DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-04-2018 08:01
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.04.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wa

Westen und Nordhälfte gewittrig, Unwetter-Gewitter nicht ausgeschlossen. Am
Montag im Süden Gewitter, verbreitet windig, an Dienstag im Norden regnerisch.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland anfangs unter einem Höhenrücken, dessen Achse um
die Mittagszeit etwa von der Adria über den Osten Deutschlands bis zum Oslofjord
verläuft. Im Bereich des Höhenrückens dominiert weiterhin Absinken, das
zugehörige, von Nord nach Süd ausgerichtete Hoch erstreckt sich zu diesem
Zeitpunkt von Südschweden über weite Teile Polens bis zum Balkan. Westlich
schließt sich an den Höhenrücken ein Langwellentrog an, der in den
Vormittagsstunden auf Irland übergreift und dessen Achse bis zum Abend
Schottland und Wales erreicht. Der Langwellentrog korrespondiert mit einem Tief
zwischen Island und Schottland, dessen Position dem Langwellentrog nur wenig
vorausläuft und das von dieser Warte aus nur geringes Entwicklungspotential
aufweist. Entsprechend liegt der Kerndruck den gesamten Tag über in einem
Bereich um 995 hPa, dabei zieht das Tief allmählich in Ost-Nordöstliche
Richtung. Das zum Tief gehörende Frontensystem zieht sich als Okklusion über der
Nordsee nach Süden. Die Kaltfront kommt im Verlauf des Tages über England nach
Osten voran, sie erreicht zum Abend hin die Themsemündung. Die Warmfront,
aktuell vom Erzgebirge zum Münsterland verlaufend, greift nach Nordosten aus und
überquert in den Abendstunden die Elbe. Innerhalb des nördlichen Bereichs des
Warmsektors sind dabei durchaus die Zutaten für starke Gewitter vorhanden. Laut
ICON6_Nest liegen die CAPE-Werte am Nachmittag südwestlich einer Linie vom
Emsland bis zum Osterzgebirge lokal über 1000 J/kg, die Labilität ist hoch und
die PPW-Werte erreichen punktuell Werte über 25 mm. Für Gewitterfans etwas
schlechter stellt sich die Situation für organisierte Strukturen dar, liegen
doch die höchsten Scherungswerte bezüglich der Warmfront präfrontal und fallen
damit weder mit den höchsten CAPE-Werten noch mit den höchsten PPW-Werten
zusammen. Letztendlich zeichnet ICON6_Nest ein Bild, welches die Entwicklung
starker Gewitter recht sicher erscheinen lässt, unwetterartige Entwicklungen
sind dabei zumindest lokal bezüglich Starkregen und Hagel nicht ausgeschlossen.
Und die anderen Modelle? Deuten in die gleiche Richtung. GFS simuliert, bei
ähnlicher Frontverlagerung, ebenfalls CAPE-Werte über 1000 J/kg, wobei die
höchsten Werte etwas später im Tagesverlauf erreicht werden sollen. Die Maxima
des niederschlagbaren Wassers liegen etwas großflächiger über 25 mm als dies
ICON6_Nest simuliert, aber grundsätzlich neue Erkenntnisse liefert die dort
avisierte Verteilung nicht. Einige hoch aufgelöste Modelle simulieren auch
orkanartige Böen (COSMO-DE, Arome), aber deren Wahrscheinlichkeit ist doch sehr
gering. Etwas anders schätzt EZMW (12 UTC-Lauf von gestern, 21.4.) die Situation
ein. Hier liegen die CAPE-Werte sogar bei bis zu 1500 J/kg, und zumindest
bezüglich der CAPE-Werte ist ein langsameres ausgreifen nach Nordosten bzw.
Osten zu beobachten. Geleichwohl gilt auch hier: Starke Gewitter sind
wahrscheinlich, schwere Gewitter sind lokal möglich. Bezüglich der
Begleiterscheinungen muss man sicherlich Starkregen auf der Karte haben,
Sturmböen sind bei 5 hPa-Druckunterschied zwischen Nordsee und Rhein-Main-Gebiet
zumindest aus dem Druckgradienten nicht zwingend abzuleiten, könnten aber bei
der gebietsweise vorhandenen inversen V-Struktur als Fallböen auftreten. Eine
lokale Eingrenzung der stärksten Entwicklungen innerhalb des Warmsektors ist
nicht einfach vorzunehmen. Die synthetischen Reflektivitäten aus COSMO-DE deuten
darauf hin, dass bis in den Abend NRW den Schwerpunkt bilden sollte, danach ist
dann ein Ausgreifen nach Nordosten zu erwarten. Zwischen Schwarzwald und
Bayerischem Wald sind die Entwicklungsbedingungen für Gewitter deutlich
schlechter. Geringe CAPE-Werte und insgesamt trockenere Luft lassen trotz sehr
hoher Labilität das Gewitterrisiko dort nur moderat erscheinen. Möglicherweise
hilft die Orografie, immerhin werden auch am Alpenrand bei COSMO-DE höhere
synthetische Reflektivitäten angedeutet, die Wetterinterpretation schlägt
bezüglich Gewittern aber bei den deutschen Modellen nicht an, aber zumindest bei
den ausländischen Mitbewerbern in Form von GFS zeigen sich entsprechende
Hinweise.

In der Nacht zu Montag ziehen die Gewitter in den Nordosten. Insgesamt wird
deren Ausprägung dann tagesgangbedingt schwächer, Starkregen, Hagel und
Sturmböen erscheinen aber trotzdem zumindest vereinzelt noch denkbar, liegen die
PPW-Werte doch immer noch über 25 mm (beispielsweise bei ICON6_Nest und GFS).
Darüber hinaus ist auch die Labilität noch hoch, und auch die Scherungswerte
liegen laut ICON6_Nest mit über 20 m/s im Deep-Layer-Bereich und 10 bis 15 m/s
im Low-Level-Bereich noch recht hoch. Im Westen übernimmt aber zunehmend die
hereinschwenkende Kaltfront die Spielleitung. Sie erreicht bis zum Morgen etwa
die Mainlinie. Mit der Kaltfront verlagern sich in einem Streifen Schauer,
einzelne Gewitter, aber auch kräftige Böen ost- bzw. südostwärts, wobei in
Gipfellagen steife Böen Bft 7 oder Sturmböen Bft 8-9 vereinzelt möglich sind.
Die Nebelwahrscheinlichkeit ist bei einem insgesamt auflebenden Wind und im
Süden auch recht hohen Spread-Werten gering.

Montag... Überquert der Langwellentrog unter deutlicher Verkürzung seiner
Amplitude den Norden Deutschlands. Zum Abend erreicht er dabei Mecklenburg, in
der Nacht zu Dienstag verlässt er Deutschland in Richtung Polen. Dabei wird auf
seiner Rückseite die Strömung in der Höhe deutlich zonaler, ausgangs der Nacht
zu Dienstag liegt der Vorhersagebereich komplett unter einer westlichen, recht
gleichförmigen Höhenströmung. In der bodennahen Druckkonstellation sind dann ein
zonal ausgerichteter, großräumiger Tiefdruckkomplex über dem Nordatlantik sowie
ein Hochdruckgebiet bei den Azoren die dominierenden Protagonisten. Damit stellt
sich auch bodennah eine westliche Strömung ein. In diese ist ein Frontensystem
eingelagert, welches ausgangs der Nacht zu Dienstag auf den Norden übergreift.
Zuvor überquert am Tage aber noch die Kaltfront die Südosthälfte Deutschlands.
Sie liegt gegen Mittag etwa auf einer Linie Lausitz-Nordbaden, am Abend erreicht
sie Franken und Schwaben. Präfrontal ist die Luftmasse weiterhin labil.
Allerdings erreichen die CAPE-Werte nur noch Maxima von knapp über 500 J/kg
(ICON6_Nest, GFS bringt es zumindest auf 700 bis 800 J/kg, COSMO-DE liegt etwa
dazwischen), und die höchsten Werte werden auch nur sehr vereinzelt erreicht. Da
auch die Scherungswerte deutlich niedriger liegen als am Vortag, sinken such die
Chancen auf organisierte Konvektion. In der Gesamtschau sind Unwetter-Gewitter
am Montag nochmals geringer wahrscheinlich als am Sonntag, auf die eher
theoretische Möglichkeit eines solchen Ereignisses deuten in Kern nur noch die
hohen PPW-Werte hin (ICON6_Nest ebenso wie GFS um 25 mm). Mit Frontpassage bzw.
präfrontal lebt im Osten und Süden der Wind merklich auf, was vor allem an den
sich intensivierenden Umlagerungen liegt. Aus dem Gradienten ist die Windzunahme
nicht abzuleiten. Aber wie auch immer: Böen der Stärke 7 Bft sind eher ein Thema
als noch am Vortag, und auch Böen Bft 8 oder 9 (Sturmböen) sind zumindest in
Gipfellagen der Osthälfte wohl gesetzt.

In der Nacht zu Dienstag ziehen letzte Gewitter im Süden nach Südosten ab oder
fallen zusammen, es setzt insgesamt eine Stabilisierung ein, was sich u.a. an
den Lapse-Rates ausmachen lässt. Die Cape-Werte sinken tagesgangbedingt, bis in
die zweite Nachthälfte kann es allenfalls im äußersten Südosten Deutschlands
noch Schauer und Gewitter geben. In den Norden zieht in der zweiten Nachthälfte
dann das oben schon erwähnte neue Frontensystem, welches zu einem flachen
Randtief über der nördlichen Nordsee gehört. Mit diesem greifen Regenfälle
insbesondere auf den Norden über, der Wind bleibt dabei zwischen Ems und Oder
lebhaft mit steifen Böen an den Küsten.

Dienstag... überquert das Frontensystem (zwischen weiterhin tiefem Luftdruck
über dem Nordatlantik und hohem Luftdruck, der von den Azoren über die Biskaya
bis nach Südfrankreich reicht) den Norden Deutschlands ostwärts, allerdings
beginnt die Front über der Mitte Deutschlands zu schleifen, so dass sie in der
Nacht kaum noch nach Süden vorankommt. Damit bleibt es in der Südhälfte nicht
nur am Tage, sondern auch in der Nacht weitgehend trocken, im Norden jedoch
regnet es teils länger anhaltend, mit Ausnahme der Küstenregionen. In 500 hPa
bleibt es ebenfalls bei der schon angedeuteten zonalen Höhenströmung, die sich
an der Südflanke eines großräumigen Bereiches tiefen Geopotentials über dem
Nordatlantik eingestellt hat. In diese Strömung sind immer wieder kurzwellige
Tröge eingewoben, die uns von West nach Ost überqueren. Ein kräftigerer dieser
Kurzwellentröge greift in der Nacht zu Mittwoch auf den Westen über, womit im
Norden einerseits weiterhin verbreitet intensive Regenfälle verbunden sind,
andererseits sinkt dabei über dem Nordosten Deutschlands der Druck leicht. Dies
reicht allerdings für eine leichte Drehung der bodennahen Strömung auf Nordwest,
so dass die Front nunmehr etwas nach Süden vorankommt. Nach aktuellem Stand der
Modelle reicht es im Norden nicht für Warnungen vor Dauerregen, die
Warnschwellen sind aber von den aktuellen Regensummen nicht sehr weit entfernt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe sehr ähnlich, beispielsweise bezüglich der
Verlagerung der Fronten oder bezüglich der Gewitterparameter. Auch die
großräumigen synoptischen Strukturen werden ähnlich vorhergesagt. Unterschiede
zwischen den Modellen, so vorhanden, wurden exemplarisch im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas