DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

18-04-2024 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 18.04.2024 um 10.30 UTC



Erst Trog, dann Abtropfen, dann wohl wieder Trog - weiterhin kühl mit
Nachtfrostgefahr, dabei leicht wechselhaft, aber auch mal sonnige Abschnitte.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 25.04.2024


Wie heißt es so schön im Volksmund: "Der April, der April, der macht, was er
will." Ganz schön clever der Volksmund, wird diese Weisheit auch in diesem Jahr
einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Konnten wir uns in der ersten
Monatshälfte phasenweise vor frühsommerlicher Wärme respektive Hitze nicht
retten, hat mittlerweile der Spätwinter Einzug gehalten. Seit am vergangenen
Montag eine knackige Kaltfront mit ordentlich Brimborium durchmarschiert ist
(genau genommen waren es zwei Fronten, aber das nur am Rande), ist es verdammich
frisch geworden in deutschen Landen. Hochreichend polare Luftmassen, die den
direkten Weg zu uns wählen, im Verbund mit einem fetten Potenzialtrog sowie
verschiedenen Tiefdruckgebieten bestimmen die Szenerie und sorgen zumindest im
Bergland für ein Ambiente, was an manch Wintertag nicht gegeben war.
Nun ist es freilich nicht das erste Mal, dass uns im Frühjahr noch mal ein
Kälteeinbruch mit allem Drum und Dran heimsucht, auch wenn die meisten darauf
verzichten können. Die Frage ist nun, wann kommen wir aus dem Tal wieder raus,
wann wird´s wieder wärmer und frühlingshafter. Nun, offensichtlich nicht so
schnell, wie sich mancher wünschen würde. Man gewinnt fast den Eindruck, dass es
im Winter einfacher war, die meist kurzen Kaltluftintermezzi rasch zu beenden
("der Atlantik siegt immer") als jetzt im Frühling. Doch der Reihe nach.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag zeigt die
großräumige Potenzialverteilung nach wie vor ein stark meridionales Muster.
Mittendrin ein vom Nordpolarmeer bis hinunter in den Mittelmeerraum reichender
Langwellentrog, der zwischen zwei nicht minder amplifizierten Rücken (Osteuropa,
naher Ostatlantik) schon seit Tagen regelrecht eingequetscht ist. Das macht
keinen Spaß und tut weh, wenn´s weder vor noch zurück geht. Also muss sich Trog
sich was anderes überlegen, um aus der Quetsche herauszukommen. Und was bietet
sich da an? - Richtig, einfach abtropfen. Bevor es zu Beginn der neuen Woche
damit so richtig losgeht, gilt es erst noch kurz den Sonntag zu beleuchten. Da
hat sich mittlerweile eine sehr prominente Hochdruckzone aufgebaut, die vom
nahen Atlantik über Skandinavien bis hoch zum Nordpolarmeer reicht (1035 bis
1040 hPa). Deutschland liegt am südöstlichen Rand der Zone im Zustrom kalter
Polarluft arktischen Ursprungs, die mit nordöstlicher Strömung advehiert wird.
Die Luftmasse ist zunächst noch relativ feucht (auch wenn von Nordosten her
erste Abtrocknungstendenzen zu erkennen sind), vor allem aber labil geschichtet
(T500 um -35°C über T850 zwischen -4 und -8°C), so dass der Sonntag im Zeichen
weiterer, meist schauerartiger Niederschläge steht, deren Schwerpunkt im Westen
und Südwesten liegen dürfte. Neben Graupel und kurzer Gewitter ist weiterhin
auch Schnee am Start, je nach Intensität bis hinunter in mittlere Lagen und im
Stau einiger Mittelgebirge auch länger andauernd.

Nach einer vielfach frostigen Nacht, in der die Niederschläge nachlassen und die
Wolkendecke teilweise aufreißt, tropft der Trog final ab. Während die beiden
o.e. Höhenrücken über Skandinavien für kurze Zeit eine brückenartige Verbindung
eingehen, bleibt weiter südlich ein monströses Trogresiduum übrig, das zwei
Hauptdrehzentren aufweist (Montag 12 UTC): Eins über Ostfrankreich, das mangels
eines entsprechenden Bodenpartners als Kaltlufttropfen durchgeht. Ein zweites
über Belarus, das sehr wohl mit einem Bodentief korrespondiert. Mit
nordöstlicher Strömung werden weiterhin polare Luftmassen herantransportiert,
die nun aber etwas trockener und weniger labil sind als am Sonntag. Trotzdem
reicht es neben Auflockerungen und sonnigen Abschnitten noch für ein paar
schwache Regen-, Graupel- oder Schneeschauer.

Bis Dienstag verlagert sich der Kaltlufttropfen zum westlichen Mittelmeer,
während das östliche Höhentief an einen Trog über Fennoskandien andockt und sich
dabei zusehends auffüllt. Bei uns präsentiert sich ein schwacher Höhenkeil, der
sich von der Nordsee hereinschiebt und dabei mit einem ähnlich konfigurierten
Pendant am Boden aufwartet. Leichtes Absinken lässt die Kaltluft weiter
abtrocknen, so dass Schauer zur Seltenheit werden. Was passieren kann, ist dass
sich eine schwache Front des osteuropäischen Tiefs an die Nordseeküste
heranmogelt und dort für tiefe Wolken mit Nieselregen sorgt (Entwicklung noch
unsicher).

Bis Donnerstag gewinnt dann wieder der nordeuropäische, mit mehreren Drehzentren
gespickte Höhentrog an Bedeutung. Voraussichtlich wird er sogar Verbindung zum
ehemaligen Kaltlufttropfen aufnehmen, der inzwischen aber nur noch als Resttrog
seinen bescheidenen Lebensabend über dem westlichen Mittelmeer verbringt. Am
westlichen Rand des Troges bzw. am Ostrand einer umfangreichen Hochdruckzone
über dem gesamten Ostatlantik wird von Norden her über die Nordsee hinweg polare
Meeresluft eingesteuert, die mit 0 bis -4°C auf 850 hPa (Donnerstag 12 UTC) zwar
nicht mehr so kalt ist wie noch zu Wochenbeginn, von Warmluft aber trotzdem
meilenweit entfernt ist. Aufgrund des Überstreichens der Nordsee nimmt die
Feuchtigkeit der Luftmasse wieder zu, was in einen höheren Wolkenanteil und
zeitweilige Niederschläge leichter Intensität mündet.

In der erweiterten Mittelfrist bis zum Wochenende deutet sich ein Rückdrehen der
Höhenströmung über West auf Südwest an. Gleichzeitig soll sich am Samstag von
der Nordsee her ein Tief nähern, das auf seiner Vorderseite etwas mildere Luft
anzapft. Es bleibt aber unbeständig.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Summa summarum kann die Konsistenz von IFS (ECMF) als gut bezeichnet werden,
auch wenn nach hinten raus die Unschärfen etwas zunehmen. Kein Wunder, wenn in
der Höhe verschiedene Drehzentren ("Höheneierei") maßgeblich am Wettergeschehen
beteiligt sind. Das ändert aber nichts an der Grundausrichtung. Oder anders
ausgedrückt: Es bleibt relativ kühl mit Nachtfrostgefahr, dazu leicht
wechselhaft, auch wenn die Niederschlagsneigung ab Wochenbeginn etwas
zurückgeht.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen an dieser Stelle für gewöhnlich auf dem Prüfstand stehenden
Globalmodelle (namentlich ICON, GFS, GEM und UK10) folgen im Wesentlichen der
Idee von IFS. So wird der Abtropfprozess unisono gerechnet und auch das
beschriebene neuerliche Übergreifen eines Troges scheint zu kommen. Allerdings
gibt es über das Wie noch gewisse Meinungsverschiedenheiten, die wohl auch in
den kommenden Läufen nicht ausgeräumt sein werden und deshalb hier nicht
vertieft werden. Interessant ist die GFS-Lösung, die am Donnerstag ein Höhentief
über Deutschland südwestwärts ziehen lässt und rückseitig ein Schwall Warmluft
in den Nordosten pumpt - ein einsamer Ausreißer, wie unschwer dem Ensemble zu
entnehmen ist.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte sprechen vor allem bei
der 850-hPa-Temperatur eine deutliche Sprache. Bei vergleichsweise geringem
Spread - erst zum Ende hin öffnet sich das Delta ein wenig - wird ganz klar eine
Seitwärtsbewegung mit recht deutlichem Tagesgang angezeigt. Würde man für die
nächste Woche eine Ausgleisgerade in die Kurvenschar legen, wäre zwar ein
minimaler Aufwärtstrend der Temperatur erkennbar. Deswegen aber von einer
Milderung zu sprechen, wäre nicht angemessen.
Beim Potenzial 500 hPa ist die Streuung insgesamt größer als bei T850. Trotzdem
lassen sich zwei Merkmale erkennen: zunächst ein Maximum zu Beginn der neuen
Woche nach dem Abtropfen bzw. dem Abzug des Cut-Off-Tiefs (korrespondierend mit
einem Minimum beim Niederschlag). Danach wieder ein moderater Rückgang des
Potenzials mit einem leichten Grundrauschen beim Niederschlag.

Zu den Clustern, die für Sonntag bis Montag (T+72...96h) vier Varianten anbieten,
welche sich bei uns aber kaum unterscheiden (alle mit Abtropfen). Von Dienstag
bis Donnerstag (T+120...168h) erhöht sich die Anzahl auf fünf Cluster, die aber
alle einen mehr oder weniger ausgeprägten Rücken über dem nahen Atlantik und ein
unterschiedlich konfiguriertes Übergreifen eines neuen Troges zeigen. Das deckt
sich mit Spread, der in den Rauchfahnen zu erkennen ist. Ab Freitag (T+192...240h)
bleibt es bei fünf Clustern, die unterschiedliche geformte Trogsysteme über
Mitteleuropa offerieren und somit ganz klar zyklonalen Einfluss favorisieren.

FAZIT:
Es bleibt ziemlich frisch mit Nachtfrostgefahr und leicht wechselhaft, wobei die
Niederschlagsintensität in der kommenden Woche nicht überbordend hoch ausfällt.
Hinsichtlich der Detailabläufe ergeben sich noch Unschärfen, was bei einer
mittelfristigen Wettervorhersage aber default ist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Das Gros markanter Wetterereignisse (Wind/Sturm und Schneefälle) findet
kurzfristig statt. Zwar schneit es auch zu Beginn der Mittelfrist am Sonntag
noch im Bergland, insbesondere in und an den Alpen sowie in den west- und
südwestdeutschen Mittelgebirgen. Für mehr als 10 cm wird es voraussichtlich aber
nicht mehr oder nur sehr lokal reichen.

Ansonsten sind am ehesten die verhaltenen Temperaturen mit andauernder
Nachtfrostgefahr (am Boden bei längerem Aufklaren durchaus bis in den mäßigen
Bereich unter -5°C) von Relevanz, auch wenn das im offiziellen DWD-Terminus
nicht als markant gilt. Ist es aber im Frühjahr...
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann