Thema des Tages

06-06-2023 13:20


Wissenschaft kompakt
Leuchtende Nachtwolken - ein sommerliches Phänomen

Im Sommer wird mancherorts die Nacht zum Tage gemacht. Doch die Nacht
selbst hat auch so einiges zu bieten. Neben Blutmond, Sternschnuppen
und Kometen gibt es da auch das sommerliche Phänomen der leuchtenden
Nachtwolken.

Wettertechnisch sieht es in den nächsten Tagen sehr sommerlich aus.
Zum ersten Mal in diesem Jahr werden die Temperaturen die 30
Grad-Marke überschreiten. Auch lauen Nächten steht dann nichts mehr
im Wege. Bei den warmen Verhältnissen hält man sich dann auch nachts
noch gerne draußen auf. Ein Phänomen was sich dort eventuell am
nächtlichen Himmel blicken lässt, sind leuchtende Nachtwolken
(englisch: noctilucent clouds, kurz: NLC).

Leuchtende Nachtwolken sind silbrig-weiße dünne Wolken, haben jedoch
im engeren Sinne nicht direkt was mit Wetter zu tun. Denn das Wetter
spielt sich hauptsächlich in der Troposphäre ab, deren Obergrenze in
unseren Breiten in etwa eine Höhe von 10 bis 13 km erreicht.
Leuchtende Nachtwolken entstehen in der Mesosphäre, in einer Höhe
zwischen 80 bis 85 km. Vieles was mit der Entstehung der leuchtenden
Nachwolken zu tun hat, ist im Detail noch nicht geklärt. Man weiß
aber, dass sie aus kleinen Wassereisteilchen bestehen, weswegen sie
optisch an Cirruswolken erinnern. Schon lange vermutet, wurde dieses
erst 2001 durch das Satelliten-Messinstrument HALOE bewiesen. Zur
Entstehung von Wolkeneisteilchen braucht man zum einen Wasserdampf
und zum anderen Sublimationskerne, an die sich die Wasserteilchen
anheften können.
In der Mesosphäre ist kaum Wasserdampf vorhanden, sodass sich im
Normalfall nur wenige Wassermoleküle miteinander verbinden können.
Damit die Wasserdampfmoleküle doch zu kleinen Eisteilchen gefrieren,
benötigt man besonders kalte Temperaturen von unter minus 120 Grad
Celsius. Von Mai bis August sind aufgrund der inter-hemisphärischen
Zirkulation die Temperaturen in der Mesosphäre besonders kalt. Es
treten dort teils Temperaturen von unter minus 140 Grad auf. Im
Winter dagegen ist die Mesosphäre meist wärmer, sodass dann keine
Wolken entstehen können.
Die zur Eiskristallbildung benötigten Eiskeime können aus
verschiedenen Staubpartikel oder andere Aerosole bestehen. Die
Staubpartikel kommen zum einen durch Meteorite, die in die
Erdatmosphäre eindringen und dabei verglühen in diese
Atmosphärenschicht. Zur Zeit der ersten Entdeckung der NLC lag die
Vermutung nahe, dass Vulkanausbrüche größere Mengen von Staub auch in
diese Höhen transportieren. Die erste Beschreibung von leuchtenden
Nachtwolken stammt aus dem Jahr 1885, zwei Jahre nach dem
Vulkanausbruch des Krakatau. Doch bis heute ist es weiterhin unklar,
ob der Vulkanausbruch tatsächlich zu einer erhöhten NCL Aktivität
geführt hat. Es könnte auch sein, dass die intensivere Beobachtung
des Himmels erhöhte Sichtungszahlen der leuchtenden Nachtwolken
ergaben. Nach dem Vulkanausbruch kam es durch die große
Staubbelastung in der Tropo- und Stratosphäre spektakuläre
Sonnenuntergänge. Es besteht auch die Theorie, dass bei der
Entstehung von Eiskristallen nicht unbedingt Sublimationskerne
vorhanden sein müssen. Aufgrund des Dipol-Charakters von
Wassermolekülen bilden sich sogenannte Wasserclusterionen. Diese
Wassercluster sind aber nur kurzlebig.

Um die Wolken zum Leuchten zu bringen ist Licht nötig. Dieses Licht
stammt von der Sonne, die zwischen 6 und 16 Grad unter dem Horizont
stehen muss, damit die Wolken in einer Höhe von etwa 83 km über dem
Erdboden angestrahlt werden. Daher sind in unseren Breiten leuchtende
Nachtwolken zwischen Anfang Juni und Mitte Juli zu sehen. Und das am
besten gegen Mitternacht, wenn die Dämmerung am dunkelsten ist und
das schwache Schimmern der Wolken nicht übertrifft. Sie erreichen
über Deutschland eine Höhe von etwa 20 Grad über dem Horizont, wenn
man in nördliche Richtungen blickt. In Ausnahmefällen sind sie auch
bis in Zenitnähe zu sehen.

Langzeitliche Trends zur NCL Aktivität sind schwer zu
prognostizieren, da die Forschungen darüber noch andauern. Ein
Zusammenhang mit der Sonnenaktivität ist nahe liegend. Allerdings
konnte bis jetzt nicht eindeutig beobachtet werden, dass die
Häufigkeit der leuchtenden Nachtwolken im Sonnenmaximum-Zeitraum
wirklich zunimmt. Für eine erhöhte Nachtwolken-Aktivität könnte auch
die Zunahme von Methan und Kohlenstoffdioxid verantwortlich sein.
Durch das Erwärmen der Troposphäre, könnte die Mesosphäre kälter
werden. Ein weiterer Zusammenhang wird zwischen leuchtenden
Nachtwolken in unseren Breiten und den polaren mesosphärischen Wolken
vermutet, die während des gesamten Sommers über den Polen liegen.
Durch erhöhte Windgeschwindigkeiten könnten die mesosphärischen
Wolken über den polaren Gebieten sich schneller und weiter nach Süden
hin ausweiten. Auch erhöhte Konzentration von Eiskeimen in der
Mesosphäre kann zur Zunahme von Leuchtenden Nachtwolken führen. Bei
den Starts der Space Shuttles zwischen 1981 und 2011 als auch beim
Start von SpaceX Falcon 9 2014 wurden nach dem Start leuchtende
Nachtwolken gesichtet. Durch die Raketen werden nicht nur
Staubpartikel, sondern auch Wasserdampf in große Höhen in die
Atmosphäre gebracht. Allerdings ist die Höhe des Beitrags von
Raketenstarts zur Bildung von leuchtenden Nachtwolken noch
umstritten.
Wer in der kommenden Nacht leuchtende Nachtwolken beobachten möchte,
hat die größten Chancen dazu an der Ostsee oder im Südwesten
Deutschlands. Dort ist der Himmel meist klar. Wer das ganze Spektakel
am Himmel auch fotografieren möchte, dem empfiehlt sich eine
Belichtungszeit von etwa 10 Sekunden bei einer erhöhten ISO von 800
bis 1600, da sich die Eiswolken bewegen. Das erste Foto von
leuchtenden Nachtwolken schoss übrigens Otto Jesse weit vor Erfindung
von Digitalkameras im Jahr 1887. Er gab den Wolken auch ihren Namen.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.06.2023

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