DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-04-2024 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 28.04.2024 um 10.30 UTC



"High-over-Low": Im Norden und Nordosten Hochdruckeinfluss und warm, im Süden
und Westen etwas kühler und gebietsweise teils starke Gewitter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 05.05.2024


Boing! Vor einer Woche noch Schneeflöckchen bis ins Tiefland, eine Woche später
am heutigen Sonntag dann in Teilen des Landes voraussichtlich bereits ein
Sommertag mit Höchsttemperaturen von 25 Grad oder mehr! Der April macht mal
wieder, was er will. Stellt sich die Frage, ob das auch für den Mai gilt?

Geht es nach den neuesten Vorhersagekarten von heute Morgen, so startet die
Mittelfrist am kommenden Mittwoch mit einem Wärmehöhepunkt, der die Temperaturen
lokal bis nahe an die 30-Grad-Schwelle treibt. Das werden Ausflügler, die am 1.
Mai vermutlich zahlreich Outdoor unterwegs sind, sicherlich gerne hören. Die
warme Luft wird auf der Vorderseite eines Höhentiefkomplexes, der sich westlich
der Britischen Inseln bis zur Iberischen Halbinsel erstreckt, und ein Bodentief
mit Zentrum knapp 500 km westlich vor Irland beinhaltet, mit südöstlicher
Strömung zu uns geführt. Die T850 hPa liegen entsprechend bei 11 bis 14 Grad.
Während die Luft nach Nordosten hin trocken ist, ist sie ganz im Westen und
Südwesten feuchter. Mit der Bildung einer Tiefdruckzone können sich dort
vereinzelte Wärmegewitter entladen. Bei bis zu 2000 J/kg steht ordentlich
ML-CAPE zur Verfügung, die auf 20 bis 25 mm PPW trifft. Folglich können sich
einzelne starke Gewitter, stellenweise bis in den Unwetterbereich bezüglich
Hagel und Starkregen, entwickeln.

Am Donnerstag schwenkt der südliche Teil des Höhentiefkomplexes über der
Iberischen Halbinsel Richtung südöstliches Frankreich und nördliches Italien.
Gleichzeitig ist über Südnorwegen ein Höhenhoch zu finden, sodass die Gebilde
immer mehr in ein "High-over-Low" übergehen. Bodennah bleibt im Süden und Westen
der tiefe Druck bestehen, in der auch die Okklusion des Tiefs westlich vor
Irland den Weg zu uns finden könnte. Im Zuge dessen wird in den Südwesten
kühlere Luft mit T850 hPa von 5 bis 9 Grad eingeschleust. Mit der Feuchtigkeit
und ähnlichen Luftmassenqualitäten wie am Vortag sind mit etwas größerer
Ausdehnung im Westen und Südwesten erneut Schauer und teils starke Gewitter zu
erwarten, die lokal Unwetterpotenzial entfalten können. Das gilt insbesondere
für die Abendstunden, wenn eine Portion Hebung/Dynamik durch den nach
Norditalien schwenkenden Teil des Höhentiefs ins Spiel kommt.

Am Freitag bleibt die "High-over-Low"-Lage bestehen, wobei sich der Schwerpunkt
des Höhentiefkomplexes mehr und mehr zum zentralen Mittelmeer verschiebt. Das
Höhenhoch wandert seinerseits leicht retrograd Richtung Schottland. Hoher Druck
im Norden steht tiefer Druck im Süden entgegen, was auch für die bodennahen
Schichten gilt. Etwa über der südlichen Mitte könnten noch Reste der
zerfallenden Okklusion liegen. Südlich davon lagern weiterhin feuchte und
kühlere Luftmassen, sodass die T850 hPa dort 2 bis 7 Grad beträgt. Ansonsten
wird die Luft bei nunmehr auf Ost gedrehter Strömung bei T850 hPa von 8 bis 10
Grad etwas heruntergekühlt. Das Gewitterpotenzial ist bei geringerem CAPE nicht
mehr so hoch wie am Vortag.

Am Samstag bleibt die Höhenströmung in etwa gleich, das Höhenhoch dehnt seinen
Einfluss allerdings wieder leicht nach Südosten hin aus. Das Höhentief weicht
damit ein wenig zurück. In nordöstlicher Strömung betragen die T850 hPa 5 bis 9
Grad. Im Süden ist dabei weiterhin Restfeuchte vorhanden, womit Gewitter zwar
ein Thema bleiben, CAPE aber noch geringer ist als am Vortag. Nach Norden
überwiegt Hochdruckeinfluss.

Am Sonntag verlagert das Höhenhoch seinen Schwerpunkt in die Nordsee, das
Höhentief wird dadurch weiter nach Südosten abgedrängt und löst sich dort
langsam auf. Weil das Höhenhoch Verbindung aufnimmt zu einem Rücken knapp
westlich der Iberischen Halbinsel, bildet sich am Boden eine Hochdruckzone, die
von etwa den Azoren bis nach Skandinavien reicht und auch Deutschland überdeckt.
Die Strömung dreht weiter auf Nord-Nordost, sodass die T850 hPa noch leicht auf
5 bis 7 Grad zurückgehen. Schauer und Gewitter dürften sich auf die inneralpinen
Bereiche beschränken.

In der erweiterten Mittelfrist ab Montag ist zunächst der Rücken bzw. die
Hochdruckzone für uns wetterbestimmend, bevor eine neue von Grönland kommende
Austrogung ein Tief nach Island bringt, dessen Fronten am Dienstag von
Nordwesten her auf uns übergreifen. Nachfolgend würde es mit nordwestlicher
Strömung bei zunehmend wechselhaftem Wetter noch ein wenig abkühlen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von EZMW ist nur bis zum Donnerstag gut, danach gibt es
insbesondere mit dem Blick auf Mitteleuropa zunehmend Abweichungen. So wurde am
Freitag der Teil des nach Norditalien schwenkenden Höhentiefs im gestrigen 0
UTC-Lauf weiter nördlich gerechnet, womit die Ausdehnung von Schauern und
Gewittern einschließlich Samstag nördlicher gewesen wäre. Mit einem weiteren von
Skandinavien über Deutschland zum zentralen Mittelmeer ziehenden Höhentief wäre
der Sonntag mit einer deutlicheren Abkühlung verbunden gewesen (T850 hPa unter 0
Grad sinkend). Dieses Höhentief ist nun vom Tisch und durch ein Höhenhoch über
der Nordsee ersetzt worden. In der erweiterten Mittelfrist wäre ein weiteres
Höhentief von Osten auf uns zugesteuert mit weiterer kühlerer und feuchter Luft,
auch dieses ist im neuesten Lauf verschwunden. Der gestrige 12 UTC-Lauf ähnelt
zunächst dem heutigen 0 UTC-Lauf, ab Samstag bringt er aber ebenfalls ein von
Skandinavien über Polen nach Rumänien ziehendes Höhentief ins Spiel. Der
Höhenrücken hätte sich dadurch nicht bei uns durchsetzen können, zudem hätte die
nördliche Strömung kühlere Luft im Gepäck gehabt (T850 hPa um 0 Grad).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON sieht im Prinzip ähnlich aus wie der gestrige 12 UTC-Lauf des EZMW (mit dem
östlich von uns nach Süden ziehenden Höhentief ab Samstag).
UK10 geht die EZMW-Lösung in weiten Teilen mit.
GFS bietet ab Freitag eine eigene Lösung, bei der ein Teil des
Höhentiefkomplexes ins zentrale Mittelmeer abtropft und das Trogresiduum
Richtung Deutschland schwenkt. Nachfolgend wandert am Samstag und Sonntag ein
schmaler Rücken durch, bevor ab Sonntagabend von den Britischen Inseln ein
weiterer abtropfender Trog auf uns zusteuert. GFS eigene Wege waren in den
vergangenen Wochen oft Außenseiterlösungen, die meist nicht eingetroffen sind
und auch dieses Mal nicht besonders vertrauenserweckend erscheinen.
GraphCast ML ist bis Sonntag dem EZMW ähnlich, bringt dann aber ein Höhentief
über dem Ärmelkanal und Benelux ins Spiel. AIFS hat diese Alternative mit dem
Höhentief ähnlich im Angebot, allerdings schon ab Sonntag und über den
Britischen Inseln/der Nordsee.
GEM wiederum bildet kein Höhenhoch über der Nordsee aus, womit kein
"High-over-Low" entsteht. Vielmehr sind mehrere Höhentiefs für uns zuständig,
die erst ab Montag durch einen Rücken/ein Hoch bei den Britischen Inseln
verdrängt werden.
Beim NAVGEM reicht die Tiefdruckzone bis Freitag weiter nach Norden, nachfolgend
steigt der Druck durch einen positiv nach Deutschland geneigten Höhenkeil.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN:
Die Rauchfahnen diverser deutscher Städte des EZMW-Ensembles stützen den
deterministischen Lauf durch eine enge Bündelung, in der meist auch der
Hauptlauf gut eingebettet ist, welcher jeweils erst zum Ende des
Vorhersagezeitraums (Montag/Dienstag) an den oberen Rand der Schar läuft.
Darüber hinaus wird in südlichen Städten das tiefere Geopotenzial am
Donnerstag/Freitag betont. Ab Donnerstag öffnen sich die Kurven allerdings auch,
am Donnerstag zuerst im Süden, danach im Norden. Nur wenige Member sorgen jedoch
für die Spreizung. Niederschlagssignale finden sich insbesondere nach Süden hin,
nach Norden hin sind sie nur selten.

CLUSTER:
Im zweiten Zeitschritt zwischen Donnerstag und Samstag werden 4 Cluster
aufgemacht, die dem Regime Blockierung zugeordnet werden. C1 bis C3 präsentieren
"High-over-Low" in kleinen Abweichungen. Bei C4 schwenkt am Samstag ein
Höhentief in die Nordsee, sodass das eh nur rudimentär vorhandene
"High-over-Low" in diesem Cluster rasch beendet wird.
Im dritten Zeitschritt zwischen Sonntag und Dienstag gibt es 5 Cluster,
ebenfalls meist mit dem Blockierungs-Regime. C1 bis C4 lassen den Rücken zu uns
aufwölben, bei C2 ist dieser aber flacher, folglich wird der Nordosten von
Tiefdruckeinfluss gestreift. C5 lässt den Rücken nicht zu uns kommen, sondern
bringt einen Trog über der Nordsee und den Britischen Inseln ins Spiel, der
rasch auf uns übergreifen soll.

FAZIT:
Der Weg bis zum Freitag ist mit dem "High-over-Low" einigermaßen sicher, auch
wenn vereinzelt andere Lösungen vorliegen: Im Süden und Westen wechselhaft mit
Schauern und Gewittern sowie etwas kühlerer Luft, im Norden und Osten trocken
und warm mit teils sommerlichen Temperaturen. Ab Samstag gehen die Meinungen
auseinander, allerdings spricht die Mehrheit für einen Rücken bzw. einer über
Deutschland liegenden Hochdruckzone bei T850 hPa zwischen 5 und 9 Grad. Die
gestern noch häufiger gezeigte deutlichere Abkühlung ist aus heutiger Sicht
unwahrscheinlicher geworden.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GEWITTER:
Von Mittwoch bis Freitag werden seitens EFI gebietsweise Hinweise für
überdurchschnittlich viel CAPE gegeben.
Am Mittwoch ist im äußersten Westen und Südwesten, am Donnerstag allgemein im
Westen und Südwesten und am Freitag im Südwesten und Süden das Gewitterrisiko
erhöht. Bei bis zu 2000 J/kg ML-CAPE und PPW's um 25 mm besteht lokal
Unwettergefahr durch Hagel und Starkregen. EFI zeigt außerdem
Niederschlagssignale am Donnerstag im Südwesten, die sich auf den Starkregen bei
Gewittern beziehen dürften.
Ab Samstag kommt es nur noch im äußersten Süden zu einzelnen Gewittern mit
abnehmender Unwettergefahr.

WIND:
Am Mittwoch sind schwache EFI-Signal in Sachsen vorhanden. Dort kommt Böhmischer
Wind auf, dabei sind steife Böen Bft 7 bzw. exponiert stürmische Böen Bft 8 aus
Südost gering wahrscheinlich.
Am Donnerstag werden im Nord- und Südosten EFI-Signale präsentiert. Meist treten
aber nur steife Böen aus Südost auf, örtlich kommen mit geringer
Wahrscheinlichkeit jedoch stürmische Böen vor.
Am Samstag sind im Ostseeumfeld exponiert stürmische Böen nicht ausgeschlossen.
Außerdem ist in den Alpen Nordföhn möglich, der bis Sonntag anhält.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, EZMW, EZMW-EPS. Zum Ende eher EZMW, da die Lösungen am plausibelsten
erscheinen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler