DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-03-2023 09:01
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWz (Südwest zyklonal)

Zum Wochenende hin zunehmend wechselhaft mit etwas Konvektion, dabei ziemlich
mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... verbringt Deutschland im Übergangsbereich zwischen einem nur sehr
langsam ostwärts abwandernden Höhenrücken und einem ebenso trägen Höhentrog über
dem nahen Atlantik. Zählt man noch einen weiteren, kurz vorm Abtropfen stehenden
Trog über dem nahen Osteuropa dazu, ergibt sich sogar ein verkapptes Omega in
der Potenzialverteilung. Die südwestliche Höhenströmung, die sich zunehmend bei
uns einstellt, ist heute noch stark antizyklonal gefärbt. Da macht es auch
nichts, dass der Luftdruck schon seit einiger Zeit fällt und das dem Rücken
vorgelagerte Bodenhoch JEANINE mit seinem Zentrum langsam aber sicher gen
Russland abwandert. Sein Konterpart, das aus zwei Kernen bestehende Tief GERSON,
zeigt heute nur beschränktes Interesse, aktiv in unser Wettergeschehen
einzugreifen. Das gilt sowohl für das Ursprungstief (heute früh mit etwa 985 hPa
im Kern dicht westlich von Irland), als auch für das 990iger-Teiltief unweit vor
Svinöy (Südnorwegen). Während Ersteres nur sehr schleppend die Grüne Insel
ansteuert, "schippert" Letzteres ganz gemütlich die norwegische Westküste
entlang nach Norden.

Fronten gibt es auch, allerdings hat das Exemplar, das uns am nächsten ist - die
Rede ist von einer schleifenden Kaltfront, die ausgehend vom Teiltief über die
Nordsee und Frankreich hinweg bis nach Südwesteuropa reicht - diesen Titel
eigentlich nicht verdient. Weder ist sie thermisch nennenswert ausgeprägt, noch
ist ein vernünftiger Windsprung erkennbar. Im Grunde handelt es sich um ein
Feuchteband, aus dem schauerartige Niederschläge fallen, die den Vorhersageraum
heute tagsüber aber noch nicht substanziell treffen. Zwar simulieren die Modelle
im Westen und Nordwesten im Tagesverlauf den einen oder anderen Schauer, doch
ist fraglich, ob diese (also die Regentropfen) auch unten ankommen. Die
Prognosetemps zeigen eine abgehobene dünne Labilitätsschicht grob zwischen 750
und 500 hPa, während die Grundschicht darunter stabiler, vor allem aber
trockener ist. Kurzum, etwaige Schauer können zwar ausgelöst werden, die
Bilanzen in den Messbechern dürften aber sehr dürftig ausfallen.

Der Rest ist schnell erzählt. Mit südlicher Strömung gelangt milde bis sehr
milde Subtropikluft nach Deutschland (T850 5 bis 10°C, Richtung Alpen
föhnbedingt (seichter Föhn) noch etwas darüber), in der verbreitet die Sonne
scheint. Zwar ziehen hin und wieder hohe oder auch mittelhohe Wolken durch, die
in der Südosthälfte aber nur bedingt Einfluss auf die Einstrahlung nehmen. Nach
Westen und Nordwesten hingegen können sie mitunter auch mal dichter ausfallen.
Die Temperatur steigt verbreitet auf 16 bis 22°C mit den höchsten Werten am
südlichen Oberrhein sowie am Neckar. Nicht ganz so warm wird es etwa nordöstlich
der Elbe, wo "nur" 12 bis 16°C auf der Karte stehen. Noch etwas kühler bleibt es
an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind, was bei Südost aber nicht viele sind.
Apropos Wind, der frischt aus Südosten kommend vor allem in Ostsachsen als
Böhmischer Wind stark böig auf mit Spitzen 7 Bft, in freien Lagen bis 8 Bft.
Ansonsten gibt sich der Wind weitgehend handzahm, wenn man mal vom Brocken (8-9
Bft) und mit geringer Wahrscheinlichkeit vom Harzvorland (bis 7 Bft) absieht.

In der Nacht zum Samstag macht die Progression des großräumigen Strömungsmusters
leichte Fortschritte. Entsprechend gelangen vor allem der Westen und Norden
zunehmend auf die wetteraktive Vorderseite des Höhentroges (PVA, kurzwellige
Anteile), unter der auch unsere o.e. "Pseudokaltfront" liegt. Die Modelle
reagieren unisono mit einer erhöhten Niederschlagstätigkeit in Form
schauerartiger Regenfälle, die lokal (vor allem im westlichen Bergland) für 10
l/m² gut sind. Trocken bleibt es in weiten Teilen der Südosthälfte, wo die
weiterhin durchziehenden hohen und mittelhohen Wolken zeitweise zwar etwas
dichter ausfallen können, für Niederschlag aber nicht taugen. In Südostbayern
sowie an den Alpen reicht es noch mal für leichten Frost. Ansonsten bleibt die
Nacht frostfrei und im Westen mit Tiefstwerten nahe 10°C sogar ziemlich mild. Da
der Gradient immer weiter aufweicht (leichter Druckfall im Osten, leichter
Anstieg im Westen), wird auch der Wind immer schwächer und die Warnungen in
Ostsachsen können am frühen Morgen auslaufen.

Samstag... rückt uns der Höhentrog immer dichter auf die Pelle, wobei er seine
Wellenlänge etwas verkürzt. Am Abend verläuft seine Achse auf 300 hPa über
Westfrankreich sowie knapp östlich der britischen Ostküste. Damit verbleiben wir
noch immer im Übergangsbereich zum Rücken im Osten, allerdings wird das Setup
langsam zyklonaler. Das trifft auch für das Bodendruckfeld zu, wo der Gradient
weiter auffächert und wir in eine Art "Sumpf" vorderseitig des nach Schottland
ziehenden Tiefs GERSON kommen. Mit am Start - zumindest prognostisch - ist auch
immer noch die sogenannte Kaltfront, die am Mittag einmal diagonal von Südwest
nach Nordost über Deutschland liegen soll. Ob allerdings der morgige Analysator
die Front auf den morgigen Wetterkarten finden wird, ist mehr als fraglich.
Außer einem zunehmend verwaschenen Feuchteband in der Höhe und einer eher
graduellen leichten Abkühlung in der unteren Troposphäre (Rückgang T850 auf 8
bis 3°C) sind keine Marker zu finden, die auf eine Front hindeuten.

Front hin, Marker her, Fakt ist, dass in den Norden und Westen sowie die
westliche Mitte eine recht feuchte (PPW um 20 mm) und labil geschichtete
Luftmasse einströmt, in der trotz limitierter Einstrahlung gebietsweise wenige
hundert Joule pro Kilogramm CAPE aufgebaut werden. Auf der Trogvorderseite
sollten sich einige Impulse finden lassen, die bereit sind, die potenzielle
Energie in Konvektion in Form von Schauern und einzelnen Gewittern umzusetzen.
Zwar sind die Rahmenbedingungen nicht überragend, etwas hochreichende Scherung
von rund 15 m/s zwischen 0 und 6 km könnte aber ein Mindestmaß an Organisation
gewährleisten. Mit anderen Worten, einzelne "gelbe" Gewitter sind
wahrscheinlich, vereinzelte "ocker" Gewitter möglich (vor allem durch Starkregen
um bzw. etwas über 15 l/m², aber auch Böen 8 Bft sowie Graupel/kleiner Hagel
nicht gänzlich ausgeschlossen).

Der Süden und Osten bekommen von dem mäßigen Schauspiel nicht viel mit, heißt,
es bleibt weitgehend trocken und vor allem in den südlichen Bundesländern Bayern
und BaWü sowie in Teilen Sachsens scheint häufig die Sonne. Auch sonst lässt
sich die Sonne zwischen oder durch die durchziehenden Wolkenfelder mal blicken.
Windtechnisch herrscht weitgehend Flaute, zumindest aus warntechnischer
Perspektive. Dazu werden mit 15 bis 20°C vorfrühlingshafte Temperaturen
gereicht. Lediglich im hohen Norden, wo das salzige Wasser von Nord- und Ostsee
nicht fern ist, muss man sich mit etwas weniger zufriedengeben.

In der Nacht zum Sonntag wurde die Kaltfront vom heutigen Erzeuger der
Bodenvorhersagekarten endgültig des Feldes verwiesen. Trotz intensivster
Bemühungen war eine einigermaßen annehmbare Positionierung nicht mehr möglich,
weshalb der Vertrag aufgelöst wurde. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht,
dass die Nacht ereignisfrei über die Bühne geht. Wir haben ja noch den Höhentrog
sowie das inzwischen auf 1005 hPa gestutzte Tief GERSON, das die Färöers
ansteuert. Vor allem der Trog macht weiteren Boden nach Osten hin gut, auch wenn
seine Achse bis zum Frühstück noch knapp westlich von uns verbleibt. Die
Modellwelt ist sich einig, dass auf seiner Vorderseite in labil geschichteter
Luftmasse (T500 rund -24°C über T850 rund +4°C) trotz "ungünstiger" Tageszeit
Schauer bzw. schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter ausgelöst werden,
die nun auch weiter nach Osten und Südosten ausgreifen. Ob es noch zu markanten
Gewittern durch Starkregen kommt, ist fraglich und kann nur in situ entschieden
werden. Schnell ziehen tun die Zellen jedenfalls nicht. Am östlichen Alpenrand
sowie im Bayerischen Wald reicht es vielleicht noch mal für Tiefsttemperaturen
von 0°C oder geringfügig darunter, ansonsten bleibt die Nacht frostfrei.


Sonntag... ist es dann soweit: Der Höhentrog, inzwischen doch recht schmal um
die Taille herum, erreicht den Vorhersageraum, legt sich genau darüber und sorgt
trotz von Südwesten einsetzendem Druckanstieg für einen sehr wechselhaften
Wochenendausklang. Die Luftmasse bleibt labil geschichtet (T500 um -25°C, T850
um +3°C), so dass im weiterhin gradientschwachen Umfeld mit Unterstützung des
Tagesgangs quasi überall im Lande Schauer und einzelne Gewitter ausgelöst werden
(ein Feuchte- respektive CAPE-Minimum ist im Südosten Bayerns erkennbar, was die
Gewitterwahrscheinlichkeit zumindest theoretisch geringer erscheinen lässt).
Meist dürfte es sich um unorganisierte Einzelzellen handeln (die Scherung nimmt
ab gegenüber Samstag), die eine überschaubare Lebensdauer haben und in der Regel
mit "gelb" abgewarnt werden können.

Darüber hinaus gibt es nicht mehr allzu viel zu sagen bzw. schreiben. Bei
wechselnder Bewölkung lässt sich ab und an die Sonne blicken, wobei der Süden
und Südosten gegenüber dem Nordwesten zumindest nach MOS in der Vorhand sind
(insgesamt aber weniger Sonne als am Vortag). Mit 11 bis 17°C (an der Küste
lokal etwas darunter) bleibt es vergleichsweise mild. Der Wind dreht auf der
Südflanke des zur norwegischen Westküste ziehenden Tiefs GERSON von Süd auf
Südwest bis West, wobei er weiterhin unterhalb der Warnschwellen bleibt.

In der Nacht zum Montag zieht der Trog nach Osten ab, was uns unter eine
stabilisierende nordwestliche Höhenströmung bringt. Bodennah setzt sich von
Südwesten leichter Hochdruckeinfluss durch. Trotzdem nimmt die Schaueraktivität
nur zögerlich ab. Es bleibt frostfrei und bei längerem Aufklaren bildet sich
örtlich Nebel.

Modellvergleich und -einschätzung:

Die Basisfelder werden von den zur Verfügung stehenden Modellen sehr ähnlich
simuliert. Von daher gibt es an der grundsätzlichen Entwicklung nicht viel zu
rütteln. Dass bei anstehender Konvektion noch das eine oder andere Fragezeichen
über der Vorhersage schwebt (räumliche Verteilung, Timing, genaue Intensität),
ist normal.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann