Achse des Hochs etwa von der Nordsee bis ins
Böhmische Becken verläuft, kann auf der Nordflanke dieser Achse von der Nordsee
her mit einer nordwestlichen Strömung erneut tiefer Stratus herangeführt werden,
der sich im Tagesverlauf aber oftmals auflöst. Im Südwesten ist es dagegen am
Tage oft wolkenlos, und da dort die 850er Temperaturen mit etwa 17 Grad auch
noch etwas höher liegen als im Nordosten (um 13 Grad), liegen die erwarteten
Temperaturmaxima in der Südwesthälfte meist zwischen 27 und 32 Grad, in der
Nordosthälfte dagegen "nur" bei 23 bis 27 Grad, an den Küsten um 21 Grad. Die
Nacht zum Freitag wird bei klarem Himmel und schwachem Wind deutlich frischer
als die Nächte zuvor. Es werden Tiefstwerte zwischen 9 Grad in
Mittelgebirgslagen und im südlichen Schleswig-Holstein und 16 Grad in Südbaden
erwartet.

Samstag ... schwenkt der Höhenrücken über Mitteleuropa und Deutschland hinweg
nach Osten bzw. Südosten, seine Achse verläuft ausgangs der Nacht zum Sonntag
etwa vom westlichen Mittelmeer bis zur Ostsee. Auch der Schwerpunkt des hohen
Druckes am Boden verlagert sich zum Alpenraum und in die östlichen Landesteile.
Dabei gelangt - überlagert von Absinken - mit südlicher Strömung heiße Luft nach
Deutschland, in der Temperaturen bei anhaltendem Sonnenschein auf 30 bis 37 Grad
steigen. An den Küsten sind teilweise nur Werte um 23 Grad auf der Karte.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage sehr ähnlich.
Warnstrategisch relevante Modellunterschiede lassen sich nicht erkennen,
einzelne Detailunterschiede wurden im Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas