DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-05-2018 08:01
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 21.05.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNFz

Im Süden, am Dienstag auch im Westen, am Mittwoch voraussichtlich wieder nur im
Süden lokal teils kräftige Gewitter mit Unwetterpotential durch heftigen
Starkregen. Nach Norden zu freundlich.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... liegt über dem nahen Ostatlantik im 500-hPa-Niveau ein Langwellentrog,
der nach Süden bis etwa zu den Azoren ausgreift. Er tropft im Laufe des Tages
ab. Zum Abend hin zeigt sich östlich der Azoren dann ein kleinräumiges separates
Höhentief, welches sich in der Nacht zu Dienstag noch etwas vertieft und nach
Südosten vorankommt, so dass es zum Dienstagmorgen etwa auf halbem Wege zwischen
den Azoren und der Algarve auszumachen sein soll. Vorderseitig des
Langwellentroges dominiert über weiten Teilen Skandinaviens hohes Geopotential.
Ein in diesem Bereich liegendes Höhenhoch, dessen Schwerpunkt aktuell noch über
Südschweden liegt, wandert im Tagesverlauf und in der Nacht nach Osten. Am
Dienstagmorgen soll es den Nordwesten Russlands erreicht haben. Dem hohen
Geopotential über Nordeuropa steht über weiten Teilen des Kontinents tiefes
Geopotential gegenüber. Dabei sind die Geopotentialgegensätze allerdings gering,
was damit auch für die dynamischen Hebungsantriebe aus der Höhe gilt. Der
atlantische Langwellentrog greift nach Südosten über Frankreich hinweg in
Richtung Mittelmeer aus, wobei er sich nochmals verzweigt, wobei ein Ast nach
Weißrussland und zur Ukraine, ein anderer nach Nordafrika weist. Diese Äste
verändern im Tages- und Nachtverlauf zwar ihre Form und Intensität, sind aber
auch am Dienstagmorgen noch als Geopotentialstrukturen zu erkennen.
Bemerkenswert ist im zweiten Ast die Ausbildung eines kräftigen, aber
kleinräumigen Höhentiefs. Es soll ausgangs der Nacht zu Dienstag laut GFS und
EZMW (alter Lauf) über Nordwestpolen, laut ICON aber über Nordostpolen liegen.
Insofern ist noch fraglich, ob in der Nacht in den Nordosten dichtere Wolken
hereinziehen.

Im Bodendruckfeld korrespondieren die beschriebenen Geopotentialfelder mit einem
Hoch über der mittleren Ostsee, das sich ebenso wie das Höhenhoch nach Osten
verlagert und in der Nacht weit nach Russland hineinzieht. Ihm steht ein
großräumiges aber sehr flaches Tief gegenüber, das nach Norden bis zu den
Britischen Inseln ausgreift und in seinem südlichen Teil praktisch das gesamte
Mittelmeer überdeckt. Einen klar definierten Kern hat es dabei nicht
aufzuweisen, es beeinflusst aber vor allem den Süden mit feuchter, labil
geschichteter und wärmerer Luft (850er Temperaturen über 10 Grad). Dabei zeigt
sich erhöhtes Gewitterpotential vor allem von der Eifel bis an die Alpen und zum
Hochrhein, wobei ob der mangelnden Dynamik orografische Unterstützung bei der
Hebung notwendig erscheint. Laut ICON6-Nest zeigen sich in diesem Bereich
gebietsweise ppw-Werte von bis zu 26 mm (Pfalz, nördl. Baden-Württemberg), und
die CAPE-Werte liegen punktuell um 1000 J/kg. Die Scherungswerte sind im
Gewitterträchtigen Bereich insgesamt schwach, die Gesamtkonstellation lenkt das
Augenmerk auf den Starkregen (um 20 L/qm in kurzer Zeit) als Begleiterscheinung,
die geringe Verlagerungsgeschwindigkeit lässt lokal auch heftigen Starkregen
(Unwetter, um 30 L/qm in kurzer Zeit) möglich erscheinen. Aber auch
kleinkörniger Hagel und Sturmböen erscheinen ebenfalls möglich.

Die übrigen Modelle stützen die Sicht von ICON und seinen Derivaten recht gut.
Auch bei GFS liegen die CAPE-Werte am Nachmittag in der Spitze um 1000 J/kg, das
niederschlagbare Wasser erreicht Werte bis knapp über 25, wobei hier die
Maximalwerte im Westen etwas weiter nach Norden ausgreifen als bei ICON. Etwas
aggressiver geht COSMO-D2 zu Werke, die CAPE-Werte liegen bei diesem Modell bei
bis zu 1400 J/kg, die Gebiete mit hohen CAPE-Werten reichen dabei bis nach
Mittelhessen und das Vorland der Eifel und damit weiter nach Norden als bei den
übrigen Modellen. Erwähnenswert ist noch, dass zwischen dem Hoch und dem Tief
der Gradient von Benelux bis in den Südosten Deutschlands etwas deutlicher
ausgeprägt ist, was einzelne Böen Bft 7, auf exponierten Gipfeln auch Böen Bft 8
zur Folge haben könnte.

Dienstag... bleibt Deutschland im Einflussbereich tiefen Geopotentials,
wenngleich von Südosten her ein sehr zögerlicher Potentialanstieg zu erkennen
ist. Am Tage ist weiterhin eine Trogachse über Frankreich nach Süden gerichtet,
eine weist von Dänemark aus in Richtung Baltikum. Deutlicherer
Geopotentialanstieg in der Nacht zu Mittwoch lässt zum Morgen über
Zentralfrankreich nur noch ein isoliertes Höhentief zurück, durch
Potentialanstieg über der Nordsee verliert der östliche Ast seine Verbindung
nach Westen, stattdessen nimmt er Verbindung mit einem Trog über
Nordskandinavien auf.

Im Bodendruckfeld greift das flache Tief vom Mittelmeer her über Westeuropa
etwas weiter nach Norden aus, so dass die 1015er Isobare die Nordsee erreicht.
Damit kann auch die labile Gewitterluft über dem Westen Deutschlands weiter nach
Norden ausgreifen. Laut ICON6-Nest sollen die ppw-Werte mit Maxima von 27 mm
noch etwas höher liegen als am Vortag, bemerkenswerter ist aber, dass Werte über
25 mm nunmehr vom Raum Münster/Osnabrück bis nach Baden-Württemberg und damit in
einem viel größeren Gebiet auftreten. Auch die CAPE-Werte sieht ICON6-Nest im
Vergleich zum Vortag etwas erhöht, sie erreichen in der Spitze nunmehr knapp
1400 J/kg. Wie auch am Vortag ist die Schichtung labil, aber die dynamischen
Hebungsantriebe fehlen, was erneut Gebirgsregionen als prädestiniert für die
Gewitterauslösung erscheinen lässt. Qualitativ geht GFS den Weg von ICON/
ICON6-Nest mit. Allerdings liegt bei ICON6-Nest das Gebiet der höchsten
CAPE-Werte über Nordbaden/Südhessen, bei GFS liegt es über dem nördlichen
Württemberg, wobei von letzterem Modell ein zweites, kaum schwächer ausgeprägtes
Maximum über Westfalen herausgearbeitet wird, was sich ähnlich auch bei WRF
findet. Auch bezüglich des niederschlagbaren Wassers bietet GFS für Dienstag ein
deutlich größeres Gebiet mit Werten über 25 mm an, die diesbezüglichen Felder
sind bei GFS aber etwas diffuser als bei ICON6-Nest. Auch EZMW (00 UTC gestern)
sieht von Montag auf Dienstag im Westen einen Anstieg der ppw- und der
CAPE-Werte, allerdings ist dieses Modell in Vergleich zu GFS und ICON deutlich
defensiver. In der Summe ergibt sich ein Bild, in dem Unwetter wahrscheinlicher
sind als noch am Vortag, sowohl wegen ihres potentiell größeren
Verbreitungsgebietes im gesamten Westen und Südwesten, als auch wegen der
gewitteraffineren Luftmasse. Dabei bleibt es beim Starkregen (bis 25 L/qm) oder
heftigem Starkregen (bis 40 L/qm) als herausragender
Gewitter-Begleiterscheinung. Allerdings zeigt sich in den Temps unterhalb von
etwa 850 hPa eine inverse V-Struktur, die das Auftreten von Fallböen zumindest
möglich erscheinen lässt. Da das 850er Niveau für die Ausbildung intensiverer
Fallböen zu niedrig liegt und die Höhenwinde schwach ausgeprägt sind, sollte
sich das Windniveau weiterhin maximal im Sturmböenbereich bewegen. Darüber
hinaus ist erwähnenswert, dass die für die Ermittlung der CAPE-Werte relevante
Feuchteschicht in 850 hPa sehr dünn ausgeprägt sein soll. Damit ergeben sich bei
einer nur geringen Verschiebung hin zu höheren oder niedrigeren Schichten sofort
deutlich niedrigere CAPE-Werte. Anders herum können die CAPE-Werte auch zu
niedrig ausfallen und das wahre Potential der möglichen Gewitter zu schwach
erscheinen lassen. Hierauf deuten auch die MU-Cape-Werte von ICON-EU hin, die
lokal knapp über 2000 J/kg liegen, ebenso wie die Maximalwerte des EZMW-EPS, die
bis an 1700 J/kg heranreichen.

Im Gegensatz zum Vortag ist Wind außerhalb von Gewittern kein Thema mehr, dazu
wird der Gradient zu stark aufgeweicht.

Mittwoch... greift ein neuer Höhenrücken vom Atlantik zur Nordsee und nach
Südskandinavien aus. Auf seiner Vorderseite bzw. in seinem Einflussbereich
kräftigt sich ein Hoch, das von den Britischen Inseln bis zum Nordmeer reicht.
Damit steigt auch über dem Nordwesten Deutschlands der Luftdruck. Die dort
lagernde labile Luft gerät unter Absinken und stabilisiert sich, was die
Gewitterneigung deutlich abschwächt. Somit verbleibt laut ICON nur noch die
Südhälfte, südlich etwa einer Linie Eifel-Main-Erzgebirge, unter feucht-labiler
Luft. Deren Eigenschaften ändern sich im Vergleich zum Vortag nur wenig. Die
ppw-Werte liegen zwischen Schwarzwald und Ostbayern um oder über 25 mm, die
CAPE-Werte erreichen bei ICON6-Nest um 1200 J/kg. GFS dagegen sieht auch in der
Mitte noch feuchte Luft mit ppws über 25 mm, bei den CAPE-Werten sind ICON und
GFS bezüglich der Maxima auf Augenhöhe, die Verteilung unterscheidet sich jedoch
insofern, als GFS die Maxima mehr in Ostbayern, ICON aber in Schwaben sieht.
Einen anderen Weg geht WRF, dass auch in weiten Teilen der Mitte CAPE-Werte über
500 J/kg, lokal auch über 1000 J/kg prognostiziert. Hier werden weitere
Modelläufe (hoffentlich) Klarheit bringen können. Auch bezüglich der
Begleiterscheinungen sollte sich die Situation gegenüber den Vortagen nicht
wesentlich ändern. In der Höhe bildet sich ein Langwellentrog aus, der vom
Baltikum über Deutschland bis ins Seegebiet vor Portugal reicht. Da dieser nur
geringe Verlagerungstendenzen zeigt und das Geopotentialfeld schwachgradientig
ist, ist weiterhin keine Dynamik in der Höhe zu erwarten. Somit sollten
eventuelle Gewitter weiterhin langsam ziehend sein, was ein hohes
Starkregenpotential (mit Potential für heftigen Starkregen, also Unwetter)
bedeutet. Sturmböen und Hagel sind nicht ausgeschlossen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt simulieren die Modelle die Entwicklung der nächsten Tage ähnlich,
insbesondere bezüglich des Potentials möglicher Gewitter. Bezüglich der
synoptischen Strukturen zeigen sich Unterschiede, die im Text angesprochen
wurden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas