DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-04-2018 07:30
SXEU31 DWAV 300800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.04.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW

Heute im Norden noch Gewitter, anfangs speziell in der Westhälfte, in der Nacht
zu Dienstag im Norden Wind bis Sturmstärke. Ab Dienstag Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges,
der sich vom Nordmeer über die Britischen Inseln bis zur Iberischen Halbinsel
erstreckt. Dieser Trog zeigt über Schottland deutliche Abschnürungstendenzen, im
Laufe des Tages kommt es entsprechend zu einem Cut-Off über der nördlichen
Nordsee und dem Norden der Britischen Inseln. Im südlichen, dem Cut-Off-Teil des
Troges, ist ein markantes Höhentief zu erkennen, welches im Laufe des Tages von
Nordfrankreich über die Scheldemündung zur südlichen Nordsee zieht. Als
Gegenspieler zum Langwellentrog und dem beschriebenen Cut-Off erkennt man einen
Höhenrücken, der von Osten her in Richtung des Geopotentialminimums weist, was
bedeutet, dass seine Achse aktuell vom Baltikum über Dänemark nach Westen weist.
Die Verlagerung des Höhentiefs drängt den Keil aber nach Norden, so dass dieser
zum Abend den Süden Schwedens und den Oslofjord erreicht. Im Bodenruckfeld ist
über West- und Mitteleuropa ein Tiefdruckgebiet auszumachen, welches in einem
Bogen von Nordfrankreich über die Niederlande und Niedersachsen bis nach Bayern,
Sachsen und zum Böhmischen Becken verläuft. In diesem (seinem) Bereich kann man
mehrere, teils nur schwach ausgeprägte Kerne ausmachen, darüber hinaus ist ein
Frontensystem in das Tief eingelagert. Da das Bodentief vorderseitig des
Höhentiefs liegt, kann es sich im Tagesverlauf noch etwas intensivieren, weniger
was seinen Kerndruck von knapp unter 995 hPa angeht, als mehr bezüglich der
Fläche, die der Kern des Tiefs einnimmt. Der Kern selbst soll heute Abend die
südliche Nordsee erreicht haben, der beschriebene Bogenförmige Appendix des
Tiefs zieht im Tagesverlauf über den Nordosten Deutschlands zur Ostsee. Damit
wird die dort noch liegende feucht-warme Luft ausgeräumt, was zumindest ein
gewisses Gewitterpotential für den Nordosten mit sich bringt. So werden
nordöstlich der Elbe heute Nachmittag von ICON-EU Cape-Werte bis nahe an 500
J/kg simuliert, und auch die Lapse-Rates liegen mit 0,7 bis 0,75 K/100m in
diesem Gebiet recht hoch. Da die feuchte Luft dort auch noch mit hohen PPW-Werte
von knapp 30 mm glänzt, kann man sich im Laufe des Nachmittages dort auch
kräftigere Gewitterentwicklungen vorstellen. Die geschilderte Sichtweise von
ICON-EU wird von den übrigen Modellen aber nicht unbedingt unterstützt. So
liefern COSMO-DE und auch EZMWF (Lauf von gestern 12 UTC) deutlich weniger CAPE
als ICON-EU. Bezüglich des Niederschlagbaren Wasser herrscht mit Werten bis
knapp an oder ganz knapp über 30 mm dagegen weitgehend Einigkeit, egal ob man
ICON, COSMO-DE oder z.B. GFS betrachtet. Letztendlich deuten die PPW-Werte schon
in Richtung Unwetter, allerdings ziehen die Gewitter bei Winden in 700 hPa von
etwa 30 bis 35 kt (GFS liefert im 700er Niveau insgesamt die schwächsten Winde,
die deutschen Modelle dagegen im Schnitt etwas stärkere), so dass die
Unwetter-Starkregengefahr sich nicht unbedingt aufdrängt. Da die 850er Winde
noch etwas niedriger angesetzt werden können, ist auch durch Wind nicht mit
Unwettern zu rechnen, eher schon durch vereinzelt größeren Hagel, sind doch die
Scherungswerte recht ausgeprägt. Auf der Südwestflanke des Tiefs ist der
Gradient recht scharf ausgeprägt. In der Folge kommt es schon aus diesem heraus
zu starken und stürmischen Böen, lokal auch zu Sturmböen. In diese Richtung
deuten nicht nur die deterministischen Läufe, sondern auch die Probabilistik.
Sowohl COSMO-DE als auch EZMWF haben zumindest lokal im Westen
Wahrscheinlichkeiten von etwa 80% für Böen Bft 9 im Programm, und selbst die
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 10 sind bei beiden Ensembles mit ganz lokalen
Werten um 50 % noch nennenswert vorhanden. Erwähnenswert ist auch noch, dass im
Südwesten am Nachmittag noch ein gewisses Gewitterrisiko besteht, allerdings ist
die Luft dort wesentlich trockener als im Nordosten und mit 850er Werten um 0
Grad auch recht kühl, so dass Unwetter dort nicht auf der Agenda stehen.

In der Nacht zu Dienstag zieht das Tief zögerlich in die Deutsche Bucht, wohin
sich auch das Höhentief verlagert. Bezüglich der Gewitter entspannt sich die
Situation weiter, die einfließende kühle und recht trockene Luft ist kaum labil,
so dass eine eventuelle Aktivität auf lokale Entladungen begrenzt ein sollte. Da
das Tief aber weiterhin in unmittelbarer Nähe verbleibt und es auch bezüglich
seines Kerndrucks keinen nennenswerten Änderungen unterworfen ist, bleibt die
Windsituation angespannt. In der Nordwesthälfte simulieren die deterministischen
Läufe durch die Nacht weiterhin großflächig stürmische Böen oder Sturmböen, und
exponiert könnte auch wieder eine schwere Sturmbö mit dabei sein, allerdings
sind in den Ensembles die Hinweise darauf deutlich schwächer als noch am Tage.
Dabei kommt die Null-Grad-Isotherme in 850 hPa bi zum Morgen bis in die Mitte
unseres Landes voran, was im Westen Frühtemperaturen in unmittelbaren Nähe des
Gefrierpunktes erwarten lässt. Allerdings ist die Durchmischung veritabel, so
dass allenfalls in geschützten Lagen mal punktueller Frost oder strichweise
Frost in Bodennähe ein Thema sein könnte.

Dienstag... schreitet der Cut-Off-Prozess weiter voran, der Schwerpunkt des
Cut-Offs verlagert sich am Tage über die Pyrenäen hinweg auf die Iberische
Halbinsel, in der Nacht dann in Richtung Balearen. In unserem Bereich gerät das
kleinräumige Höhentief über der Nordsee mehr und mehr in die Höhenströmung eines
Langwellentroges, der sich von Grönland in Richtung der Britischen Inseln
erstreckt. Damit erhöht sich auch seine Zuggeschwindigkeit, es soll zum Abend
hin schon am Übergang von Kattegat zu Skagerak, am Mittwochmorgen dann schon
über Mittelschweden sein. Im Zuge dieser Prozesse wird auch das kleinräumige
Bodentief rasch nach Norden geführt, wobei es sich allmählich auffüllt. Damit
ist nicht nur ein auffächern des Gradienten verbunden, es ist auch zum
Dienstagmorgen auch ein bodennaher Rücken zu erkennen, der von Polen in Richtung
Schleswig-Holstein weist. Zu diesem Zeitpunkt hat der besagte Langwellentrog von
Grönland her bis auf Irland übergegriffen, auf seiner Vorderseite liegt in einem
markanten Bodentrog ein Frontensystem, das zum Morgen England erreicht. Damit
dreht bodennah, aber auch in der Höhe der Wind zurück, so dass die Kaltluft im
850er Niveau etwas weiter nach Nordwesten zurückgedrängt wird. Die feuchteste
Luft liegt, bezogen auf die PPW-Werte, im Südosten, wobei auch dort die
Labilität limitiert ist. Somit kann es vom Hochrhein nach Sachsen zwar regnen,
Gewitter sollten aber, so sie überhaupt auftreten, eher schwach ausfallen,
allenfalls die Scherung spricht für stärkere und organisierte Entwicklungen. Im
Nordwesten regnet es dagegen länger anhaltend, wenngleich warnwürdige Schwellen
bezüglich Stark- oder Dauerregen nicht (und zwar deutlich nicht) erreicht
werden. So ist es erneut der Wind, der im Focus steht. Dabei sind es am Dienstag
der Norden und die Mitte, die besonders betroffen sein werden. Bezüglich der
Windgeschwindigkeiten sind die Änderungen aber gering. Weiterhin bewegen sich
die Böen in einem Bereich von 7 bis 10 Bft, wobei die 10 eher aus der
Probabilistik abzuleiten ist, als dass die deterministischen Läufe Böen dieser
Stärke zeigen würden. Mit der angesprochenen Verlagerung des Tiefs und des
Höhentiefs nach Nordosten entspannt sich aber auch im Norden die Windsituation
in der Nacht zu Mittwoch. Sind dann anfangs noch die Küsten von Böen Bft 7 und 8
betroffen, sollte die 2te Nachthälfte laut der betrachteten Modelle (u.a. ICON,
COSMO-DE, GFS) auch bezüglich des Windes warnfrei über die Bühne gehen können.
Damit kann der Focus ausgangs der Nacht auf die Temperaturen gelegt werden.
Immerhin liegen die 850er Temperaturen in den Frühstunden im Nordwesten unter
null Grad. Da zu diesem Zeitpunkt der Gradient auffächert und ein von Osten
hereinreichender Rücken für Absinken sorgt, könnte bei länger klaren
Verhältnissen Bodenfrost ein Thema sein.

Mittwoch... schreitet die Wetterberuhigung voran. Da sich das mit dem
Cut-Off-Prozess in Verbindung stehende Höhentief über dem Mittelmeer bis nach
Nordafrika verlagert, bleibt im Geopotentialfeld über dem Alpenbogen und
Süddeutschland Platz für einen Rücken, der sich von Osteuropa nach Westen
schiebt. Dieser wird zwar im Laufe des Abends und der Nacht wieder etwas zurück-
bzw. nach Nordosten abgedrängt, weil von Nordwesten der Langwellentrog von den
Britischen Inseln heranschwenkt, dennoch bleibt in weiten Teilen Deutschlands
Absinken dominierend. Vorderseitig des Rückens kann sich sogar eine
Hochdruckbrücke ausbilden, die am Abend von Polen nach Norddeutschland reicht.
Mithin stellen sich über Deutschland verbreitet windschwache Verhältnisse ein,
lebhafter weht der Wind allenfalls im Nordwesten. Mit dem Langwellentrog steht
ein Frontensystem in Verbindung, das in der Nacht auf den äußersten Nordwesten
übergreift und mit dem schon besagte Windbelebung verbunden ist. Da der Wind
vorderseitig des Frontensystems und auch Vorderseitig des Langwellentroges mehr
auf südliche Richtungen dreht, wird die kältere Luft in 850 hPa etwas nach
Norden aus dem Vorhersagegebiet herausgedrückt. Damit liegen die 850er
Temperaturen am Donnerstagmorgen von Nordwesten nach Südost zwischen null und 11
Grad, die Frost- oder Bodenfrostgefahr sollte damit (noch!) geringer sein als in
den Nächten zuvor.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Kern liefern die Modelle sehr ähnliche Vorhersagen zu den erwarteten
Wetterabläufen der kommenden Tage. Das zur Nordsee ziehende Bodentief liegt bei
EZMWF etwas weiter südlich als bei ICON oder GFS, dafür greift es am heutigen
Nachmittag bei EZMWF über der Ostsee weiter nach Osten aus als bei GFS oder
ICON. Die daraus resultierenden Warnparameter unterscheiden sich aber nicht
nennenswert, und das gilt auch für die Probabilistik, beispielsweise zwischen
den Ensembles von COSM-DE und EZMWF. Auf einzelne Details in den unterschieden
zwischen den Modellen wurde auch im Taxt eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas