DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-03-2023 11:01
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 08.03.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Südliche Westlage (Ws)

Turbulentes Wetter mit stürmischem Wind im Süden, recht kräftigen Regenfällen
(teils Dauerregen) und Tauwetter in der südlichen Mitte und mitunter markanten
Schneefällen in der nördlichen Mitte. Am Freitag Sturm und teils kräftige
Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Am heutigen Mittwoch... liegt Deutschland im Bereich einer recht kräftigen
westlichen Höhenströmung, die zwar auf den ersten Blick recht glatt erscheint,
in der aber immer wieder kurzwellige Troganteile herangeführt werden, die
aufgrund der recht flotten Geschwindigkeit dann auch entsprechenden
Hebungsantrieb generieren. Bodennah dominiert ein umfangreiches Tiefdruckgebiet
(Diethelm) westlich von Irland das Wettergeschehen, dessen Frontensystem sich
innerhalb einer Rinne recht weit nach Osten ausdehnt. Die Warmfront nähert sich
dabei heute Deutschland von Südwesten und verschmilzt im Tagesverlauf mit einer
mehr oder weniger stationären Luftmassengrenze, die über der südlichen Mitte
Deutschlands liegt. Ein weiteres Tief (Cornelis) zieht derzeit über das Baltikum
nordostwärts ab. Zwischen diesem Tief und der Rinne liegt der Norden
Deutschlands im Bereich eines schwachen Hochdruckkeils. Dort liegt eine polare
Meeresluftmasse mit -6 bis -8°C in 850 hPa, während südlich der Luftmassengrenze
eine zunehmend milde und sehr feuchte subtropische Atlantikluft eingesteuert
wird, die in 850 hPa etwa 0 bis +2°C aufweist. Im Bereich dieser aufziehenden
Warmfront herrscht kräftige WLA, so dass es zu ausgedehnten stratiformen
Niederschlägen kommt, die heute Vormittag über der Südwesthälfte stattfinden.
Diese haben sich mit den Niederschlägen vereinigt, die ohnehin schon die ganze
Zeit an der Luftmassengrenze fallen.

Im Laufe des Tages gelangt dann nach der Warmfront eine ehemalige Kaltfront in
den Süden Deutschlands und überquert diese rasch ostwärts. Diese verdient aber
diesen Namen nicht mehr, da sie tatsächlich in praktisch der gesamten
Troposphäre keine Abkühlung bringt, durch weitere Erwärmung in bodennahen
Schichten aber eine zunehmende Labilisierung der Atmosphäre, das ganze verbunden
mit einer starken Anfeuchtung, so dass bis zum Abend ppw's von 20 l/qm den
Südwesten Deutschlands erreichen. Damit gehen die Regenfälle südlich der
Luftmassengrenze im Tagesverlauf in zunehmend schauerartigen Charakter über.

Kommen wir zur Niederschlagsphase entlang der Luftmassengrenze. An der Nordseite
derselben, in etwa vom Niederrhein bis zur Lausitz fällt den ganzen Tag über
Schnee, wenngleich tagsüber bei oft leicht positiven Temperaturen in der Luft
und am Boden im Tiefland bei weitem nicht alles liegen bleibt, so dass es trotz
Niederschlagssummen zwischen 5 und 15 l/qm Richtung Westen meist nur wenige
Zentimeter Neuschnee im Flachland gibt. Insbesondere von Nordhessen bis nach
Thüringen können durchaus in tieferen Lagen 5 bis 10 cm liegen bleiben. In der
Eifel und im Sauerland sowie bis hinüber in den Thüringer Wald können es teils
über 15 cm werden (Summe seit gestern), so dass dort eine markante Warnung
ausgegeben wurde. Weiter nach Osten hin Richtung Sachsen und Brandenburg sind es
auch meist unter 5 cm, da dort die Niederschlagsaktivität generell schwächer
ist. Zudem kommt es auch am Südrand der Luftmassengrenze auf der Vorderseite der
reinlaufenden Warmfront zu Schneefällen, die allerdings im Tagesverlauf mit
Milderung von Südwesten her in Regen übergehen. Die betrifft die Regionen von
der Pfalz bis nach Oberfranken In tieferen Lagen ist es dabei meist schon zu
mild, das größere Neuschneemengen liegen bleiben können, stellenweise sind bei
starkem Niederschlag aber sicher auch mal bis zu 5 cm möglich, vor allem nach
Osten hin. Im Bergland können es in höheren Lagen auch durchaus mal um 10 cm
werden.

Ganz im Norden herrscht insgesamt recht ruhiges Wetter und dort kann sich auch
mal länger die Sonne zeigen. In der polaren Kaltluft kann es aber an der See
auch einzelne Schauer geben.

Kommen wir zur letzten Baustelle, dem Wind: Während nördlich der
Luftmassengrenze der Wind schwach aus unterschiedlichen Richtungen weht,
verstärkt sich im Süden mit zunehmendem Übergreifen der Tiefdruckrinne der
Gradient, so dass es vor allem Richtung Südwesten gebietsweise steife bis
stürmische Böen aus Süd bis Südwest bis ins Flachland gibt, wobei die aktuellen
Modellläufe nahelegen, dass die bereits gestern ausgegebenen Warnungen etwas zu
hoch ausfallen. Da auch eine äußerst kräftige niedertroposphärische Südwest- bis
Westströmung vorliegt, kommt es auf dem Feldberg und den Alpengipfeln zunehmend
zu orkanartigen Böen.

Das Temperaturniveau ist heute erwartungsgemäß sehr unterschiedlich. Während
ganz im Norden etwa 5°C erwartet werden, sind es in der Mitte im Dauerschneefall
oft nur 1 bis 2°C, im Bergland gibt es dort Dauerfrost. Ganz im Süden werden es
vielfach 8 bis 13°C.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich die Rinne weiter nach Deutschland hinein
aus und in der zweiten Nachthälfte läuft eine Warmfrontwelle über unser Land, in
etwa auf einer Linie vom südlichen Niederrhein bis zur Lausitz. Diese Welle wird
durch einen rasch hereinlaufenden Kurzwellentrog in der westlichen Höhenströmung
getriggert. Sie sorgt sowohl auf der kalten Seite wieder für eine Intensivierung
der Niederschläge, wobei sich die Schneefälle weiter nach Norden zurückziehen,
so dass es nach ICON vor allem vom Emsland bis nach Brandenburg noch zu
Schneefällen kommt, meist in der Größenordnung von etwa 1 bis 5 cm. Nach anderen
Modellen soll aber die Luftmassengrenze nicht ganz so weit nach Norden
vorankommen, dann könnte die Grenze zum Schnee etwa 50 bis 100 km weiter südlich
liegen. Es zeichnet sich aber ab, dass sich bis in den Bereich der Rinne hinein
durch die weiterhin starke WLA zunehmend etwas mildere Luft durchsetzt, so dass
südlich des Windsprungs von Westen her zunehmend nur noch Regen zu erwarten ist
und selbst auf der Nordseite Schnee nicht mehr unbedingt immer bis in tiefe
Lagen fällt, zumal auch dort die Niederschlagsraten gar nicht so stark sind.

Umso stärker fallen diese dagegen südlich der Luftmassengrenze aus, wo sich
labil geschichtete Luftmassen bis nördlich des Mains durchsetzen. Dort kann es
zu schauerartig verstärkten Regenfällen mit einzelnen eingelagerten Gewittern
kommen, so dass durchaus mal gebietsweise 10 bis 20 l/qm in wenigen Stunden
fallen können. Zudem kommt es an den Mittelgebirgen zu Stau, so dass dort
durchaus über 30 l/qm fallen können, vereinzelt bis zu 50 l/qm. Im westlichen
Bergland wurden deswegen schon Dauerregenwarnungen ausgegeben, auch nach Osten
hin könnte das nötig werden, besonders scheint der bayerische Wald dafür
anfällig zu sein. In der Eifel, wo es zuvor viel geschneit hat, existiert schon
eine Tauwetterwarnung.

Ganz im Norden ist der Himmel teils nur locker bewölkt, es kann aber an der See
noch einzelne Schauer geben.

Mit dem Durchzug der Welle frischt der Wind nach vorübergehender leichter
Abschwächung am Abend in der Nacht wieder auf, so dass es im Süden bzw.
Südwesten erneut zu steifen bis stürmischen Böen aus Südwest bis in tiefe Lagen
kommen kann. Der Wind oberhalb der Grenzschicht legt sogar noch etwas zu und
erreicht auf den Gipfeln des Südschwarzwaldes und der Alpen in Böen zunehmend
Orkanstärke. Im Norden dreht der Wind dagegen überall auf Nordost und weht meist
nur schwach.

Dabei gibt es in der Nordhälfte generell leichten Frost, in der nördlichen Mitte
aber wohl nur vorübergehend, da hier im Verlauf der Nacht etwas mildere Luft
zugeführt wird. Im Süden liegen die Tiefstwerte vielfach bis 9 bis 3°C.

Am Donnerstag... zieht der Kurzwellentrog nach Osten ab, nachfolgend gelangt ein
schwacher Rücken von Westen her zu uns. Bodennah zieht die Welle dagegen nur
sehr langsam ab, ggf. folgt sogar noch einmal eine flache Welle nach. Erst zum
Abend scheint sich die Welle endgültig zu verabschieden. Der Windsprung
verbleibt nach ICON in etwa auf einer Linie vom südlichen Niederrhein bis zur
Niederlausitz. Dort liegt in 850 hPa die Temperatur dann um 0°C, der Übergang zu
Werte bis -8°C im Norden setzt erst weiter nördlich ein.

Das eigentliche Tief Diethelm erreicht bis zum Abend das Seegebiet südlich
Irlands. An der Luftmassengrenze nimmt die Intensität der Niederschläge im
Tagesverlauf ab, zudem gehen diese (auch deshalb) immer mehr in Regen über.
Etwas Schneeakkumulation kann es allenfalls noch in der ersten Tageshälfte in
Brandenburg geben. Südlich der Luftmassengrenze kommt es weiterhin zu Schauern
und anfangs auch noch Gewittern. Die Labilität nimmt zwar kaum ab, allerdings
lässt der Hebungsantrieb deutlich nach. Erst zum Abend hin verstärken sich die
Regenfälle über Nordrhein-Westfalen wieder, wenn dort die Luftmassengrenze in
den Bereich stärkerer Warmluftadvektion auf der Vorderseite von Diethelm gerät.


Bezüglich sämtlicher Warnungen aus den Kategorien "Niederschlag" ist also am
Donnerstag erstmal Entspannung angesagt. Etwas anders sieht es beim Wind im
Süden aus: Zwar verringert sich dort der Gradient etwas, allerdings sorgt der
Tagesgang noch für etwas Auffrischen, so dass im Tagesverlauf südlich des Mains
und der Mosel mit steifen bis stürmischen Böen aus Südwest zu rechnen ist. In
den exponierteren Lagen des Alpenvorlandes bietet ICON sogar Sturmböen. Auf den
Bergen (Kammlagen Schwarzwald und Alpen) gibt es anfangs noch orkanartige Böen,
dort schwächt sich aber der Wind im Laufe des Tages ab. Im Norden weht der Wind
generell schwach aus östlichen bis nördlichen Richtungen. Am Abend schwächt sich
der Wind überall deutlich ab.

Etwas Sonne darf ganz im Norden und im Süden erwartet werden, ansonsten bleibt
es fast flächendeckend bedeckt. Bei der Temperatur bleibt es weiterhin bei der
Zweiteilung. Während im Süden 10 bis 15°C erreicht werden, sind des im Nordosten
vielfach nur 3 bis 5°C.

In der Nacht zum Freitag nähert sich vom Atlantik her ein recht breiter
Höhenrücken dem europäischen Festland, auf dessen Vorderseite ein recht
markanter Trüg über die Britischen Inseln und Frankreich hinweg nach
Westdeutschland schwenkt. Dieser Trog sorgt für reichlich Hebungsimpulse, so
dass sich Tief Diethelm auch über Land nicht abschwächt. Allerdings ist der Trog
etwas flotter unterwegs als das Tief selbst, so dass er letzteres zunehmend
überläuft. Der Kern erreicht dann am Morgen erst den Ostausgang des Ärmelkanals.
Die kräftige Warmluftadvektion auf der Vorderseite von Diethelm sorgt für starke
Regenfälle vor allem im Bereich NRWs und Südniedersachsen, wo praktisch alle
vorliegenden Modelle gebietsweise über 10 l/qm Regen in 12 Stunden anbieten.
Insbesondere IFS hat im Ruhrgebiet sogar bis zu 30 l/qm zu bieten. Die
Regenfälle weiten sich mit geringeren Mengen auch bis in die gesamte Westhälfte
aus, sowie entlang der Luftmassengrenze, die weiter nach Norden vorankommt, bis
nach Brandenburg.

An der Nordkante der Niederschläge fällt weiterhin Schnee bis in tiefe Lagen,
vor allem in der zweiten Nachthälfte, wenn der Schneefall stärker wird, könnte
dieser auch wieder akkumulieren. Die davon am stärksten betroffenen Regionen
dürften sich vom nordöstlichen Niedersachsen bis in die Uckermark erstrecken.
Die grobe Lage der Luftmassengrenze ist dabei im Modellvergleich unstrittig.

Mit dem sich nähernden Tief frischt abermals der Wind auf, im Südwesten aus
Südwest, im Norden aus Ost. Vor allem im südwestlichen Bergland soll es dann
gegen Morgen schon wieder steife bis stürmische Böen geben, ebenso stark soll
der Ostwind auf den Ostfriesischen Inseln wehen.

Frost wird nur im Norden und in höheren Lagen des nördlichen Berglandes
erwartet, ansonsten bleibt es frostfrei und im Südwesten bei Werten über 5°C
richtig mild.

Am Freitag... bleibt das Wetter weiterhin spannend: Das Tief Diethelm zieht vom
Ostausgang des Ärmelkanals bis nach Südniedersachsen. Es gehört definitiv in die
Kategorie "Sturmtief", so dass sowohl im Nordwesten über der Nordsee der Wind
mit stürmischen Böen bis Sturmböen aus Nordost auffrischt, also auch der Süden
von einem kräftigen Sturmfeld erfasst wird. Auch dort gibt es verbreitet steife
bis stürmische Böen, in exponierten Lagen auch Sturmböen. Zudem soll im Bereich
einer herumgeholten Okklusion mit Kaltfrontcharakter am Spätnachmittag der Wind
im Westen stark auffrischen mit Sturmböen bis ins Flachland. Auf den Gipfeln
muss gebietsweise mit schweren Sturmböen bis Orkanböen gerechnet werden.

An der Nordflanke des Tiefs, wo dessen Warmfront langsam nach Norden vorankommt
(also unsere Luftmassengrenze), soll es zu länger anhaltenden und durchaus recht
kräftigen Niederschlägen kommen, wobei etwa 5 bis 10 l/qm simuliert werden.
Diese fallen vom Norden Niedersachsens über Schleswig-Holstein hinweg bis nach
Mecklenburg-Vorpommern meist als Schnee, wobei zumindest bei stärkerem
Schneefall trotz guter Durchmischung bei dem starken Wind auch tagsüber mal eine
Nassschneedecke von einigen Zentimetern entstehen könnte. An der Südflanke des
Tiefs schwenkt zunächst eine nur schwach ausgeprägte Kaltfront mit
schauerartigen Regenfällen durch, zudem staut es an den Bergländern an, so dass
auch dort regional 5 bis 10 l/qm Regen fallen können. An der herumgeholten
Okklusion, die die Rückkehr der Luftmasse nördlich der alten Luftmassengrenze
einleitet, kommt es zu intensiven Schneefällen, die am Abend auf NRW übergreifen
(dazu mehr in der Nacht).

Im Süden und in der Mitte werden wieder verbreitet 8 bis 13°C erwartet, im
Norden sind es bei Dauerschneefall wahrscheinlich teils nur um 1°C, auch wenn
MOS derzeit noch höhere Werte simuliert.

In der Nacht zum Samstag zieht das Tief ins nördliche Polen ab. An seiner
Westflanke frischt vor allem im Bereich der herumgeholten Okklusion der Wind bis
hin zu Sturmböen auf, auf den Bergen muss mit Frontdurchgang vielfach mit
schweren Sturmböen bis orkanartigen Böen gerechnet werden. Zudem kommt es zu
recht kräftigen schauerartigen Schneefällen, bei denen durchaus gebietsweise 5
bis 10 cm Neuschnee in weniger als 6 Stunden fallen können, so dass
Ocker-Warnungen aus jetztiger Sicht angebracht erscheinen. Das Ganze im
Warnmanagement vernünftig abzuhandeln, dürfte keine leichte Aufgabe werden. Nach
MOSMIX soll in der Nacht vom Norden bis zur Mitte verbreitet leichter Frost
auftreten, teils bis zu -3°C im Flachland. Zwar flutet eine kalte Luftmasse mit
-6 bis -10°C in 850 hPa das ganze Land, allerdings dürfte angesichts des doch
recht kräftigen Nordwestwindes die Temperatur nicht ganz so tief in den
Frostbereich absinken und sich in tiefen Lagen vielfach im Bereich um 0°C
einpendeln.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung auf synoptischer Skala wird grob übereinstimmend simuliert.
Unterschiede liegen im Detail, bzw. was die genaue Lage der Luftmassengrenze
angeht, so dass leider im Warnmanagement vielfach "auf Sicht" gefahren werden
muss, was insbesondere aufgrund der kleinräumig immer wieder "markant" werdenden
Schneefälle sicherlich unbefriedigend ist. Ansonsten wurde auf die
Modellunterschiede oben schon eingegangen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann