DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-09-2017 21:00
SXEU31 DWAV 131800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 13.09.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht auf Donnerstag teils ergiebige Dauerniederschläge im Südwesten.
Zunächst noch sehr windig mit Windböen und Sturmböen, an der See und im höheren
Bergland schwere Sturmböen, an der Ostsee anfangs noch orkanartige Böen. Ab der
Nacht auf Freitag deutliche Windabnahme.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines umfangreichen
Tiefdruckkomplexes über Nordeuropa. Wesentlich für die aktuelle Warnlage ist ein
kräftiges Randtief an der Südflanke des Komplexes, das von den Britischen
Inseln, über die Nordsee bis nach Dänemark gewandert ist. Flankiert wird das
Orkantief in der Höhe von einem Kurzwellentrog und einem veritablen Jet in 300
hPa. Auf dessen linken Ausgangsseite konnte sich das Orkantief bis auf unter 980
hPa vertiefen.

Mittlerweile hat das stark okkludierte und nun achsensenkrecht liegende
Bodentief seinen Höhepunkt überschritten. Das Maximum der Winde in 850 und 925
hPa hat sich gleichfalls ostwärts verlagert und liegt nun über dem Nordosten
Deutschlands. Die prognostizierten Geschwindigkeiten von etwa 60 kn wurden auch
vom 12 UTC Aufstieg von Schleswig bestätigt. In der Nacht auf Freitag wird
dieses schließlich nordostwärts abwandern. Damit ist auch die Windentwicklung
für die kommende Nacht vorgezeichnet. So wird sich der Schwerpunkt der stärksten
Böen allmählich von der Nordsee zur Ostsee verlagern. Während der Wind auf den
Friesischen Inseln allmählich unter die Unwetterschwelle rutscht, ist diese für
exponierte Abschnitte der Ostsee immanent. Das betrifft vor allem die für
West-Südwestwind anfälligen Küstenlagen. So muss auf dem Darß oder Rügen mit
orkanartigen Böen gerechnet werden. Weiter ins Binnenland sind stürmische Böen
und einzelne Sturmböen zu erwarten. An der Nordsee bleibt es noch bei schweren
Sturmböen.

Weiter in Richtung Mitte des Landes lässt der Wind im Vergleich zum Tage spürbar
nach. Neben dem Tagesgang und dem Abwandern des Windmaximum in der Höhe hat
diese grundsätzlich auch mit der Kaltfront des Orkantief zu tun, die ihren Weg
nach Süden gestoppt hat und ins wellen gerät. Der Wellenkopf befindet sich
vorderseitig eines Kurzwellentroges über Frankreich und überquert den Süden des
Landes in der Nacht. Im Bereich des Wellenkopfes lässt der Wind deutlich nach
(mittleren Landesteile), da der Gradient in diesem Bereich auseinander gezogen
wird. Anders sieht es auf der Südflanke aus. So muss in der Nacht im Süden
weiter mit starken bis stürmische Böen gerechnet werden, vereinzelte Sturmböen
sind nicht ausgeschlossen. Auf den süddeutschen Bergen kann es schwere
Sturmböen, exponiert auch orkanartige Böen geben. Erschwerend kommt der
Leitplankeneffekt über Bayern hinzu. Betrachtet man die Winde in 925 hPa so
lässt sich dieser sehr gut erkennen. Unter leichter Abschwächung findet man
diesen auch in der Nacht auf Donnerstag. Besonders gut zeigt dabei EURO4 die
Entwicklung. Insofern sind auch in diesem Bereich weitere Warnungen bis in den
markanten Bereich notwendig

Neben dem vielen Wind darf der Niederschlag nicht aus dem Auge verloren werden.
Dafür kommen wir zurück zu dem oben beschriebenen Wellenprozess der Kaltfront.
Mit der Welle einhergehende kräftige Hebungsprozesse sorgen für reichlich
Niederschlag ausgehend vom Südwesten bis zur Mitte. Die aktuellen Radarbilder
zeigen die betroffene Region schon sehr gut. Die Niederschläge werden sich den
Prognosen folgend in der ersten Nachthälfte nochmal deutlich intensivieren und
bis in die zweite Nachthälfte hinein andauern. Betroffen sind die Regionen
ausgehend vom Nordschwarzwald bis zum Main und vom Saarland bis nach Franken.
Entsprechende Dauerregenwarnungen bis in den Unwetterbereich sind bereits
ausgegeben und passen in der Lokalisierung gut mit der aktuellen Situation
überein. Zwei Dinge wären noch überlegenswert. Zum einen deuten manche
Modelllösungen ein Überschreiten des Unwetterkriteriums vom Saarland bis zur
Pfalz an. Dies gilt es im Auge zu behalten. Ebenso zeigen PEPS, ICON und
Anschlussmodelle sowie das LARSIM Hinweise, dass im Nordschwarzwald die Schwelle
von 70 l/qm in 12 h gerissen werden könnte, was dort eine Erhöhung der Warnstufe
zur Folge hätte. Die Station Saint-Dizier meldete um 15 UTC 31 mm in 4 h, was
das Potential der Niederschläge zeigt. Ins Bild passt dabei auch das Sounding
von Trappes (bei Paris) mit einem ppw-Wert von 36 mm. Auch diese Entwicklung
muss weiter verfolgt werden.

Zu guter Letzt noch zu den Gewittern. Diese sind mit der labilsten Luft zunächst
ostwärts abgezogen. Für die Nacht auf Donnerstag muss vor allem im Umfeld der
Nordsee zeitweise mit Blitz und Donner gerechnet werden, was vor allem der
Kombination von warmem Meerwasser und kalten Temperaturen in der mittleren
Troposphäre geschuldet ist. Die Modelle deuten zudem die Ausbildung von
Schauerstraßen an, sodass vor allem entlang der nordfriesischen Inseln und etwas
landeinwärts summiert mit 12 stündigem Dauerregen zu rechnen ist. Diese Hinweise
gibt es eigentlich von allen Modellen, mehr oder weniger intensiv. Einzelne
Modelle und auch das COSMO-DE EPS deuten sogar das Überschreiten der
Unwetterschwelle an der Grenze zu Dänemark an.

Donnerstag ... ist das Orkantief unter Abschwächung über dem Baltikum
nordostwärts abgezogen, auch das Randtief zieht in den Morgen- und
Vormittagsstunden ostwärts ab. Somit erreicht die wellende Kaltfront den
Alpenrand und die Dauerniederschläge im Süden lassen nach. Vor allem im
Schwarzwald halten die kräftige Niederschläge aus der Nacht noch bis zu den
Mittagsstunden an und erreichen dann auch den Südschwarzwald. Zwar gibt es
Andeutungen, dass auch dort die markante Warnschwelle überschritten werden kann,
es gibt aber auch einige Lösungen, die das so nicht sehen. Am Nachmittag regnet
es dann mit nachlassender Intensität am längsten noch im Südosten.

Gleichzeitig schiebt sich von Westen her der Haupttrog mit 500 hPa Temperaturen
um -25 Grad nach Deutschland. Am Nachmittag wird die gesamte Nordwesthälfte von
der labilen Höhenkaltluft überdeckt. Als Folge muss wiederholt mit Schauern und
auch kurzen Gewittern (inkl. Graupel) gerechnet werden. Am intensivsten fallen
Schauer/Gewitter im Nordwesten und dort im Umfeld der Nordsee aus.

Der Wind in mittleren Troposphärenniveaus und damit auch das Potential von
Schauer- und Gewitterböen lassen im Tagesverlauf weiter nach. Dennoch muss in
Verbindung mit konvektiven Umlagerungen mit starken bis stürmischen Böen
gerechnet werden. Das gilt vor allem für den Westen, wo mit Hereinlaufen der
Trogachse die 925 hPa Wind immerhin nochmal auf rund 40 kn ansteigen, sodass
auch einzelne Sturmböen im Bereich des Möglichen sind.
Im Norden und Nordwesten lässt der Höhenwind hingegen deutlich nach. Nur anfangs
treten an der Ostsee noch Sturmböen auf. Im Binnenland lässt der Wind am
Nachmittag soweit nach, dass dann keine Warnungen mehr erforderlich sind.
Zu erwähnen bleiben noch der Süden und die östliche Mitte mit verbreitet Bft 6
bis 7, nur auf den Bergen sind Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen möglich.

Das Temperaturniveau ist mit 12 bis 17 Grad klar herbstlich, einzig im Südosten,
wo die Kaltfront als letztes ankommt, werden nochmal bis 20 Grad erreicht.

In der Nacht auf Freitag zieht die Trogachse ostwärts ab, sodass sich rückseitig
ein kurzwelliger Höhenrücken bemerkbar macht. So lassen die schauerartig
verstärkten Niederschläge zur zweiten Nachthälfte hin nach. Der Wind ist
abgesehen von den höheren Berglagen und den Küstengebieten (Bft7/8) nicht mehr
warnwürdig, das der Gradient deutlich auseinander geht. Die Minima liegen
zwischen 10 und 4 Grad, an der See bleibt es etwas wärmer aufgrund des noch
warmen Wassers.

Freitag ... wandert der flache, kurzwellige Rücken allmählich ostwärts ab,
sodass Deutschland allmählich in den Einflussbereich der Haupttrogachse gelangt,
die zum Mittagstermin noch über Frankreich vorhergesagt wird. Über dem Westen
liegt die Temperatur in 500 hPa bei -24 Grad. Somit wird auch wieder etwas CAPE
simuliert. Entsprechend muss im Westen und Nordwesten mit Schauern und auch
einzelnen Gewittern gerechnet werden. Der Wind in 850 hPa liegt allerdings nur
noch um 10 kn, sodass die auftauchenden Kaltluftgewitter auf der unteren
Warnschwelle bleiben.

Der Gradient ist mittlerweile so weit auseinander gegangen, dass warnwürdige
Böen nur noch an der See und auf den Berggipfeln zu erwarten sind (Bft 7, exp.
Bft 8).

Bei Maxima zwischen 12 und 17 Grad bleibt es herbstlich.

In der Nacht auf Samstag kommt die Trogachse weiter in Richtung Deutschland
voran. Die Höhenkaltluft sorgt daher trotz des Tagesganges für weitere Schauer,
an der See auch Gewitter. Allerdings lassen die Intensität und die Häufigkeit im
Vergleich zur Nacht deutlich nach.

Hebungsprozesse auf der Trogvorderseite führen dazu, dass sich von den Alpen
heraus Niederschläge etwa bis zur Donau vorarbeiten können. Warnschwellen werden
voraussichtlich aber nicht überschritten.

Die Nachtwerte liegen mit der eingeflossenen Kaltluft klar im einstelligen
Bereich zwischen 8 und 3 Grad, nur an der See um 11 Grad.

Samstag ... verbleibt der Haupttrog über Westeuropa, wobei sich von der nun
stark positiv geneigten Achse ein eigenständiges Höhentief bei den Britischen
Inseln abspaltet, während das Trogresiduum ostwärts wandert.

Mit der Lage auf der Vorderseite des Höhentiefs ändert sich am Wettercharakter
entsprechend nichts Wesentliches.

In der Nordwesthälfte liegt die labilste Luft mit einer 500 hPa Temperatur von
rund -25 Grad, weiter nach Südosten ist die Schichtung hingegen deutlich
stabiler.

In der Nordwesthälfte muss entsprechend mit wechselnder bis starker Bewölkung
sowie einzelnen Schauern, an der Nordsee auch Gewittern gerechnet werden.
Allerdings fehlt es ein wenig an bodennaher Feuchte, sodass die Schaueraktivität
lange nicht mehr so intensiv ist, wie noch am Vortag. Einzig an der Nordsee
reicht es noch für eine stärkere Aktivität.

Im Süden sorgen Hebungsprozesse für weitere Niederschläge südlich der Donau, die
allerdings von der deutschen Modellkette deutlich intensiver gerechnet werden,
als vom ECMWF oder GFS.

Der Luftdruckgradient am Südrand eines Tiefs über Nordsee (das dort
korrespondierend zum Höhentief liegt) ist mittlerweile so schwach, dass keine
Warnungen mehr erforderlich sind. Dementsprechend sollte der Samstag weitgehend
warnfrei verlaufen.

Am freundlichsten wird es dabei in den östlichen Landesteilen außerhalb der
labilen Kaltluft im Westen und Nordwesten und außerhalb der Hebungsprozesse im
Süden.

Die Maxima liegen nur bei 14 bis 18 Grad, o, Süden bei Dauerregen nur zwischen
10 und 14 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung wird von allen Modellen ähnlich vorhergesagt. Zum
Wochenende nehmen aber die Detailunterschiede etwas zu. So ist noch fraglich,
wieviel Regen dann südlich der Donau fällt und wie intensiv die Schaueraktivität
am Samstag ausfällt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer