Thema des Tages

20-06-2019 15:50

Die Wellen aus Zentralafrika

Die nordatlantische Hurrikansaison 2019 hat vor wenigen Wochen
begonnen und mit ihr erneut das bange Warten und Schauen nach
Zentralafrika. Dort nämlich liegt eine der Brutstätten für die
Bildung von tropischen Systemen. Um welche es sich dabei handelt,
wird im Folgenden näher erklärt.

Nachdem am 15. Mai die Pazifische Hurrikansaison begann und bisher
unspektakulär ruhig verlief, steht seit dem 1. Juni auch die
Nordatlantische Hurrikansaison in ihren Startlöchern. Prognosen
diverser Institutionen deuten eine normale bis leicht
überdurchschnittliche Saison an. Dabei erwartet die "National Oceanic
and Atmospheric Administration" (NOAA) mit rund 40 % eine normale und
mit jeweils 30 % eine etwas über- oder unterdurchschnittliche Saison.
Insgesamt sollen im Nordatlantik, der Karibik und dem Golf von
Mexiko 9 bis 15 benannte Systeme, vier bis acht Hurrikans und zwei
bis vier sogenannte "major" Hurrikans ihr Unwesen treiben. Benannt
werden sie, sobald die mittlere Windgeschwindigkeit um oder über 61
km/h liegt. Die Stufe "major" wird erreicht, wenn der Hurrikan
Mittelwinde von mehr als 180 km/h aufweist, was der Kategorie drei,
vier oder fünf auf der fünfstufigen Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala
entspricht.


Aber nicht die Aktivität der diesjährigen Hurrikansaison steht im
Mittelpunkt des heutigen "Thema des Tages", sondern eher die Frage,
wo denn die Geburtsstätte dieser tropischen Systeme zu finden ist.
Wie so oft in der Meteorologie gibt es zu dieser Frage mehrere
Antwortmöglichkeiten, die jedoch teilweise sehr komplex sind und die
Beitragslänge deutlich sprengen würden. Wir richten daher unseren
Blick auf die sogenannten "African easterly waves" (AEWs), oder frei
übersetzt: "Die von Afrika kommenden und nach Westen wandernden
Wellen".


Nüchtern betrachtet passiert nicht mehr als dass der Luftdruck beim
Durchzug einer solchen Welle vorübergehend fällt. Dabei sorgt der
fallende Luftdruck für eine Richtungsänderung des Windes, denn dieser
versucht die Ungleichgewichte z.B. beim Luftdruck auszugleichen.
Dadurch entwickeln sich im Umfeld einer solchen Welle bodennah Winde,
die zusammenströmen (Konvergenz) und die Luft zum Aufsteigen zwingen.
Somit findet im Umfeld der Wellen Hebung statt, wodurch Wasserdampf
aufsteigt, sich abkühlt und sich dadurch Wolken bilden, die sich
wiederum je nach Stärke der Welle in kräftige Schauer und Gewitter
weiterentwickeln können. Ein typisches Merkmal der meisten Wellen im
Nordatlantik ist, dass die stärkste Konvergenz und Hebung auf der
Rückseite der Welle zu finden ist. Somit muss also erst nach ihrem
Durchzug mit Niederschlägen gerechnet werden.


Erwähnt werden sollte noch, dass diese Wellen zunächst sehr nah am
Äquator auftreten, wo die ablenkende Corioliskraft noch kaum ihre
Wirkung zeigen kann. Ziehen die Wellen jedoch im weiteren Verlauf
allmählich nordwärts, kann die Corioliskraft (Rechtsablenkung auf der
Nordhalbkugel) soweit zunehmen, dass sich die Schauer und Gewitter
allmählich um ein Drehzentrum anordnen und sich manchmal in ein
tropisches System umwandeln. Im Mittel entwickeln sich aus rund 60 %
der Wellen tropische Systeme, allerdings liegt die Prozentzahl der
Hurrikans mit 85 % deutlich höher, die das Stadium eines verheerenden
"major" Hurrikan erreichen. Da verwundert es nicht, dass das
Interesse über die Entstehung dieser Wellen sehr groß ist.


Über die Wellenbildung gibt es in der Literatur verschiedene Thesen
und diese wissenschaftliche Thematik ist natürlich weiter Gegenstand
intensiver Forschung. Diesem Text beigefügt ist unter a) eine
Landkarte von Zentralafrika. Die Farben sollen die unterschiedliche
Vegetationsdichte hervorheben. Man erkennt im Norden die trockene und
heiße Wüstenregion und weiter südlich die feuchte und dauergrüne
tropische Regenwaldregion.


Bilden sich nun über den unterschiedlichen Bergregionen (beispielhaft
wurden zwei Regionen durch weiße Kreuze hervorgehoben) großräumige
Gewitterherde, welche im AEJ eingebettet nach Westen ziehen, wandeln
sich diese nicht selten zu AEWs um. Allerdings überlebt nicht jede
Welle den Weg nach Westen. Das zeigt, dass die gesamte Thematik sehr
komplex ist bzw. hier sehr vereinfacht dargestellt wurde und
sicherlich auch bis heute noch immer nicht vollständig verstanden
ist.


In b) ist ein Satellitenbild vom 18. August 2009 beigefügt, wo ein
sich entwickelnder Gewittercluster, aber auch zwei AEWs zu sehen
sind. Und was sich aus solch einer unscheinbaren Welle entwickeln
kann ist ganz im Westen über dem offenen zentralen Nordatlantik in
Form eines ausgewachsenen Tropensturms zu erkennen. In diesem Fall
handelte es sich um den intensiven Hurrikan "Bill" (Kategorie 4).


Auch in diesem Jahr blicken die Meteorologen in der Karibik und
entlang der nordamerikanischen Südküsten mit Sorgen nach Osten, wenn
sich die Wellen auf den Weg nach Westen machen und im schlimmsten
Fall die Metamorphose in einen ausgewachsenen Tropensturm vollziehen.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.06.2019

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