DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

01-01-2023 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.01.2023 um 10.30 UTC



Wechselhaft, für die Jahreszeit zu mild und zeitweise windig, am Freitag im
Norden und in der Mitte Deutschlands Gefahr von Sturmböen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 08.01.2023


Am Mittwoch liegt Deutschland unter einer leicht mäandrierenden und relativ
zonal ausgerichteten Frontalzone. Ein darin eingelagertes Frontensystem greift
mit Niederschlägen auf Deutschland über. Wahrscheinlich bleibt es nur am
Alpenrand noch trocken. An der Südflanke eines nach Jütland ziehenden Tiefs
verschärft sich der Gradient, so dass im Nordwesten und Westen stürmische Böen,
an der See und im Bergland Böen bis Sturmstärke und auf exponierten Gipfeln
schwere Sturm- und orkanartige Böen auftreten können. Dieses Tief wird rasch
ostwärts gesteuert, vom nachfolgenden Trog überlaufen und beginnt sich daher
aufzufüllen. Rückseitig nehmen die Niederschläge einen schauerartigen Charakter
an, wobei im Nordosten und ganz im Norden auch die feste oder zumindest die
Mischphase nicht auszuschließen ist.
Am Donnerstag wird die Kaltfront des dann schon über Osteuropa liegenden Tiefs
durch ein sich nach Nordengland verlagerndes Tief als Warmfront rückläufig, so
dass sich neben dem Alpenrand ein weiteres Niederschlagsmaximum im Frontbereich
der Warmfront ergibt, das sich vom Westen in den östlichen Mittelgebirgsraum
hinein erstreckt. Diesem Tief, das von Nordengland ostwärts gesteuert wird, ist
dann mehr Aufmerksamkeit zu widmen, gelangt es in entwicklungsgünstige Position
zu einem nachfolgenden Trog, so dass sich dieses Tief bei seiner Verlagerung
etwa zur Elbmündung zu einem Sturmtief intensiviert. Demzufolge wären zunächst
im Nordwesten, in der Nacht zum Samstag dann auch im gesamten Norden und in der
Mitte Deutschlands auch in tiefen Lagen Böen bis Sturmstärke zu erwarten. Im
Bergland gibt es dann schwere Sturmböen, auf exponierten Gipfeln Böen bis
Orkanstärke. Rückseitig zapft dieses Tief die über Skandinavien liegende
Polarluft an, was im Nordosten im 850 hPa-Niveau einen Temperaturrückgang auf
etwa -10 Grad mit sich bringt. Demzufolge gehen dort wie auch im östlichen
Bergland die Niederschläge in die feste Phase über. Ansonsten liegt die
Schneefallgrenze bei 600 bis 800 m, aber es handelt sich dabei meist um geringe
Niederschläge, bevor sich im Laufe des Samstags vorübergehend
Zwischenhocheinfluss durchsetzt. Doch bereits im Laufe des Tages erfassen die
Niederschläge eines Nordseetiefs erneut den Westen Deutschlands. Dies geht
einher mit einer Windzunahme bis hin zu Sturmböen über der offenen Nordsee sowie
in den Hochlagen der westlichen und nördlichen Mittelgebirge. In der Nacht zum
Sonntag erfassen die Niederschläge nahezu das gesamte Vorhersagegebiet, wobei
die Schneefallgrenze weiterhin bei etwa 600 m liegt. Der Wind frischt dann
generell auf, in freien Lagen sind stürmische Böen, an der See und im Bergland
Sturmböen und in exponierten Kamm- und Gipfellagen schwere Sturm- oder
orkanartige Böen zu erwarten. Am Sonntag nehmen die Niederschläge einen
schauerartigen Charakter an, wobei sich dann auch die Windlage etwas entspannt.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum setzt sich an der Südflanke
von ostwärts ziehenden Wellentiefs wieder mildere Luft durch. Bis Mittwoch wird
dann aus dem Nordosten Deutschlands die Kaltluft ausgeräumt, so dass auch dort
wieder eine Milderung in Gang kommt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich Donnerstag ist der aktuelle Modelllauf zu den gestrigen
Modellrechnungen weitgehend konsistent. Ab Freitag ergeben sich Unterschiede. So
wird seit dem gestrigen 12 UTC-Lauf das o.g. Sturmtief intensiver und mit einer
langsameren Verlagerung gezeigt. Der gestrige 00 UTC-Lauf mit dem rasch nach
Osten abziehenden Tief kommt der Variante des GFS nahe.
Die Entwicklungen am Wochenende werden auch von den gestrigen Modellläufen
ähnlich gezeigt. Das gilt auch für die im erweiterten mittelfristigen
Vorhersagezeitraum erneut einsetzende Milderung.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Freitag stützen die verfügbaren Modelle weitgehend die oben
beschriebene Entwicklung. Prognoserelevante Unterschiede lassen sich bis dahin
nicht ableiten. Das betrifft auch die oben beschriebene Sturmtiefentwicklung.
Hier ergeben sich nur Positionsunterschiede von ca. 200 km zwischen den
einzelnen Modellen. Lediglich GFS verlagert dieses Tief deutlich rascher nach
Osten. Dies hat auch Auswirkungen auf den nachfolgend einsetzenden
Zwischenhocheinfluss. Der kommt nach GFS ebenfalls rascher zur Geltung.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum lassen GFS wie auch EZMW
Deutschland wieder in den Genuss eines breiten Warmsektors kommen. Das Modell
des kanadischen Wetterdienstes zeigt eine Welle, die über den Süden Deutschlands
hinweg nach Osten abläuft, wodurch eine erneute Milderung ausbleiben würde.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das EPS des GFS stützt weitgehend die oben beschriebene Entwicklung, wobei aber
im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum eine erneute Milderung eher
abgeschwächt wird oder vielmehr ausbleibt. Die extremen Temperaturabweichungen,
wie sie zum Jahreswechsel auftraten, sind demnach Geschichte. Bei relativ
geringen Spread lässt sich eher ein leichter Trend hin zu etwas tieferen
Temperaturen, aber zu einem deutlich niedrigeren Geopotential, ableiten. Dieser
Prozess würde die Frontalzone allmählich nach Süden drücken, wonach eine
Entwicklung, wie sie zur Wochenmitte hin das Modell des kanadischen
Wetterdienstes zeigt, durchaus im Bereich der Möglichkeiten liegen würde.
Beim EPS des EZMW gilt es zunächst, das Sturmtief am Freitag mehr in den
Augenschein zu nehmen. Hier zeigt der deterministische Lauf noch die heftigste
Entwicklung. Das betrifft sowohl den Kerndruck als auch die zu erwartenden Böen.
Zwar ist dann in der unteren Troposphäre (850 hPa, ggf. auch 1000 m) bis 60 kt
Mittelwind zu erwarten, aber die Gefahr, dass derartige Böen auch am Boden
auftreten, ist aufgrund der nicht allzu labilen Schichtung nur gering.
Demzufolge ist die Wahrscheinlichkeit für orkanartige Böen geringer als 10
Prozent.
Die Milderung in Richtung Wochenmitte wird jedoch nur von einem Cluster, das mit
11 Membern relativ gering besetzt ist, gestützt. Wahrscheinlicher ist demnach
eine zyklonale Nordwestströmung oder Troglage, was ein annähernd unverändertes
Temperaturniveau im Vergleich zum Wochenende bedeuten würde. Das wird durch die
"Rauchfahnen" bestätigt, hier ließe sich sogar ein schwacher Trend zu
niedrigeren Temperaturen und tieferem Geopotential (wie es auch das EPS des GFS
zeigt) ableiten. Den beiden ungestörten Modellläufen, die zur Wochenmitte hin
dann wieder auf einen Temperaturanstieg setzen, folgen nur wenige Member. Gemäß
Clustering nach Großwetterlagen lassen sich im erweiterten mittelfristigen
Vorhersagezeitraum 90 Prozent der Member in Nordwest-zyklonal, West zyklonal,
Trog Mitteleuropa oder Winkelwestlagen einordnen. Für eine Milderung müssten
West- oder Südwestlagen (möglichst antizyklonal) dominieren.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Hier gilt es, ausschließlich die Windentwicklung zu betrachten. Am Mittwoch sind
an der Nordsee sowie in exponierten Kamm- und Gipfellagen mit hoher, im
Nordwesten sowie im Lee der Gebirge mit geringer Wahrscheinlichkeit Sturmböen zu
erwarten. Auf dem Brocken sind orkanartige Böen nicht auszuschließen.
Am Donnerstag gibt es sehr wahrscheinlich an der Ostsee sowie in den Kamm- und
Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge noch Sturmböen. Auch anfangs an der
Nordsee sowie tagsüber im nordöstlichen Binnenland muss noch mit stürmischen
Böen gerechnet werden.
Am Freitag frischt an der Südflanke eines über die Deutsche Bucht hinweg
ostwärts ziehenden Sturmtiefs der Wind erneut auf, im Nordwesten und in Teilen
der Mitte kommen dann sehr wahrscheinlich Sturmböen, an der Nordsee und im
höheren Bergland schwere Sturmböen auf, in exponierten Gipfellagen (Brocken)
besteht Gefahr orkanartiger Böen. Auch sonst sind im Norden, Nordosten und in
der Mitte stürmische Böen nicht auszuschließen.
In der Nacht zum Samstag kommt es noch zu Sturmböen bis ins nordöstliche
Binnenland hinein, an der Ostsee sind schwere Sturmböen möglich. Am Samstag gibt
es dann im östlichen Bergland mit abnehmender Wahrscheinlichkeit noch Sturmböen.
Zum Abend hin werden über der Nordsee Sturmböen dann wieder wahrscheinlicher.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EPS, anfangs MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann