DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-07-2023 07:30
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
West zyklonal (Wz)
Windig und leicht wechselhaft, in der Südosthälfte etwas wärmer aber auch
zunehmend gewittrig. Am Mittwoch noch komplett unsicher, aber potentielle
Unwetterlage mit schwerem Sturm, heftigem Starkregen und schweren Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... sorgt ein komplexes, umfangreiches Höhentief über Skandinavien und dem
Nordmeer für eine stramme, zyklonal geprägte Westströmung. Dabei hält sich die
Wetteraktivität aber insgesamt in Grenzen. Die aktuellen Drucktendenzen sind
wenig signifikant, meist dominiert schwacher Druckanstieg. Erst über den
Britischen Inseln setzt markanterer Fall von 3hPa binnen 3 Stunden und mehr mit
Annäherung eines markanten Kurzwellentroges ein, der auf Schottland und
Nordirland übergreift und nachfolgend südostwärts schwenkt. Darin ist bodennah
auch eine Warmluftschliere (Okklusion) in den Bodentrog eingelagert.

Dieser besitzt bei uns für den heutigen tag aber noch keine Relevanz. So ist die
frische Atlantikluft nur im Norden leidlich labil geschichtet, bevor die
Temperatur in 650 hPa, spätestens bei 600 hPa mit der Höhe vorübergehend kaum
noch abnimmt. Die Tops bewegen sich in diesem Bereich nahe der -10 Grad, weshalb
gerade Richtung Dänischer Grenze immer auch mal kurze Gewitter mit von der
Partie sind. In der Regel sind es aber kurze, intensive Schauer, die maximal bis
zur nördlichen Mittelgebirgsschwelle ausgreifen. Südlich davon reicht die
Labilität durch eine markante Absinkinversion bei 750 hPa nicht mehr aus. So
bleibt es bei einem Wechsel aus Sonne und Wolken über der Mitte und im Süden
meist trocken. Schauer und Gewitter bleiben auch im äußersten Süden meist
inneralpin. Allerdings gelangt eine schwache Feuchteschliere, die aktuell in den
Analysen als teilokkludierte Kaltfront geführt wird, zum Nachmittag und Abend in
den Südwesten, womit gerade Richtung Breisgau örtlich auch etwas Regen verbunden
ist.

Das große Thema ist weiterhin der Wind, der auch schon weitgehend abgewarnt ist.
So liegen die Oberwinde in 850 hPa im Norden bei rund 35 Knoten, in der Mitte
zwischen 25 und 30 Knoten, im Süden zwischen 20 und 25 Knoten. Dementsprechend
treten südlich des Mains kaum warnrelevante Böen Bft 7 auf, wenngleich der
subjektive Eindruck dafür entstehen mag. In weiten Landesteilen aber werden mit
auflebendem Tagesgang die 50 km/h tatsächlich gerissen. Küstennah treten
weiterhin stürmische Böen Bft 8, exponiert sowie in Schauer- und Gewitternähe
auch mal eine Bft 9.

Die Temperaturen liegen in der vergleichsweise kühlen, aber gut durchmischten
Meeresluft zwischen 20 und 25 Grad, an der See eher zwischen 16 und 20 Grad.

In der Nacht zum Dienstag wird der südliche Drehzentrum innerhalb des
Höhentiefkomplexes zunehmend interessant, das sich von der nördlichen Nordsee
zum Skagerrak verlagert. Dementsprechend schwenkt der bereits erwähnte markante
Kurzwellentrog nebst eingelagerter Okklusion im Westteil südwärts und erreicht
zum Morgen die südliche Irische See. Der östliche, relativ schwach ausgeprägte
Troganteil wiederum schwenkt über die Deutsche Bucht hinweg nordostwärts
Richtung Seeland.

Dadurch entsteht ein kleines Komma mit vermehrter Schauer- und
Gewitteraktivität, das am Abend über Ostfriesland im Laufe der Nacht auf
Schleswig-Holstein übergreift und zum Morgen unter Abschwächung auch
Mecklenburg-Vorpommern erreicht. PPW'S bis 25 mm und die rasche
Zuggeschwindigkeit sprechen eher nicht für Starkregen, aber bei wiederholten
Schauern kann es mit den 15 l/qm binnen einer Stunde bzw. 25 l/qm in wenigen
Stunden lokal auch mal knapp werden. Vorrangigste Begleiterscheinung bleibt aber
der Wind mit Bft 7 im Binnenland und 8, vereinzelt 9 aus Südwest bis West an der
Nordsee.

Sonst gibt es gebietsweise größere Auflockerungen und der Wind lässt nach. Dies
tut er selbst phasenweise an der See (an der Ostsee weit vor dem Kurzwellentrog,
an der Nordsee zum Morgen hin danach). Die bereits angesprochene Feuchteschliere
sorgt im Süden meist für dichtere Wolken und örtlich auch etwas Regen. Bei recht
stabilen Verhältnissen und so gut wie nix an MU CAPE sind Gewitter zwar nicht
ganz auszuschließen, die ww-Interpretation des ICON-D2 ist aber wohl etwas zu
forsch.

Die Tiefstwerte bewegen sich meist zwischen 16 und 10 Grad, in den
Mittelgebirgstälern bei längerem Aufklaren bis 7 Grad.

Dienstag... zieht der südlichste Höhentiefkern Richtung Stockholm weiter und der
nachhängende Trog erreicht Südengland. Damit steilt die Strömung in Summe etwas
auf über Deutschland und dreht auf Südwest. Nennenswerte kurzwellige Anteile mit
dynamisch induzierter Hebung sind dabei zunächst nicht auszumachen. Erst am
späteren Nachmittag schält sich (auch leebedingt im Schatten der Highlands) über
Humber ein neuerliches Drehzentrum heraus mit leichter PVA im äußersten
Nordwesten. Dann ist zeitgleich auch über Süddeutschland bei entsprechend hoher
Auflösung der Isohypsen ein schwacher zyklonaler Knick auszumachen, der etwas
Hebung generiert.

So erlebt die Schauertätigkeit nach Abzug des nächtlichen Kommas auch in
Küstennähe am Vormittag zunächst ein Minimum. Im Laufe des Nachmittags nimmt sie
im Nordwesten allerdings deutlich zu. Die Labilität bleibt zwar nach wie vor
recht limitiert (ML CAPE allenfalls wenige hundert J/kg), aber die Scherung
bereitet etwas Sorge. Immerhin liegt dieser Bereich fast unterhalb des
Jetstreaks mit über 100 Knoten in 300 hPa. DLS um 30 m/s und LLS um 10 m/s sind
beträchtlich hoch und bei HKN's um 600 m können vereinzelte Tornados an der
Grenze zu Belgien und den Niederlanden nicht ausgeschlossen werden. Die Frage
wird sein, inwieweit mit Hilfe der Einstrahlung tatsächlich etwas CAPE aufgebaut
werden kann. Eventuell bleibt es auch bei "harmlosen" schauerartigen
Regenfällen.

Durch den Südwesteinschlag wird unterdessen in den Süden des Landes von der
Biskaya eine etwas wärmere und potentiell instabilere Luftmasse gesteuert. Vor
allem entlang und südlich der Donau wird punktuell mehr als 1000 J/kg ML CAPE
laut ICON 06 aufgebaut. Bei deutlich geringeren Scherungswerten sind auch dort
ausgehend von Schwarzwald, Schwäbischer Alb und aus den Alpen heraus im Laufe
des Nachmittags einzelne Gewitter zu erwarten. Dort wird wohl die gesamte
Palette an Begleiterscheinungen inklusive Starkregen, Hagel und Sturmböen
benötigt. Vereinzelte Unwetter bezüglich heftigen Starkregens sind insbesondere
am unmittelbaren Alpenrand vorstellbar. ICON-D2 EPS legt auf österreichischer
Seite für das Inntal satte 40% für mehr als 20 mm / 6h vor. Auch die
deterministischen Läufe der konvektionserlaubenden Modelle (AROME, ICON-D2,
Super HD) deuten gerade für den östlichen Alpenrand ein paar stärkere Zellen an.


Im großen Rest des Landes bleiben Schauer die Ausnahme und vor allem Richtung
Usedom und Rügen sowie von Sachsen bis nach Südbrandenburg scheint längere Zeit
die Sonne. Die Temperaturen steigen etwas an und erreichen Höchstwerte zwischen
22 und 27 Grad, in Küstennähe und im Nordwesten 18 bis 22 Grad.

An der See und im Norden bleibt es windig, Böen der Stärke 7 greifen aber
tagsüber nicht mehr ganz so weit südlich landeinwärts aus. Sie erreichen noch
etwa eine Linie nördliches Niedersachsen-Altmark-Nordbrandenburg. An auflandigen
Küstenabschnitten treten weiterhin einzelne Böen bis Bft 8 auf, wobei der Wind
zum Abend hin mit Ausnahme der Regionen mit Gewittern spürbar nachlässt.

In der Nacht zum Mittwoch wird die Lage zunehmend komplex, da die genauen
Aktionen und eventuell auch Interaktionen der beteiligten Randtröge den Modellen
noch arge Probleme bereitet. Am wahrscheinlichsten ist derzeit das Szenario,
dass es auf zwei voneinander getrennte und zu beobachtende Kurzwellentröge
hinausläuft (siehe auch neuester IFS 00z Lauf, der sich ICON 00z und UK10 00z
angenähert hat). Der erste vorlaufende ist der vom Abend im Nordwesten, der im
Laufe der Nacht Jütland und zum Morgen den Kattegat erreicht. Der zweite
nachfolgende ist aus dem einstigen KWT mit der gekoppelten Okklusionsrinne
entstanden. Er verlagert sich vom Westausgang des Englischen Kanals rasch zur
Rheinmündung, weist ein ausgeprägtes IPV Maximum und eine scharfe Krümmung an
der Südflanke auf.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Luftmassengegensätze verschärfen sich dadurch
weiter (kühle Atlantikluft im Nordwesten und schwül-warme Luft von der
Biskaya/westl. Mittelmeerraum im Südosten) und die Hebung im Süden wird
aufrechterhalten bzw. setzt im Verlauf auch verstärkt im Westen ein. So kommt es
gebietsweise zu schauerartigen und teils auch gewittrig durchsetzten
Regenfällen. Lokal besteht die Gefahr von Starkregen um 20 l/qm binnen einer
Stunde bzw. um 30 l/qm in wenigen Stunden. Insgesamt sind die Starkregensignale
in der Deterministik und Probabilistik aber noch überschaubar. Ob sich bereits
ein derart intensives Bodentief über Benelux entwickelt, dass warnwürdige Böen
im Westen Deutschlands bringt (IFS), bleibt derzeit noch zweifelhaft.

Im Osten bleibt es auch längere Zeit trocken. Die Tiefstwerte liegen zwischen 17
und 12 Grad.

Mittwoch... steht und fällt die Entwicklung mit Timing und Ausprägung des
übergreifenden, scharfen Kurwellentroges mit zunehmend stark diffluenter
Vorderseite, der voraussichtlich vom Westen Deutschlands nordostwärts Richtung
Dänemark schwenkt. Damit verbunden ist wahrscheinlich eine markante
Tiefentwicklung am Boden, wo sich im Bereich der Frontalzone aus einer flachen
Welle rasch ein okkludierendes Frontensystem entwickelt.

Nicht unwahrscheinlich, dass es dabei sogar zu einer (vielleicht sogar heftigen)
Sturmtiefentwicklung kommt. Potentiell betroffen davon wäre vor allem der
zentralen Mittelgebirgsbereich und dann nordwärts ausgreifend. Die EPS'e sind
dabei noch keine große Hilfe, da die Stärke des Tiefs modell- und
laufübergreifend noch zu stark variiert. COSMO-LEPS und IFS-EPS geben aber
zumindest für die Norddeutsche Tiefebene Signale teils >50% für mindestens Bft
7. Dass es irgendwo auch ein Bereich mit Bft 8-9 gibt, ist realistisch. UK10 mit
Bft 10-11 vom Mindener Raum bis zur Lübecker Bucht wäre der Worst Case.

Im Bereich des Tiefs kommt es darüber hinaus zu kräftigen Regenfällen, die etwas
großflächiger die Schwellen für markante Mengen zwischen 25 und 40 l/qm in
wenigen Stunden reißen könnten. Rückseitig treten am Nachmittag im äußersten
Westen und Nordwesten auch einzelne Gewitter der Marke "Kaltluft" auf, teils mit
Windböen und kleinkörnigem Hagel.

Etwas heftiger zur Sache bezüglich der Gewitter geht es da schon von
Südbrandenburg über Sachen und Thüringen hinweg bis zu den Alpen. Großskalige
Hebung, nennenswerte Scherung, PPW's um 30 mm, CAPE um 1000 J/kg sowie die von
Westen übergreifende Kaltfront bieten das Potential für markante, lokal auch
unwetterartige Entwicklungen. Dies könnte bei optimalem Timing am späten
Nachmittag auch eine ausgewachsene Unwetterlage mit vorgeschalteter
Vorabinformation zur Folge haben. Details lassen sich derzeit aber noch nicht
näher herausarbeiten.

Zuvor wird es im äußersten Osten und Südosten mit bis zu 27 Grad wieder
sommerlich warm. Im Norden und Nordwesten werden dagegen kaum 20 Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
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Vor allem zum Mittwoch laufen die Modelle deutlich auseinander, was primär der
komplexen Höhenkonfiguration und dem letztlich entscheidenden scharfen
Kurwellentrog am Mittwochmorgen im Westen geschuldet ist. Im Worst Case steht
eine Unwetterlage mit Böen bis mindestens Bft 10 und heftigem Starkregen von der
Mitte bis in den Norden sowie schweren Gewittern im Osten und Südosten ins Haus.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen