DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 031800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 03.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs noch kräftige Gewitter, teils Unwetter. Von Südwesten her teils
gewittriger Starkregen, morgen Vormittag den Osten erreichend. Dahinter in
einfließender Atlantikluft Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... dauert die Gewitterlage in Deutschland bei schwachen
Luftdruckgegenätzen und unter einer gemäßigten südwestlichen Höhenströmung
weiterhin an. In der breiten Tiefdruckrinne, die sich über Mitteleuropa
respektive Deutschland etabliert hat, ließen sich tagsüber schon mehrere
Konvergenzen finden, von denen aber nur die scheinbar markantesten analysiert
wurden (es gibt sicherlich sich heute nicht im Dienst befindliche
KollegI(!)nnen, die noch mehr "Fischgräten" - so das unter Meteorologen gängige
und etwas flapsige Synonym für Konvergenzen - gefunden hätten, aber das nur am
Rande). Fakt ist, dass die Kaltfront eines Zentraltiefs südlich von Island, die
quasi den westlichen Rand der Rinne markiert und die in der
Remote-Sensing-Betrachtung so gut wie gar nicht auffällt, zunächst noch westlich
von uns positioniert ist, bevor sie im Laufe der Nacht Teile des Westens und
Nordwestens überquert.
Bevor es soweit ist, weiten sich die aktuellen Gewitter noch etwas in den Norden
und Osten aus, wobei zunächst immer noch lokale Unwettergefahr durch Starkregen
und/oder Hagel besteht, während Sturmböen zwar nicht ausgeschlossen sind,
tendenziell aber eher mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auftreten. Später in
der Nacht nimmt die Gewitterneigung mehr und mehr ab bzw. die noch vorhandenen
Gewitter schwächen sich zusehends ab, was aber noch ein paar Stunden dauern
kann.
Wer nun aber meint, das war´s liebe Tante Agathe, dem sei ein Blick auf die
französische und schweizer Seite empfohlen, wo sich vorderseitig der Kaltfront
und teils durch konfluente Bodenwinde ein mesoskaliges, mit Gewittern
durchsetztes Regengebiet formiert hat (der schweizer Part ist davon etwas
abgesetzt). Entscheidender für die Bildung dieses Systems scheint aber ein
markanter KW-Trog zu sein, den man in 500 hPa mit der Lupe suchen muss, der aber
beispielsweise in 700 oder auch 850 hPa überaus markant abgebildet wird.
Nevertheless, dieses mit Gewittern durchsetzte Starkregengebiet greift in der
Nacht auf den Südwesten unseres Landes über (zunächst BW, Saarland und RP), von
wo aus es sich über Teile Bayerns und Hessen bis in die Mitte ausweitet. Die
Gewitter treten dabei vornehmlich an der Ost- und Nordostflanke des
Regengebietes auf, wo noch ein gewisses Restquantum Labilität zu finden ist.
Dort, aber auch dahinter ist Starkregen der Parameter, der uns vornehmlich
beschäftigen wird, und das nicht zu knapp. Sowohl die deterministischen Modelle
als auch die probabilistischen Anschlussverfahren liefern ausreichend deutliche
Signale für 6h-Starkregen von 20 bis 35 mm, gebietsweise sogar darüber
(Unwetter). Teilweise können die Regenfälle auch etwas mehr als 6 h andauern,
was eine 12-h-Dauerregenwarnung erfordern würde. Allerdings fällt der
Löwenanteil höchstwahrscheinlich innerhalb der 6 h, so dass man in der Regel mit
einer Starkregenwarnung auskommen müsste. Betroffen ist ein Streifen, der von
BW, dem Saarland und RP über weite Teile Hessens und Frankens bis nach
Thüringen, vielleicht auch noch in südwestliche Niedersachsen und das südliche
Sachsen-Anhalt reicht.

Sonntag ... zieht die Kaltfront in ihrem Nordteil relativ zügig ostwärts durch
und dürfte zum Mittagessen schon bei unseren polnischen Nachbarn einkehren.
Anders die Situation im Süden, wo sie zurückhängt und in die Warmfront eine
flachen Tiefs übergeht. Der niedertroposphärische KW-Trog erreicht um 12 UTC die
östlichen Bundesländer, um später von dort ebenfalls Polen anzusteuern.
Rückseitig der Front gelangt ein Schwall subpolarer Meeresluft in den
Vorhersageraum, der für eine merkliche, aber (Achtung, Subjektivität) nicht
unangenehme Abkühlung sorgt (Tmax 17 bis 23°C, an der See etwas darunter). Vor
allem die heute in großen Teilen des Landes noch auftretenden hohen Taupunkte
gehen nach unten, zum Teil sogar in den einstelligen Bereich, oder anders
ausgedrückt, es wird trockener. Zunächst ist das vor allem im Westen und
Nordwesten der Fall, wo sich der Keil des Azorenhochs bemerkbar macht. Dort
bleibt es bei wechselnder Bewölkung mit gelegentlichem Sonnenschein weitgehend
trocken.
Anders sieht es im Osten und Süden aus. Besonders in den östlichen Bundesländern
kommt es am Vormittag trogvorderseitig zu stärkeren Regenfällen, die
gebietsweise im markanten 6h-Starkregenbereich liegen, die Unwetterschwelle wohl
aber nicht mehr überschreiten. Am Nachmittag lässt der Regen von Westen her
nach.
Im Südosten, sprich vornehmlich im Süden und Osten Bayerns - sind an bzw. knapp
vor der Front zunächst noch ein paar Schauer und örtlich kräftige Gewitter
(Starkregen) unterwegs, die im Tagesverlauf aber ebenfalls nachlassen bzw. an
den unmittelbaren Alpenrand zurückziehen.
Mit respektive nach Passage der Kaltfront baut sich mit dem Druckanstieg
vorübergehend ein moderater Gradient auf, der ab den frühen Morgenstunden -
unterstützt durch isallobarischen Wind - in der Mitte und im Süden den auf W bis
NW drehenden Wind vorübergehend auffrischen lässt mit einzelnen Spitzen 7 Bft.

In der Nacht zum Montag passiert nicht allzu viel. Der Bodenhochkeil kräftig
sich etwas und sorgt für stabile Verhältnisse. Teilweise klart es auf, wobei die
Temperatur bis in den einstelligen Bereich sinkt. Hier und da bildet sich ein
Nebelfeld und an den Alpen kann es noch ein paar Tropfen regnen (quasistationäre
Front).

Montag ... verbleiben wir unter einer limitierten südwestlichen Höhenströmung,
die am Boden mit schwachen Luftdruckgegensätzen gekoppelt ist. Von Süden her
kommen die Luftmassengrenze respektive die gealterte feucht-warme Luft etwas
nach Norden voran. Darin können sich insbesondere in Teilen Bayerns und
Baden-Württembergs, nach GFS sehr offensiv auch noch bis nach Thüringen und
Sachsen ausgreifend Schauer und einzelne Gewitter entwickeln. Zwar ist die
Labilität überschaubar, und auch ML-CAPE wird nicht viel generiert, aufgrund der
hohen Feuchte (PPW bis knapp 30 mm) sind aber markante Gewitter durch Starkregen
auf alle Fälle ins Kalkül zu ziehen, zumal die Dinger auch wenig Interesse
haben, sich von dem Fleck zu entfernen, wo sie entstanden sind.
Im großen Rest des Landes bleibt es bei unterschiedlicher Bewölkung weitgehend
trocken und vor allem warnfrei mit den längsten sonnigen Abschnitten im Norden
und Westen. Die Temperatur steigt auf 19 bis 24°C, an der See bei auflandigem
Wind und im Süden unter dichten Wolken gebietsweise etwas darunter.

In der Nacht zum Dienstag nähert sich von Westen ein sich deutlich
verschärfender Höhentrog, der in den frühen Morgenstunden im äußersten W und SW
erste Regenfälle, vielleicht auch ein einzelnes Gewitter bringt. Höher ist die
Gewitterwahrscheinlichkeit allerdings im S und SO, wo mit der auf südliche
Richtungen rückdrehenden Strömung die feucht-warme Luftmasse noch etwas Boden
nach Norden hin gutmacht. In den Gewittern besteht nach wie vor
Starkregengefahr.

Dienstag ... aus gegebenem Anlass nur kurz: der o.e. Höhentrog schwenkt
allmählich nordostwärts, gleichzeitig zieht ein gut ausgeprägtes Bodentief
(unter 1000 hPa) vom Ärmelkanal zur Nordsee. Die zugehörige teilokkludierte
Kaltfront passiert Deutschland ebenfalls nordostwärts. Dahinter stößt ein
Schwall maritim-polarer mit unter 5°C in 850 hPa in den Vorhersageraum vor,
während vorderseitig feuchte und labile Warmluft in den Osten und Norden
advehiert wird. Dort entwickeln sich teils kräftige Gewitter. Ansonsten kommt es
zu schauerartig verstärkten Regenfällen, die vor allem am Alpenrand recht
kräftig ausfallen können. Der auf westliche Richtungen drehende Wind frischt
merklich auf mit Böen 7-8 Bft, in höheren Lagen noch darüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisentwicklung steht. Am schwierigsten aus warntechnischer Perspektive
wird der Spagat zwischen den anfänglich noch auftretenden Gewittern mit
Starkregen und dem nachfolgenden Starkregen, der nicht ausschließlich, wohl aber
überwiegend nicht-gewittrig ablaufen sollte. Es bietet sich an, anfangs noch
typisches Nowcasting zu betreiben, im Laufe der Abendstunden dann aber Zug um
Zug eine 6h-Starkregenwarnung (markant) von SW her zu platzieren. Auf diese
müssen dann ggf. wenn nötig Gewitterwarnungen draufgesetzt bzw. auf Unwetter
Starkregen erhöht werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann