DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2024 18:01
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.01.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Übergang zu einer südlichen Westlage (Ws) mit wiederholten, teils ergiebigen
Regenfällen und zeitweise viel Wind bzw. Sturm. Bzgl. des kleinen Tiefs am
Mittwoch (Nordsee) noch immer Modellunschärfen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter der leicht schlingernden
Frontalzone, die vom mittleren Nordatlantik über Mitteleuropa bis weit nach
Russland verläuft. Ein eingelagerter, relativ flacher Trog ist gerade dabei, den
Vorhersageraum ostwärts zu verlassen, wodurch sich das konvektive Geschehen
abschwächt und im Laufe der Nacht letztlich zum Erliegen kommt. Wer glaubt, dass
nun Zwischenhoch an der Reihe ist, wird über die folgenden Zeilen enttäuscht
sein. Zwar steigt der Luftdruck kurzzeitig etwas an, doch schon bald ist es
damit wieder vorbei. Eingelagert in eine stramme westliche Grundströmung zieht
eine offene Welle auf die Keltische See zu, aus der sich in der Folge noch ein
hochinteressantes Gebilde entwickelt. Die Steuerung hat ein mehrkerniges
Tiefdrucksystem west-nordwestlich von Irland übernommen, das mit einem
kompletten Frontensystem ausgestattet ist. Die Warmfront dieses Systems steuert
ungehindert auf den europäischen Kontinent zu, wobei kräftige WLA weit nach
Osten ausgreift.

Kurzum, in den nächsten Stunden zieht von Westen her mehrschichtige Bewölkung
ins Land, aus der es von Benelux her anfängt zu regnen. Bis zum Morgen breitet
sich der Regen im Nordosten etwa bis zur Elbe und im Süden bis zur Donau oder
etwas darüber hinaus aus. Im Westen und Südwesten sowie in Teilen der Mitte
kommen 5 bis 15, in Staulagen lokal um 20 l/m² zusammen, was aber nur die
Ouvertüre zu weiteren Regenfällen darstellt. Während die Schneefallgrenze im
Westen und Süden zügig auf über 1000 m ansteigt, funktioniert das in der Mitte
und nach Osten hin nicht ganz so flott. Oberhalb 600 bis 800 m fallen einige
Zentimeter Neuschnee, die den Winter angesichts andauernder Warmluftzufuhr (mS)
aber auch nicht retten werden. Im Südosten Bayerns, wo die Temperatur bei
vorübergehend gering bewölktem oder klarem Himmel zuvor in den leichten
Frostbereich zurückgeht, besteht am frühen Morgen lokal und für kurze Zeit eine
geringe Glatteisgefahr.

Bliebe noch der Wind, der nach einer vorübergehenden Kunstpause im Laufe der
Nacht im Westen und Südwesten sowie im Bergland aus südlichen Richtungen kommend
erneut auffrischt. Dabei muss mit Böen 6-8 Bft, in exponierten Berglagen 9-10
Bft, auf dem Feldberg im Schwarzwald bis 12 Bft gerechnet werden. Im Norden
bleibt der Südostwind meist unter der unteren Warnschwelle. Einzig über der nur
dünn besiedelten Deutschen Bucht reicht es zum Morgen hin für steife, vereinzelt
stürmische Böen 7-8 Bft.

Dienstag ... entwickelt sich die offene Welle über Südengland zu einem kleinen
aber feinen Tief, das am Abend mit etwa 975 hPa im Kern die westliche Nordsee
(Humber/Dogger) und zum Datumswechsel den Westrand der Deutschen Bucht erreicht.
Zunächst passiert die o.e. Warmfront den Vorhersageraum nordostwärts, bevor eine
zweite Warmfront mit einem weiteren WLA-Maximum von Frankreich und Benelux
übergreift. Doppelwarmfront und auffrischender, auf Südwest drehender Wind
bedeuten für den Winter nichts Gutes. So wird sehr feuchte (PPWs teils über 20
mm) und milde Subtropikluft (mS; Anstieg T850 auf bis zu 6°C im äußersten Süden)
herangespült, die nichts anderes im Sinn hat als ihre zahlreichen Wolken zu
melken. In Schüben breitet sich stratiformer Regen ost-nordostwärts übers Land
aus, wobei bis zum Abend verbreitet weitere 5 bis 15, in Staulagen 20 bis 25
l/m², im Schwarzwald und im Bayerischen Wald lokal noch etwas mehr Regen innert
12 Stunden zusammenkommen. Weniger fällt nur im äußersten Norden und Nordosten
(Rügen/Usedom am längsten trocken) sowie ganz im Süden, wo es am Alpenrand sowie
im südlichen Alpenvorland ebenfalls weitgehend trocken bleibt. Nach Osten zu
schneit es anfangs noch oberhalb etwa 600 bis 800 m, in Ostbayern z.T. sogar bis
in die Täler (Stichwort Niederschlagsabkühlung). Bevor die Schneefallgrenze am
Nachmittag deutlich ansteigt, sind zuvor durchaus einige Zentimeter Nassschnee,
in den Hochlagen des Bayerischen Waldes sogar um oder etwas über 10 cm Neuschnee
drin.

Zweite Baustelle neben dem Niederschlag ist der Wind, der im breiten Warmsektor
(wenn man die erste Warm- und die zunächst noch weit westlich liegende Kaltfront
als Referenz nimmt) von Südwesten bis in die Mitte spürbar auffrischt. Dabei
stehen Böen 6-7 Bft, vereinzelt 8 Bft, im höheren Bergland bis 9 Bft, exponiert
(Brocken, Hochschwarzwald) 10 bis 12 Bft jeweils aus Südwesten auf dem Zettel.
Zum Nachmittag und Abend zieht der Wind auch im Norden mehr und mehr an, kommt
dort aber aus Ost bis Südost. Warnschwellen dürften zunächst aber nur im
äußersten Norden sowie stellenweise an der Ostsee gerissen werden (7-8 Bft).

Temperaturmäßig geht´s hoch auf 7 bis 13°C mit den höchsten Werten an Rhein,
Ruhr und Ems. Nur im Nordosten (am längsten präfrontal und Südostwind) bleibt es
mit rund 5°C frischer.

In der Nacht zum Mittwoch steuert das kleine Tief die Elbmündung an, wobei es
sich etwas auffüllt. Interessant in diesem Zusammenhang, dass damit die Zugbahn
wieder etwas nach Süden verlagert wird gegenüber den letzten beiden Vorläufen.
Das zeigt - übrigens auch im Vergleich mit anderen Modellen -, wie schwierig es
ist, genaue numerische Prognosen bei Blockadelagen zu erstellen. So wurde bisher
noch nicht erwähnt, dass sich über Fennoskandien ein dickes fettes Hoch
(HANNELORE) ambossartig festgetackert hat, welches keinen Millimeter von seiner
Position abrückt und sämtliche vom Atlantik kommenden Tiefs zwingt, eine
vergleichsweise südliche Bahn einzuschlagen. Hinzu kommt, dass das Tief eine
zunehmend elliptische Form annimmt und der Trend sogar zum Zweitkern geht.
Kurzum, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, auch wenn sich die Prognosen
insgesamt angenähert haben (GFS beharrt allerdings weiterhin auf einer etwa 300
km weiter nördlich verlaufenden Bahn).

Auf Basis vom jüngsten ICON6_Nest-Lauf von 12 UTC kommt die zweite Warmfront nur
langsam gegen die Blockierung nach Nordosten voran, während die Kaltfront zügig
von Westen zu uns reinschießt. Postfrontal wird eine Portion subpolarer
Meeresluft (mPs) advehiert, die zwar etwas kälter als zuvor, aber alles andere
als kalt ist (T850 um +1°C). Der skalige Regen zieht im Süden vergleichsweise
rasch Richtung Österreich und Tschechien ab, während es nach Osten und Nordosten
hin länger dauert (in Vorpommern wahrscheinlich bis in den Vormittag). Ansonsten
geht der Regen relativ nahtlos in Schauer über (vereinzelte kurze Gewitter nicht
gänzlich ausgeschlossen), die bis in die Hochlagen der Mittelgebirge in
flüssiger Form fallen. Im Nordwesten signalisieren ICON und IFS (00 UTC) ein
kleines mesoskaliges Regengebiet, das sich um den Tiefkern herumwickelt (WLA)
und von den Niederlanden und der Nordsee hereindriftet. Summa summarum kommen im
Norden vielerorts 10 bis 20 l/m² innert 12 Stunden zusammen, vorausgesetzt, das
Tief zieht einigermaßen so wie beschrieben. In den übrigen Regionen werden
gebietsweise 5 bis 10, in Staulagen bis 15 l/m², im Harz, im Schwarzwald und im
Bayerischen Wald z.T. noch etwas mehr angeboten.

Ist die Niederschlagsentwicklung schon hochspannend, so gilt das für den Wind
nicht minder. Zwischen dem sich nähernden Tief und dem Blockadehoch wird knapp
nördlich von uns ein Oststurm entfacht, während weiter südlich ein lebhafter
Südwestwind generiert wird. Letzterer wird den größten Teil des Landes erfassen,
wobei das Maximum mit (schweren) Sturmböen 9 bis 10 Bft im Nordwesten (2.
Nachthälfte) auftreten soll. Das Minimum (< 7 Bft) befindet sich im Osten und
Nordosten, während sonst verbreitet mit Böen 7-8 Bft, im höheren Bergland
entsprechend mehr (exponiert 10 bis 12 Bft) zu rechnen ist. Die große Frage, die
sich nun noch stellt, lautet: Was genau passiert in der Küstenregion? - Oststurm
(wenn die Zugbahn noch weiter südlich verläuft), West-Südweststurm (bei relativ
nördlicher Zugbahn), ein Hybrid aus beiden oder vielleicht Flaute (nämlich im
Kern- bzw. Konvergenzbereich des Tiefs). Belastbare Antworten hoffentlich im
Laufe des Dienstags, noch ist alles möglich.

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Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Mittwoch ... mutiert das (Doppel)Tief zu einer langgestreckten Rinne, die sich
zonal über Norddeutschland legt. Südlich davon wird mit flotter südwestlicher
Strömung weiterhin erwärmte Meereskaltluft subpolaren Ursprungs (mSp)
herantransportiert, in der es wiederholt zu schauerartigen, vereinzelt
gewittrigen Regenfällen kommt. Dazu weht ein starker bis stürmischer
Südwestwind, der am Nachmittag und Abend mit auffächerndem Gradienten allmählich
schwächer wird.

Richtig spannend bleibt es weiterhin ganz im Norden, wo der Winter (Kaltluft und
Schneefall) ja nicht weit entfernt ist. Je nach Lage der Rinne könnte im
Tagesverlauf oder auch erst in der Nacht zum Donnerstag etwas davon aus Dänemark
importiert werden. Die Betonung liegt auf "könnte", auch im Jahr 2024 ist der
Konjunktiv des Meteorologen bester Freund. Es lohnt sich also, die nächsten
Übersichten zu lesen. Aber auch wenn es am Mittwoch noch nicht klappt,
mittelfristig stehen die Zeichen allemal auf Winterwetter, egal, wie die Details
auch ausfallen werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundsätzlich sind die verschiedenen Modelle einer Meinung. Die Unterschiede im
Detail wurden im Text bereits angesprochen. Gerade die Entwicklung ab der Nacht
zum Mittwoch hängt in starkem Maße von der Zugbahn des o.e. kleinen Tiefs sowie
dessen Mutation in eine spätere Rinne.

Hinsichtlich der Niederschläge sei bemerkt, dass der Trend der letzten Läufe,
nämlich ein Zurückrechnen der Mengen, gestoppt ist. Im Gegenteil, 48-stündig bis
Donnerstag 00 UTC wird eher wieder etwas draufgesattelt, so dass an den
bestehenden Warnungen zunächst nichts geändert werden muss. Im Schwarzwald wurde
die Warnung aufgrund der hohen Intensitäten in den ersten 24 Stunden bis
Mittwoch 00 UTC teilweise von markant auf WU angehoben. Weiterhin unsicher ist,
ob die Dauerregenwarnungen im Norden räumlich nicht noch etwas ausgedehnt werden
müssen (Richtung HH und SH). Hierüber sollte am Dienstagmorgen in der Konferenz
auf Basis der neusten Modellergebnisse debattiert werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann