DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-03-2019 17:01
SXEU31 DWAV 101800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.03.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin wechselhaft und windig, Sturmböen am Montag vor allem im Westen und
Süden, am Dienstag im Norden und Westen, auf den Bergen auch Orkanböen. Montag
vorübergehend kälter, im Bergland winterlich.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... verläuft die kräftige Frontalzone weiterhin leicht mäandrierend von
Neufundland relativ weit südlich über den gesamten Nordatlantik, West- und
Mitteleuropa hinweg bis weit nach Osteuropa. Darin eingebettet, zieht aktuell
ein flacher Kurzwellentrog über die Nordhälfte Deutschlands hinweg rasch
ostwärts. Ihm folgen weitere kurzwellige Randtröge, einer erreicht Montagfrüh
die Mitte des Landes, ein weiterer befindet sich dann über der mittleren
Nordsee.
An den erstgenannten Kurzwellentrog ist eine kräftige, Shapiro-Kaiser ähnliche
Bodentiefentwicklung gekoppelt, an deren Südwestflanke aktuell ein Sting
Jet/Cold Jet über die Mitte Deutschlands hinweg ostwärts zieht. Dabei gibt es
verbreitet schwere Sturm- und orkanartige Böen, vereinzelt auch Orkanböen. Nach
Süden zu fallen die Böen nicht ganz so heftig aus, dort reicht es aber auch
verbreitet für schwere Sturmböen und in Lagen oberhalb von 400 bis 600 m für
orkanartige Böen, auf den Bergen gibt es verbreitet Orkanböen bis hin zu
extremen Orkanböen auf exponierten Gipfeln (164 km/h auf dem Feldberg im
Schwarzwald).
Nördlich des Tiefs ist der Gradient deutlich aufgefächerter und geht es ruhiger
zu, im Norden und Nordosten sind keine warnrelevanten Böen zu erwarten.
An der Nordflanke des Tiefs haben in einem Streifen vom Emsland über das
nördliche Münsterland, weite Teile Niedersachsens bis nach Brandenburg teils
länger anhaltende Niederschläge eingesetzt, deren Mengen wohl nicht ganz den
Warnkriterien für Dauerregen genügen. Mit Annäherung des nächsten
Kurzwellentroges dauern diese die Nacht über auch weiter an, verlagern sich aber
allmählich etwas nach Nordosten. Von Interesse ist in den kommenden Stunden
zunehmend die Phase der Niederschläge. Mit Einsickern maritimer Polarluft von
Norden her (die Temperatur geht im Nordwesten in 850 hPa heute Abend bereits auf
-4 bis -5 Grad zurück) gehen die Niederschläge dort bis in tiefe Lagen
allmählich in (Nass)schnee über und es muss mit Glätte durch Schneematsch
gerechnet werden.
Nach Abzug des Tiefs lässt der Wind auch in der Mitte und im Süden im Laufe der
Nacht zögernd nach, ausgangs der Nacht reicht es in den Niederungen meist nur
noch für steife, vereinzelt stürmische Böen, auf den Bergen gibt es auf
exponierten Gipfeln nach wie vor schwere Sturmböen bis hin zu orkanartigen Böen.

Mit den Kurzwellentrögen gelangen zunehmend höhenkalte Luftmassen zunächst in
den Nordwesten, später auch zunehmend in die anderen Landesteile. Die Temperatur
in 500 hPa sinkt bis Montagfrüh auf -35 bis -39 Grad (die tieferen Werte im
Westen) und in 850 hPa auf -5 bis -8 Grad. Somit lebt im Laufe der Nacht auch im
Westen und Südwesten sowie in den mittleren Landesteilen die Schauertätigkeit
auf und die Schauer gehen zunehmend bis in tiefe Lagen in Schnee und Graupel
über. Auch kurze Gewitter (begleitet von stürmischen Böen, vereinzelt sogar
Sturmböen) können dabei sein. Oberhalb von 400 m bildet sich eine dünne
Schneedecke (in den klassischen Nordweststaulagen im Westen auch bis über 5 cm),
aber auch "ganz unten" kann es im morgendlichen Berufsverkehr innerhalb
kräftigerer Schauer Behinderungen durch Graupel- bzw. Schneematschglätte geben.
Oberhalb von etwa 500 m, im Süden noch 800 m gibt es leichten Frost.

Montag ... verlagert sich der in die mehr und mehr auf Nordwest drehende
Höhenströmung eingebettete Kurzwellentrog über der Nordsee rasch ins
Vorhersagegebiet. Ein korrespondierender Bodentrog, eigentlich schon ein Polar
Low, greift mittags auf den Nordwesten Deutschlands über und zieht unter rascher
Abschwächung bis zum Abend in die Mitte des Landes. An dessen Südwestflanke
verschärft sich der Gradient über dem Westen und Süden des Landes erneut und es
treten im Tagesverlauf verbreitet stürmische Böen, vor allem im Westen auch
Sturmböen, in Schauernähe eventuell schwere Sturmböen auf. In den Gipfellagen
der Mittelgebirge kann es erneut schwere Sturm- bis hin zu Orkanböen geben.
Im Norden und Osten ist der Wind bei deutlich aufgefächerterem Gradienten meist
nicht warnrelevant. Lediglich im Nordseeumfeld kann es auf der Rückseite des
Bodentroges einzelne steife Böen geben.
Spätnachmittags und abends schwächt sich der Wind aber allmählich wieder ab.
Mit dem Trog weitet sich die Höhenkaltluft (um -38 Grad in 500 hPa) auf das
gesamte Vorhersagegebiet aus, in 850 hPa bewegen sich die Temperaturen um -7
Grad. Innerhalb dieser hochreichend labil geschichteten Luftmasse entwickeln
sich zahlreiche Schneeregen-, Schnee- und Graupelschauer, die auch von einzelnen
Gewittern begleitet werden können. Vor allem im Bereich des "Polar Lows" kann es
auch mal für längere Zeit schauerartig verstärkt schneien, am ehesten wohl im
westlichen und zentralen Mittelgebirgsraum, wo in Staulagen oberhalb von 400 m
gebietsweise an die 10 cm Neuschnee fallen können. In den Niederungen reicht es
dagegen wohl nur kurzzeitig für eine dünne Nassschneedecke.
Vor allem an den Küsten sowie im Südwesten und Süden kann sich zwischen den
Schauern auch mal die Sonne zeigen, an den Nordseiten der Mittelgebirge bleibt
es dagegen meist stark bewölkt. In der gut durchmischten Polarluftmasse werden
Höchstwerte zwischen 2 und 8 Grad erreicht, oberhalb von etwa 500 bis 800 m gibt
es leichten Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag verlagert der zentralsteuernde Höhentrog über
Skandinavien sein Drehzentrum allmählich Richtung Nordwestrussland. Ihm folgt
ein Höhenrücken, der sich - gestützt durch WLA auf der Vorderseite eines
markanten Troges über dem Ostatlantik - über die Nordsee hinweg bis Dienstagfrüh
ins westliche Mitteleuropa verlagert. Er wird bereits überlaufen von kräftiger
mitteltroposphärischer WLA, die auch auf das Vorhersagegebiet übergreift und für
deutliche Stabilisierung sorgt. Somit klingen die Schnee- und Graupelschauer
rasch ab, zuletzt im Laufe der zweiten Nachthälfte im Südosten Bayerns. In den
östlichen und ostbayerischen Mittelgebirgen sowie an den Alpen können noch
einige Zentimeter Neuschnee fallen.
Der Wind schwächt sich ebenfalls weiter ab, lediglich in den Hochlagen der
südostdeutschen Mittelgebirge und der Alpen gibt es noch längere Zeit Böen Bft 8
bis 9.
Vorderseitig des Höhenrückens schwenkt auch im Bodenfeld ein Hochkeil über das
Vorhersagegebiet hinweg ostwärts. Ausgangs der Nacht setzt allerdings im Westen
und Nordwesten mit Annäherung eines mit dem Höhentrog korrespondierenden
Sturmtiefs südlich von Island wieder Druckfall ein. Das Frontensystem überquert
morgens die Britischen Inseln, das vorgelagerte Regengebiet greift auf die
Nordsee über. Somit werden auch im Norden und Nordwesten Deutschlands die Wolken
wieder dichter, es bleibt aber voraussichtlich noch trocken. Der Wind dreht auf
Süd und frischt im Nordwesten auf, ist aber wohl noch nicht warnrelevant.
Im übrigen Land ist es nach Abzug der Schauer locker, später teils gering
bewölkt oder klar. In der eingeflossenen Polarluft kühlt es - abgesehen vom
Nordwesten - verbreitet in den leichten Frostbereich ab. Hier und da kann es
Glätte durch überfrorene Nässe geben.

Dienstag ... greift der Höhentrog über dem Ostatlantik auf die Britischen Inseln
über. Der vorgelagerte Höhenrücken wird über das Vorhersagegebiet hinweg nach
Osten abgedrängt und die Höhenströmung dreht wieder auf Südwest.
Das Sturmtief knapp südlich von Island verlagert sich ohne große
Intensitätsänderung allmählich südsüdostwärts Richtung Schottland. Die Warmfront
überquert Norddeutschland ostwärts, die Kaltfront greift abends auf den
äußersten Nordwesten über. Gestützt auch durch kräftige trogvorderseitige PVA
fallen die frontalen Hebungsprozesse vor allem im Bereich der Kaltfront recht
markant aus, somit können sich Niederschläge teils mäßiger Intensität über den
Norden des Landes hinweg nach Osten ausweiten. Im Nordseeumfeld werden über 10
mm in 12 Stunden, in Nordfriesland auch über 15 mm simuliert.
Die Niederschläge kommen etwa bis zur nördlichen Mitte des Landes voran, weiter
südlich bleibt es noch trocken und vor allem im Südosten scheint die Sonne.
In den Fokus der Warntätigkeit rückt einmal mehr der Wind. Im Vorfeld der
Kaltfront verschärft sich der Gradient über dem Norden und der Mitte des Landes
und somit muss dort recht verbreitet mit steifen, nach Westen zu sowie an den
Küsten mit stürmischen Böen aus Süd bis Südwest gerechnet werden, im
Nordseeumfeld treten vor allem vormittags und mittags, vor Passage der
Kaltfront, auch Sturm- oder gar schwere Sturmböen auf. Auch in den Kamm- und
Gipfellagen der westlichen und zentralen, nachmittags dann auch der östlichen
Mittelgebirge muss mit Sturmböen, exponiert mit schweren Sturmböen gerechnet
werden.
Vor allem in den Süden und in die Mitte des Landes wird niedertroposphärisch ein
Schwall sehr milder Meeresluft aus Südwesteuropa advehiert, die Temperatur in
850 hPa steigt dort auf 1 bis 6 Grad. Somit werden dort Höchstwerte zwischen 9
und 14 Grad erwartet, aber auch im Norden und Osten bleibt es mit maximal 6 bis
10 Grad verhältnismäßig mild.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert der Höhentrog sein Drehzentrum zur
nördlichen Nordsee und greift somit auch auf Mitteleuropa über. Ein
vorgelagerter Randtrog überquert im Laufe der Nacht das Vorhersagegebiet
ostwärts.
Das Bodentief zieht ebenfalls zur Nordsee, befindet sich achsensenkrecht
unterhalb des Höhentroges und hat somit den Höhepunkt seiner Entwicklung
abgeschlossen. Nach Lesart des aktuellen ICON-EU-Laufes füllt es sich mit seinem
Kerndruck von etwa 955 hPa auf knapp unter 975 hPa auf.
Die Kaltfront überquert das Vorhersagegebiet mit schauerartigen Regenfällen
rasch ostwärts, ihr folgt erneut ein Schwall maritimer Polarluft. Die 850
hPa-Temperatur sinkt mit Nachlassen der Niederschläge auf -4 Grad, so dass es in
den höheren Lagen der Mittelgebirge und an den Alpen eventuell noch für eine
dünne Nassschneedecke reicht. Vor allem mit Kaltfrontpassage muss insbesondere
in der Mitte und im Süden verbreitet mit steifen bis stürmischen Böen gerechnet
werden, vereinzelt auch mit Sturmböen, auf den Bergen gibt es Sturm- und schwere
Sturmböen. Postfrontal nimmt der Wind nur vorübergehend etwas ab, steife Böen
gibt es aber dennoch recht verbreitet.
Mit Annäherung des zentralsteuernden Höhentroges wird wieder zunehmend
höhenkalte Luft in den Norden und Westen des Landes geführt, die Temperatur in
500 hPa sinkt dort auf -30 bis -34 Grad. Somit setzt nach kurzer postfrontaler
Wetterberuhigung im Nordwesten morgens erneut schauerartiger Regen ein, kurze
Gewitter nicht ausgeschlossen.
Mit Annäherung des zur Nordsee ziehenden Sturmtiefs verschärft sich der auch
wieder der Gradient im Westen und Nordwesten des Landes. Der Wind dreht auf Süd
bis Südwest und frischt wieder mit stürmischen Böen, im Nordseeumfeld mit
Sturmböen auf.
In einigen Mittelgebirgslagen kann es leichten Frost geben, ansonsten verläuft
die Nacht frostfrei.

Mittwoch ... nimmt der Höhentrog zunehmend Dipol-Struktur an und verlagert sich
mit seinen beiden Drehzentren bis zum Abend nach Dänemark bzw. Südnorwegen. Das
korrespondierende Bodentief zieht ebenfalls nach Dänemark und füllt sich dabei
aber kaum auf. Somit gerät das Vorhersagegebiet zunehmend in dessen
Hauptsturmfeld. Erneut simuliert ICON-EU nahezu flächendeckend (vielleicht der
äußerste Südosten Bayerns ausgenommen) markante Böen Bft 8 bis 9 aus Südwest, im
Westen und Nordwesten auch schwere Sturmböen (Bft 10), sporadisch taucht auch
mal eine Bft 11 auf. Auf den Bergen gibt es häufig Orkanböen (Bft 12). Die
anderen vorliegenden Modelle stehen der Lösung des ICON-EU kaum nach, Lage und
Intensität des Sturmtiefs werden vom IFS und GFS sehr ähnlich simuliert.
Schauerartige Niederschläge werden vor allem im Bereich der Trogachse über dem
Westen und Norden Deutschlands simuliert, diese kommen zögernd südostwärts
voran, in weiten Teilen Bayerns und in der Lausitz bleibt es wohl aber noch
überwiegend trocken. Bei Temperaturen um -32 Grad in 500 hPa und -3 Grad in 850
hPa können auch wieder kurze Graupelgewitter auftreten, Schnee fällt wohl nur in
den Kammlagen der höchsten Mittelgebirge.
Die Temperaturen erreichen innerhalb der nach wie vor gut durchmischten
subpolaren Meeresluft Höchstwerte zwischen 6 und 10 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle fahren im Kurzfristzeitraum eine sehr einheitliche Linie. Kleinere
Unterschiede beschränken sich auf die Verteilung und Intensität der
Niederschläge und sind zumindest nicht warnrelevant. GFS simuliert allgemein
etwas schwächere Böen als ICON-EU und IFS.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff