DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-01-2023 12:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 18.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute vor allem im Osten und in der Mitte leichter bis mäßiger Schneefall. In
der Nacht zum Donnerstag Terrier INGO, ein kleines, aber sehr intensives
Polartief mit Sturm und kräftigen Schauern im äußersten Nordwesten, im Laufe des
Donnerstags abschwächend. Am Freitag ein weiteres Nordseetief, das z.Zt. aber
noch unter Orientierungsschwierigkeiten leidet.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... thront ein monumentaler LW-Trog über West- und Mitteleuropa, der
sich quasi vom Nordpolarmeer bis hinunter nach Nordwestafrika erstreckt. Geht
man nun her und beginnt den "großen Braten" zu zerlegen, lassen sich diverse
kurzwellige Anteile finden, von denen wir uns zwei etwas genauer anschauen
wollen. Da wäre zunächst mal ein KW-Trog zu nennen, der fast schon
Höhentiefcharakter aufweist und aktuell über Süddeutschland liegt, von wo aus er
bis heute Abend nach Tschechien bzw. in den Osten unseres Landes schwenkt. Das
zweite, etwas ausgeprägtere Trogexemplar reicht von der Nordsee bis hinunter
nach Frankreich. Dabei ist über der westlichen Nordsee ein kleines Drehzentrum
zu erkennen, das sich auch am Boden abbildet und den Namen INGO trägt. Kollege
INGO gehört einer ganz besonderen Spezies an, den sogenannten "polar lows", die
sich in kalter Luft über den Ozeanen bilden, nicht allzu ausgedehnt daherkommen
und in der Regel frontenlos sind. Bevor wir uns dem INGO genauer widmen, gilt es
aber erstmal dem ersten KW-Trog zu würdigen. Er korrespondiert mit einer flachen
Tiefdruckrinne über Süd- und Südostdeutschland, die im Osten an das Tief HARTO
(int. Fien) andockt und an deren Nordflanke es zu relativ stationären
Aufgleitprozessen kommt. Aktuell (06 UTC) schneit es von BaWü über Unterfranken
bis hinüber nach Sachsen leicht, teils auch mäßig (lokal 2 mm/h, Würzburg schon
7 cm) und man kann schön erkennen, wie der Schneefall über Ostsachsen mehr und
mehr auf Südbrandenburg übergreift. So wird sich der Schwerpunkt des Schneefalls
in den nächsten Stunden in die östliche Mitte begeben, wobei vor allem Sachsen
und das südliche BB sowie mit Abstrichen noch Teile Ostthüringens in den Fokus
rücken. Dort können bis zum Abend 2 bis 8 cm, örtlich sogar bis 10 cm Neuschnee
zusammenkommen (ein Großteil davon in wenigen Stunden, weshalb die Warnungen
gebietsweise auf "markant" hochgestuft wurden), wenn auch vielfach in feuchter
oder nasser Form. Interessanter Nebenaspekt dabei: Der meiste Schnee soll nicht
etwa im Erzgebirge, also im Bergland fallen, sondern abgesetzt etwas weiter
nördlich davon. Weiter west- bzw. südwestlich jedenfalls lässt der Schneefall
bedingt durch die Verlagerung des KW-Troges allmählich nach.

Und was geht sonst so in diesem unseren Lande? - Ganz im Süden, also direkt am
Alpenrand bis hinüber Richtung Bodensee kann es im Tagesverlauf ebenfalls leicht
anfangen zu schneien (mit Unterbrechungen), was einem weiteren Tief südlich der
Alpen geschuldet ist. Wenig bis nichts passiert zumindest tagsüber in der
Nordwesthälfte, wo auf der Bodenwetterkarte ein kleiner Hochkeil von Frankreich
hervorlugt. Die Wolkendecke präsentiert sich aufgelockert und gebietsweise
scheint sogar für längere Zeit, wenn nicht sogar bis zum Abend die Sonne. Über
der Deutschen Bucht tummeln sich zwar ein paar diabatisch getriggerte Schauer,
vereinzelt mit Blitzen, die aber weitgehend über Wasser bleiben sollen. Am
Nachmittag bzw. Abend, wenn sich das kleine Tief so ganz allmählich der
westfriesischen Küste nähert, frischt der Wind an und vor allem über der Nordsee
auf. Aus südlichen Richtungen kommend erreicht er in Böen Stärke 7 bis 8 Bft.

In der frisch eingeflossenen maritimen Polarluft (T850 -4 bis -7°C) steigt die
Temperatur auf 0 bis 4°C, vereinzelt bleibt es bei leichtem Dauerfrost, im
mittleren und höheren Bergland sowieso.

In der Nacht zum Donnerstag verdrückt sich der erste KW-Trog im Osten gen Polen
und auch die Rinne am Boden füllt sich immer weiter auf, bis sie schlussendlich
ganz verschwindet. Verständlich also, dass die Schneefälle im Osten deutlich
nachlassen und nach Mitternacht nur noch wenige Flocken im deutsch-polnischen
Grenzbereich runterkommen. Dahinter lockert die Wolkendecke auf und über dem
frisch gefallenen Schnee rauscht die Temperatur ordentlich in den Keller,
sprich, bis in den mäßigen Frostbereich. Frostig (leicht bis mäßig) wird es auch
in den meisten anderen Landesteilen, wobei dort, wo es von den
Tagesniederschlägen noch nass ist, die Gefahr von gefrierender Nässe gegeben
ist. Einzig direkt an der See sowie in Teilen Nordwestdeutschlands stehen nur
0°C oder sogar leichte Plusgrade auf der Karte. Während an der Küste das nahe
und nicht vereiste Meerwasser als "Wärmepumpe" agiert, sind es im Nordwesten die
Wolken und der auffrischende Wind des zur Deutschen Bucht abdrehenden und am
Morgen Jütland erreichenden INGOs, die eine nachhaltige Abkühlung verhindern.

Über der Deutschen Bucht wird es um das Tief herum regelrecht stürmisch mit Böen
bis zu 10 Bft, laut ICON vereinzelt sogar 11 Bft (auf 925 hPa wurden 55 Kt
gesichtet), wodurch schnell klar wird, das solche kleinen Polarwirbel äußerst
gehaltvoll sind und einen hohen Impact erzeugen können. Böen 7 bis 8 Bft greifen
bis ins küstennahe Binnenland und zur westlichen Ostsee aus. Richtungstechnisch
legt der Wind eine regelrechte Pirouette auf´s Parkett. Erst kommt er aus
südlichen Richtungen, um dann auf der Rückseite immer mehr auf Südwest bis
Nordwest zu springen. Außer Wind und Sturm hat INGO aber auch reichlich Schauer
und sogar kurze Gewitter zu bieten. Zwar fällt das meiste davon im wahrsten
Sinne des Wortes ins kalte Nordseewasser, aber gerade Schleswig-Holstein,
abgeschwächt auch Teile des nordwestdeutschen Tieflands sowie NRW sollten sich
auf Schnee-, Schneeregen-, Regen- und Graupelschauer, vereinzelt elektrisch
(vielseitig der INGO, gelle) einstellen. Auch wenn Vieles, was von oben kommt,
ziemlich nass ist, könnte es in SH (durch die hohe Intensität) sowie im Bergland
NRWs für eine dünne, z.T. nasse respektive matschige Schneedecke reichen.

Ganz kurz noch einen Ausflug in den äußersten Süden, wo es an den Alpen
gemütlich und leicht vor sich hinschneit, was sich bis morgen früh auf 1 bis 5
cm Neuschnee bilanziert.

Donnerstag... verbringen wir weiterhin unter dem mit reichlich Kaltluft
gefüllten LW-Trog (T500 -33 bis -37°C, T850 -4 bis -9°C), wobei es bei uns genau
genommen der kurzwellige Anteil (die #2) ist, der inzwischen von Frankreich und
Benelux zu uns geschwenkt ist und die Tagesregie übernimmt. Während der Trog ein
vergleichsweise stationäres Dasein fristet, zieht es "Polar-INGO" zur westliche
Ostsee, von wo aus er bis Tagesende Südschweden ansteuert. Sein nach Süden
gerichteter und bis zur Mitte einigermaßen konturierter Bodentrog überquert den
Vorhersageraum von West nach Ost, wobei er leichte Niederschläge generiert.
Diese fallen in den meisten Fällen als Schnee (z.T. nass), vor allem im Norden
und Nordwesten ist aber auch die Misch- oder Flüssigphase am Start. In den
westlichen und zentralen Mittelgebirgen kann sich oberhalb etwa 200-400 m eine
wenige Zentimeter dicke/dünne Schneedecke bilden. Über der Nordsee sind kurze
Gewitter nicht ausgeschlossen.

Ansonsten ist die Geschichte des Tages schnell erzählt. Der Schneefall an den
Alpen hört auf und z.T. lockert die Wolkendecke im Süden auf. Noch mehr lockert
sie im Osten auf bzw. ist dort gar nicht vorhanden, weil man ja schon aus einer
klaren Nacht kommt. Insbesondere vom Erzgebirge bis hoch in den Berliner Raum
scheint für lange Zeit die Sonne. Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen
-2 und +3°C, wobei sich vor allem im Südosten vielerorts leichter Dauerfrost
einstellt. Direkt an den Küsten werden hingegen die höchsten Tageswerte
registriert. Kurz noch zum Wind, der eigentlich nur an der Ostsee aus dem Sektor
Süd bis West kommend einigermaßen lebhaft unterwegs ist mit Böen 7 bis 8 Bft,
exponiert 9 Bft. Dass auch der Brocken sturmmäßig mitmischt, ist keiner
besonderen Erwähnung wert. An der Nordsee reicht es für einzelne Böen 7 Bft aus
West bis Nordwest.

In der Nacht zum Freitag steigt der Luftdruck etwas an, gleichwohl fallen noch
einzelne Schnee- oder Schneeregenschauer. Die Verteilung wird - wie bei
Troglagen nicht untypisch - heterogen simuliert, aber es zeichnet sich ab, dass
es vor allem im Süden etwas Neuschnee geben kann. Außerdem kann es sein, dass
sich von der Deutschen Bucht her eine gewittrige Schauerstraße nach SH
etabliert, bei der alle Phasen am Start sein können. Je nach Bewölkung sinkt die
Temperatur auf +1 bis -5°C, im Bergland sowie bei längerem Aufklaren auch
darunter. Überwiegend frostfrei bleibt es an der See.

Freitag... zeichnet sich eine beginnende Abtropfung des Troges südlich der Alpen
ab. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir unter dem nördlichen
Residuum verbleiben. Während daran also keine Zweifel bestehen, sieht das mit
dem Geschehen am Boden etwas anders aus. Grund ist ein neues kleines Tief, das
wohl aus dem ehemaligen Tief GERO entstammt und nun mit gewissen
Orientierungsschwierigkeiten über der Nordsee irrlichtert. Je nach Modell könnte
es nach Jütland oder zur Deutschen Bucht oder zur südwestlichen Nordsee oder in
die Niederlande ziehen, um nur die vier Szenarien von ICON, GFS, UK10 und IFS zu
skizzieren. Mit anderen Worten, es gibt noch eine Menge Spielraum was die
Abläufe am Freitag angeht. Um die Spökenkiekerei im Konjunktiv an dieser Stelle
nicht zu weit zu treiben, erfolgt nur eine kurze Stichwortsammlung im
Allgemeinen, was uns erwartet:

Wechselnd bis starke Bewölkung mit schauerartigen Niederschlägen, deren
Schwerpunkte interschiedlich gesetzt werden. Meist fällt Schnee, nach Nordwesten
hin teils (Schnee)Regen, vereinzelt gewittrig. An den Alpen leichter Schneefall.
Niederschlagsminimum im Osten, dort gebietsweise längere Zeit sonnig oder
heiter. -2 bis +4°C, im Bergland sowie in weiten Teilen Süddeutschlands
Dauerfrost. Zum Wind keine substanzielle Aussage möglich (abhängig von der
Zugbahn).



Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen sehen die Modelle die Entwicklung ähnlich. Dass es am
Freitag divergiert, insbesondere im Hinblick auf das nächste "Nordseetief",
wurde im Text abgerissen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann