DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-11-2016 09:00
SXEU31 DWAV 300800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 30.11.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa (Nordwest antizyklonal)

Heute im N und NO anfangs örtlich Glatteis (markant). Zum Donnerstag hin vor
allem in der NO-Hälfte sowie im Bergland sehr windig bis stürmisch, exponiert
schwere Sturmböen oder Orkanböen. Am Freitag wieder ruhigeres Fahrwasser.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... Schaut man sich heute früh - ganz grob und noch mit trüben Augen -
die Großwetterlage der nächsten drei Tage an, so erkennt man ein einziges
Muster, das sich bis Freitag, je eigentlich sogar bis zum Wochenende gar nicht
oder nur marginal ändert. Dass das im Detail freilich nicht so ist, werden die
nächsten Zeilen und Abschnitte offenlegen.
Die auf den ersten Blick auffallende Ähnlichkeit liegt im Wesentlichen an der
großräumigen Potenzial- und Luftdruckverteilung, die ein klar strukturiertes
Muster aufweist. Auf der einen, der westlichen Seite befindet sich ein sich
heute noch weiter aufwölbender, später bis nach Ostgrönland reichender
Höhenrücken, der mit einem umfangreichen Bodenhoch korreliert. Dieses Bodenhoch,
derzeit noch mit einem bis zum Balkan gerichteten kräftigen Keil ausgestattet
und somit auch in weiten Teilen unseres Landes prominent wirksam, verbleibt
schwerpunktmäßig über UK/Irland und Frankreich. Dagegen schwächt sich der Keil
bereits heute beginnend sukzessive ab, ohne aber zumindest die südwestlichen
Landesteile gänzlich aus den Augen zu verlieren. Ansonsten gestaltet sich das
Geschehen von N bzw. NO her zunehmend zyklonal, womit wir beim zweiten
Schwerpunkt der Großwetterlage wären.
Er manifestiert sich in Form eines sich von Nordeuropa bis zum östlichen
Mittelmeer erstreckenden Höhentrogs, der aktuell durch einen von Skandinavien
südostwärts ablaufenden KW-Trog noch mal richtig "in Form" gebracht respektive
regeneriert wird. Wenig verwunderlich erscheint es, dass das korrespondierende
Bodendruckgebilde ein Tiefdrucksystem ist, dessen Hauptdrehzentrum sich vom
Nordkap langsam aber sicher nach Osten verlagert. Eingebettet ist das
großräumige System sind kleinskalige Tiefs, Wellen oder auch Tröge, auf die
später noch eingegangen wird. Fakt ist, dass Deutschland während der ganzen Zeit
unter einer nordwestlichen Höhenströmung liegt, während bodennah (Stichwort
Ageostrophie) westliche bis nordwestliche Wind das Geschehen bestimmen. Beides,
Höhen- und Bodenströmung erreichen am morgigen Donnerstag sowie in der Nacht zum
Freitag ihren kinetischen Höhepunkt.
Nun zum heutigen Tag: Während im W und S sowie in Teilen der Mitte zunächst noch
der besagte Hochkeil für ruhiges, kaltes und verbreitet sonniges Winterwetter
sorgt, macht sich im Norden die maskierte Kaltfront eines Tiefs unweit des
Nordkaps bemerkbar. Sie stößt langsam südwärts vor, wobei die sich die frontalen
Hebungsprozesse in Grenzen halten. Gleichwohl kommt es zu schwachen
Niederschlägen, die im äußersten N - dort ist sind Luft- und Belagstemperatur
bereits im Plus - als unkritischer Regen oder Nieselregen fallen. Kritischer
verhält sich zumindest anfangs die Sache weiter landeinwärts, wo beide
Temperaturen noch im negativen Bereich liegen. Dort kann - grob gesprochen vom
nordöstlichen Niedersachsen bis ins östliche BB - bis in den Vormittag zumindest
stellenweise etwas gefrierender Regen/Nieselregen auftreten, der aber mit einer
markanten Glatteiswarnung ausreichend gewürdigt ist. Da die Niederschlagssignale
nur schwach und zudem äußerst fraktil sind, ist es ziemlich schwer, im Vorfeld
belastbare Warnungen zu markieren. Hinzu kommt, dass nach O und SO hin der Regen
in leichten Schneefall bzw. Schneegriesel übergehen kann. Von daher empfiehlt es
sich, mit Augenmaß zu warnen und das Nowcastprinzip seriös auszureizen.
Heute Nachmittag verstärken sich die Niederschläge im N und O bei gleichzeitiger
Ausdehnung bis hinunter zum Zittauer- und zum Erzgebirge. Ursache ist nicht etwa
die oben zitierte Kaltfront sondern die Annäherung einer Warmfront von der
Nordsee her, in deren Vorfeld die WLA merklich zunimmt. Die Warmfront gehört
übrigens zu einem flachen, heute Mittag knapp östlich von Island positionierten
Wellentief, das von dort gen Norwegische See zieht. Im östlichen und
südöstlichen Sachsen setzt Schneefall oder Schneeregen ein, gebietsweise bildet
sich dort eine dünne Schneedecke. Nach W hin, wo evtl. der Harz und das
Weserbergland touchiert werden, besteht noch eine kleine Wahrscheinlichkeit für
geringen gefrierenden Regen/Nieselregen.
Ansonsten steht aus Sicht der warnenden Meteorologenzunft heute noch ein
bisschen oder auch ein bisschen mehr Wind auf der Agenda. So weht an der Küste
sowie in höheren Lagen ein frischer westlicher Wind mit Böen 7 Bft, an der
vorpommerschen Küste 8 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen der nördlichen
und östlichen Mittelgebirge 8-9 Bft, vereinzelt 10 Bft auf. Die Temperatur
steigt auf 0 bis 5°C (im Bergland hält sich lokal leichter Dauerfrost), im
äußersten N und NW auf 6 bis 10°C.

In der Nacht zum Donnerstag greift die Warmfront auf den N und O über, wobei die
WLA incl. der resultierenden Hebungsprozesse aufrechterhalten bleibt. Besonders
von SH bis hinunter nach Sachsen kommt es zu Niederschlägen (1-8, im Erzgebirge
lokal um 10 mm innert 12 h), die im Tiefland meist als Regen, im östlichen und
südlichen Sachsen anfangs als Schnee/Schneeregen fallen. Im Erzgebirge pendelt
sich die Schneefallgrenze bei rund 600 m ein, worüber bis morgen früh durchaus 5
bis 10 cm Neuschnee fallen können. Ob es lokal noch etwas mehr wird, wie von
einigen Modellen angezeigt, ist nicht sicher, aber allemal möglich. Fraglich ist
auch, wie weit die Niederschläge nach W ausgreifen. Vor allem EURO4 zeigt
kleinere Signale, die den nördlichen Teil der westlichen Mittelgebirge
touchieren sollen. Wenn das der Fall sein sollte, ist gefrierender
Regen/Nieselregen mit Glatteis nicht ausgeschlossen, weil der Frost noch nicht
gänzlich aus dem Boden gewichen sein wird.
Niederschlagsfrei bleibt es definitiv nach S und SW hin (Ausnahme sind die ost-
und nordostbayerischen Mittelgebirge, wo es ebenfalls etwas schneien kann), wo
es vielerorts noch mal gering bewölkt oder klar wird und die Temperatur
entsprechend in den leichten bis mäßigen Frostbereich absinkt.
Der westliche Wind legt vor allem in der NO-Hälfte sowie allgemein im Bergland
zu (Ausnahmen bilden die südwestdeutschen Mittelgebirge wie Schwarzwald und
Alb). In tiefen Lagen treten Böen 7 Bft, an der Küste 8 Bft, vereinzelt 9 Bft
auf. Böen 8 bis 10 Bft stehen in exponierten Kamm- und Gipfellagen auf der
Karte. Im Hocherzgebirge besteht die Gefahr von Schneeverwehungen (WU).


Donnerstag... zieht ein weiteres, im Lee der norwegischen Gebirge entstandenes
Wellentief via Südschweden zur mittleren Ostsee. Dabei kommt es bei uns zu einer
weiteren Gradient- ergo Windverschärfung. Die Warmfront zieht rasch Richtung
Polen ab, wohingegen die Kaltfront erst ab dem Nachmittag auf den N übergreift,
so dass wir vorübergehend in den breit aufgespannten Warmsektor gelangen. Dabei
nimmt die WLA nur zögernd von W her ab, was im N und O des Vorhersageraums
weitere Niederschläge zur Folge hat. Die 12-h-Mengen liegen meist unter der
10mm-Schwelle, die Schneefallgrenze steigt auf 700 bis 1000 m. Da der Schnee
dabei feuchter bzw. nasser wird, nimmt die Gefahr von Schneeverwehungen ab.
Weit relevanter als die Niederschläge ist morgen der Wind respektive Sturm, der
aus W-NW kommen weiter zulegt. Betroffen sind besonders der N und O sowie
allgemein das Bergland (am wenigsten im SW), während es im west- und
süddeutschen Tiefland kaum für warnwürdige Böen reicht. Dagegen muss in weiten
Teilen der Norddeutschen Tiefebene sowie zwischen Ostsee und Erzgebirge in
tiefen Lagen mit Böen 7-8 Bft (8er-Böen eher nach Osten hin), an der Küste 9
Bft, vereinzelt sogar 10 Bft gerechnet werden. Stürmisch (meist 8 Bft) wird es
auch an und auf der Nordsee, während m Bergland die Windkaskade bis zu 12 Bft
(Brocken, Fichtelberg) ausgereizt wird.
Den meisten Sonnenschein gibt es am Donnerstag im S und SW, etwa südlich einer
Linie Hunsrück-Niederbayern. Die Temperatur steigt auf 3 bis 8°C, im äußersten N
und NW auf rund 10°C.

Am Abend und in der Nacht zum Freitag zieht das Wellentief unter deutlicher
Intensivierung via Weißrussland gen Ukraine. Die zugehörige Kaltfront schwenkt
von NO her süd-südwestwärts, was im Osten deutlich progressiver vonstattengeht
als nach Westen hin, wo die Kaltfront später in die Warmfront eines weiteren,
über der Irminger See positionierten Tiefs übergeht. Rückseitig stößt ein
Schwall trockenerer Polarluft arktischen Ursprungs nach, in der die
850-hPa-Temperatur auf rund -5°C zurückgeht. Damit sinkt auch die
Schneefallgrenze von N her wieder ab, allerdings lässt mit der KLA auch der
Niederschlag alsbald nach. Am meisten Schnee fällt im Erzgebirge, aber auch
sonst dürfte es zumindest in den Hochlagen der zentralen und südöstlichen
Mittelgebirge für einige Zentimeter Neuschnee reichen.
Im S und SW reicht es bei geringer Bewölkung bzw. klarem Himmel noch mal für
leichten Frost, ganz vereinzelt bildet sich Nebel. In der postfrontalen Kaltluft
wird es trotz Aufklaren wahrscheinlich nicht für Frost reichen, weil sich der
Wind noch zu lange bemerkbar macht. Vor allem in der ersten Nachthälfte ändert
sich zunächst nicht viel am Status Quo, wobei die Kaltfrontpassage den Höhepunkt
darstellen könnte. Später wird es dann ruhiger, vor allem im Binnenland. An der
See reicht es aber noch für Böen 7 Bft, Ostsee vereinzelt 8 Bft aus NW. Und auch
auf den Bergen bleibt es stürmisch bei leicht abnehmender Intensität der
Spitzenböen.

Freitag... erreicht das Sturmtief die Ukraine, womit es sich weiter vom
Vorhersageraum entfernt. Folglich fächert der Gradient weiter auf und der
W-NW-Wind nimmt weiter ab. An der Ostsee reicht es aber noch für die eine oder
andere 7er-Böe (vornehmlich Vorpommern) und auch im östlichen und südöstlichen
Bergland sowie in den Alpen sind Sturmböen 8-9 Bft je nach Exposition
wahrscheinlich.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass die Kaltfront nur noch wenig südwestwärts
vorankommt, weil sie durch das über UK/Irland und Frankreich liegende Hoch
geblockt wird. Gleichwohl erreichen die Niederschläge unter Abschwächung Süd-
und Westdeutschland, wobei Südbaden und Schwaben sowie der Westteil des
Alpenrands wahrscheinlich ausgespart bleiben (dort wird man sogar die Sonne zu
sehen bekommen). Dabei ist anfangs lokal gefrierender Regen/Nieselregen mit
Glatteis nicht völlig ausgeschlossen. Ansonsten gilt auch tagsüber, was schon
für die Nacht galt. Die Schneefallgrenze (im S und W anfangs bei 1000 m) sinkt
von NO her bei gleichzeitig nachlassender Niederschlagsneigung.
Die Temperatur steigt auf Werte zwischen 3 und 9°C, wobei vor allem im Norden in
der dort abgetrockneten Polarluft häufiger die Sonne zum Zuge kommt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige, zu Beginn dieses Bulletins skizzierte Entwicklung der
Wetterlage wird von allen einschlägig bekannten Modellen des Marktes sehr
ähnlich simuliert. Dass dabei Unschärfen z.B. hinsichtlich detaillierter
zeit-räumlicher Aussagen zum Niederschlag und dessen Phase auftreten, ist
Tagesgeschäft. Es führt dazu, dass einige Warnentscheidungen erst relativ
kurzfristig getroffen werden können (siehe z.B. Glatteis heute Morgen), während
die Option in der Prosa (Warnlagebericht) schon vorher erwähnt werden sollte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann