DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-07-2023 16:30
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 08.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Hitzewelle mit teils schweren Gewittern

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
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Aktuell ... Abend dominiert noch ein Rücken das Wetter in weiten Teilen von
Deutschland, dessen Achse sich vom nördlichen Mittelmeerraum über Ostfrankreich
sowie den Osten Belgiens und den Niederlanden bis ins Seegebiet westlich von
Norwegen erstreckt. Dabei konnte und kann der Rücken sich aufgrund zunehmender
WLA auf der Vorderseite eines ausgeprägten Troges über dem Nordost- bzw.
Ostatlantik weiter amplifizieren. Bodennah stützt der Rücken ein Hoch bei
Norwegen, welches südostwärts über den Norden und Osten Deutschlands hinweg bis
in den Balkanraum reicht. Ansonsten sind die bodennahen Strukturen hierzulande
bei schwachen Luftdruckgegensätzen aufgrund einer wenig prägnanten
Tiefdruckzone, die über Belgien ein Drehzentrum aufweist, leicht zyklonal
geprägt. Mit Fokus auf potentielle Konvektion lässt sich festhalten, dass der
kräftige Rücken in der Höhe auf jeden Fall dämpfend wirkt. Da dieser auch bis
weit in die Nacht hinein kaum Verlagerungstendenzen nach Osten zeigt und sich
stattdessen, gepusht von der WLA, weiter aufbäumt, muss für konvektive
Umlagerungen schon viele sonstige Parameter passen. Der Rücken macht sich auch
als Deckel /CIN) bemerkbar, die am Abend im Westen und Südwesten meist zwischen
20 und 100 liegt. Dagegen bringt die Luftmasse 200 bis 800 J/kg Cape in
Stellung, wobei die höchsten Werte in Rheinland-Pfalz und dem Süden NRWs zu
verzeichnen sind. Dazu gesellen sich PPW-Werte zwischen 25 und 32 mm. Um
genannte Größen jedoch auszulösen, müssen die Zellen erst einmal ausgelöst
werden und anwachsen. Zwar ist die Luftmasse stark aufgeheizt, sodass
diabatische Hebung denkbar wäre, Auslösetemperaturen von über 34 Grad werden
aber nur gebietsweise erreicht. Allerdings könnte die Orografie helfend
eingreifen und die Trog basierende Anfeuchtung am Samstagmorgen durchaus positiv
mitwirken. Insgesamt besteht also vor allem in Rheinland-Pfalz und dem südlichen
NRW bis in die Nacht hinein die Option lokaler Gewitter, die aufgrund von PPWs
um 29 mm Starkregenpotential aufweisen. So schon am Nachmittag südlich von
Simmern am Nordostrand des Hunsrücks oder am Nordrand der Eifel geschehen. Das
Sounding von 14 Uhr aus Idar-Oberstein, welches doch noch ziemlich trocken,
daherkommt, zeigt aber wie schwer es Zellen zumindest in der Südhälfte von RP
haben werden. Auch sonst sind kaum stärkere Quellungen zu erkennen. Etwas Hilfe
könnte sonst nur noch das Tief über Belgien bringen. Verbreitete Gewitter sind
aber auch mit diesem nicht zu erwarten. Doch auch wenn die Entwicklungschancen
hierzulande noch eher gering und lokal orientiert sind, können Zellen von
Benelux nach Deutschland ziehen. Dies wird wohl am ehesten im Westen von NRW der
Fall sein. Aber auch bei unseren Nachbarn zeigen die aktuellen Entwicklungen
allenfalls einen leichten Aufgalopp für dass, was am morgigen Sonntag droht.

Die Nacht bringt kaum Veränderungen. Das kleine Tief über Belgien wandert
Richtung Nordsee und zieht dabei auch die schwach ausgeprägte Tiefdruckzone mit.
Da sich wie schon aufgezeigt der Rücken weiter stärkt und dessen Achse ausgangs
der Nacht über dem äußersten Westen Deutschlands liegt, gibt es keinen oder kaum
dynamischen Antrieb, der gegen die nächtliche Stabilisierung ankommt.
Entsprechend sollte die Nacht nahezu landesweit ruhig ablaufen. Allerdings
besteht bei Temperaturen in 850 hPa von 12 bis 20 Grad sowie Tiefstwerten in 2m
zwischen 21 und 10 Grad allenfalls in der Osthälfte nochmals die Möglichkeit
richtig durchzulüften.

Sonntag ... verlagert sich der Rücken unter Druck des nachstoßenden Troges
langsam nach Osten, sodass dessen Achse am Nachtmittag etwa senkrecht über der
Mitte Deutschlands liegt. Dies bedeutet wiederum, dass der Westen im
Tagesverlauf auf die Trogvorderseite gelangt und somit der Rücken nicht mehr so
stark dämpfend wirkt. Resultierend soll sich über dem Westen des Landes eine
Tiefdruckrinne ausbilden, in welche eine Konvergenzlinie eingebettet ist.
Gleichzeitig nähert sich von der Nordsee eine Kaltfront an, die am Abend etwa an
der niederländischen Küste liegt. Mit der Annäherung des Troges kann auch die
südwestliche Strömung nochmals zulegen und die subtropische heiße Luft richtig
ins Land pumpen. Die Temperaturen in 850 hPa steigen auf 14 bis 23 Grad, die
wiederum Höchstwerte von 28 bis 38 Grad triggern. Entsprechend explosiv zeigt
sich auch die Luftmassen in Teilen des Landes. Vor allem im Westen und
Nordwesten sowie am Oberrhein erreicht das Cape Werte von 500 bis 1500,
gebietsweise bis 2000 J/kg. Dazu gesellen sich in den genannten Regionen
PPW-Werte von 28 bis 38 mm. Bis zum Abend bleibt aber die Scherung mau. Erst
steigt diese von Benelux her stark an. Die Modelle simulieren am Abend
resultierend mehrere Gewitterlinien (Squall-Line), die von Benelux her auf den
Westen und Nordwesten übergreifen sollen. Mit besseren Scherbedingungen sind
nachfolgend die organisierten Strukturen möglich. Aufgrund der
Verlagerungsgeschwindigkeiten sollte der Starkregen trotz der hohen PPW-Werte
nicht im Vordergrund stehen, aber auch nicht vergessen werden. Demnach ist mit
Starkregen bis 25 l7qm/h, lokal auch heftigem Starkregen bis 40 l/qm/h zu
rechnen. Wichtiger ist der Blick zum Hagel und zum Wind. Die hohen Cape-Werte
lassen größeren Hagel zu. Zudem weisen die organisierten Linien ein
signifikantes Sturmfeld auf. Demnach sollen nach ICON-D2 (12 UTC) mit Durchzug
der Gewitterlinien Windgeschwindigkeiten zwischen 80 und 140 km/h, also schwere
Sturmböen bis hin zu Orkanböen auftreten. Bei den aktuellen Berechnungen wäre
vor allem NRW sowie die Westhälfte von Niedersachsen betroffen.

Aber auch sonst sind in der Mitte und im Südwesten sowie an den alpen am
Nachmittag und Abend einzelne Hitzegewitter durch Erreichen der
Auslösetemperatur möglich. Bei etwas Cape und PPWs von 20 bis 28 mm und
gleichzeitiger geringer Verlagerungstendenz wäre dann der Starkregen Thema Nr.1,
lokal kann dabei auch heftiger Starkregen bis 40 l/qm/h nicht ausgeschlossen
werden. In der Osthälfte sollte trotz Erreichen der auslöse noch wenig
passieren, da die Luft noch zu trocken ist und der Rücken kaum etwas zulässt.

In der Nacht zum Sonntag wird es dann auch südlich von Eifel und Rothaargebirge
spannend, wenn die Tiefdruckrinne mit der Konvergenzlinie ostwärts schwenkt. Bei
besseren Scherungsbedingungen sollen sich organisierte Strukturen ostwärts
verlagern. Vor allem von der Pfalz über den Norden Baden-Württemberg und die
südhälfte Hessens hinweg bis nach Bayern können sich durchaus auch Superzellen
entwickeln. Gleichmaßen sind getriggert durch die Konvergenzlinie auch
linienhaft angeordnete Zellen möglich. Als Begleiterscheinungen muss demnach mit
Starkregen, örtlich auch heftigem Starkregen, Hagel und Sturmböen, vereinzelt
auch schweren Sturmböen gerechnet werden. Sonst erreichen die Reste der
Gewitterlinien vom Tag im Verlauf der Nacht unter deutlicher Abschwächung auch
den Osten. Dies ist auch damit begründet, dass dort der Rücken weiter stabil ist
und dämpfend wirkt. Zudem greift ausgangs die Nacht voraussichtlich die
Kaltfront auf den Nordwesten und Westen über und kann im Umfeld sowie
vorderseitig nochmals mit vertikalen Umlagerungen einhergehen. Allerdings
scheibt sich gleichzeitig schon wieder hoher Luftdruck von Westen ins Land,
sodass die Aktivität gestört wird. Insgesamt sind die Entwicklungen für die
Nacht auf Montag noch als sehr unsicher anzusehen und zudem modellübergreifend
auch nicht einheitlich.

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Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag ... stellen sich auch am heutigen Samstagabend die Entwicklungen
vergleichbar zum Morgen dar. Durch Warmluftadvektion, die über den Britischen
Inseln ansetzt, kommt es wie beschrieben zu Geopotentialgewinn, wodurch sich
über Mitteleuropa erneut ein breiter Rücken aufwölbt. An dessen Nordflanke
stellt sich eine westliche, aber antizyklonale Strömung ein. Mit dieser wird die
feuchteste und labilste Luft zusehends nach Osten abgedrängt. Die die
potentiellen Gewitterregionen im Südosten mit den entsprechenden
Begleiterscheinungen haben sich im Vergleich zur Frühübersicht nicht signifikant
verändert.

Insgesamt ergeben sich im Detail im Modellvergleich weiter Abweichungen bei der
Lage und Ausprägung des Bodenhochs sowie potentiell durchschwenkenden
Kurzwellentrögen im Nordwesten und Norden des Landes. Resultierend wird auch die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Tiefdruckrinne aus der Nacht hinaus weiter nicht
einheitlich abgebildet.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großskaligen Geopotential- und Luftdruckstrukturen werden von den Modellen
vergleichbar gezeigt. Auch im Detail weisen die Modelle ähnliche Felder auf.
Insgesamt wird aber die genaue Lage, Ausrichtung und Ausprägung der
Tiefdruckrinne samt Konvergenzlinie sowie deren Verlagerung noch verschieden
abgebildet. Auch die Amplifizierung des Rückens wird geringfügig unterschiedlich
interpretiert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel