DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2023 09:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.01.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Südwest zyklonal (SWz)
Im Norden und Westen unbeständig mit häufigeren Regenfällen, nach Südosten
zeitweise Hochdruckeinfluss. Vor allem im Bergland stürmisch. Anfangs noch
rekordmild, im weiteren Verlauf langsam zurückgehende Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Zum Beginn des Jahres 2023... befindet sich von Algerien ausgehend über den
zentralen Mittelmeerraum hinweg und über den Balkan bis ins Schwarze Meer hohes
Geopotential. Dies resultiert in einer insgesamt antizyklonal gekrümmten
Südwestströmung zwischen einem Langwellentrog vor der Iberischen Halbinsel und
einem weiteren über dem Nordosten Europas. Hochdruckeinfluss dominiert den Süden
Europas, während Tiefs vom Atlantik über Nordeuropa hinweg ziehen. Vom Atlantik
über die Iberische Halbinsel hinweg bis nach Frankreich und Deutschland und
darüber hinaus bis nach Osteuropa hat sich mit einer kräftigen westsüdwestlichen
Strömung äußerst milde Luft durchgesetzt, in der in 850 hPa bis zu 10°C gemessen
werden, was gestern bei guter Durchmischung hierzulande Höchstwerte vielfach
zwischen 16 und 18°C zu Folge hatte, in der Spitze im Süden sogar örtlich über
20°C. Über dem Nordwesten Deutschlands schleift derzeit ein Frontensystem, dass
die sehr milde Meeresluft von erwärmter Polarluft abgrenzt, die über der Nordsee
nur noch 0°C in 850 hPa aufweist.

Dieses Frontensystem kommt rückseitig einer sehr flachen Welle als Kaltfront
etwas nach Südosten voran, bringt aber nur schwache Regenfälle, die zum Mittag
hin ganz nachlassen. In der prinzipiell antizyklonalen Westsüdwestströmung
nähert sich aber im Tagesverlauf ein sehr flacher Kurzwellentrog, der etwas PVA
generiert und auf dessen Vorderseite eine Welle (Magdalene, das letzte 2022
benannte Tief) bis nach Nordwestfrankreich vorankommt. Damit wird die Kaltfront
wieder rückläufig und kommt als Warmfront gen Norden voran, wobei bedingt durch
kräftige WLA im Westen des Landes wieder Regenfälle einsetzen. Auch in den
Phasen zwischen den Regenfällen bleibt es im Nordwesten des Landes durchwegs
bewölkt, so dass dort heute kaum Sonne zu erwarten ist. Richtung Süden und Osten
werden die Wolken dagegen immer weniger und dort ziehen nach Auflösung der
örtlichen Nebelfelder nur ab und zu mittelhohe und hohe Wolken über den Himmel,
so dass lange die Sonne scheint.

Weiterhin ein Thema ist natürlich der Wind, allerdings mit abnehmender
Bedeutung. Der derzeit noch recht straffe Gradient über dem Norden des Landes
fächert im Laufe des Tages mit über der Nordsee stärker als von Südosten
steigendem Druck langsam auf, so dass die vielen Windwarnungen im Norden nach
und nach auslaufen können. Auch der Sturm über Schleswig-Holstein lässt nach,
bis zum Abend sind selbst über den Seegebieten keine Warnungen mehr nötig.
Stürmisch, wenngleich mit nachlassender Intensität, bleibt es auf den Bergen: In
höheren Berglagen muss bis zum Abend weiterhin mit steifen bis stürmischen Böen
aus Südwest gerechnet werden. Auf dem Brocken lässt der Orkan nach, aber auch
zum Abend hin gibt es immer noch Sturmböen bis schwere Sturmböen.

Noch kurz zu den Temperaturen: Im Südwesten können die Werte bei nach wie vor
leichtem Wind und hohem Ausgangsniveau mit viel Sonne wieder örtlich um 20°C
erreichen. Vielleicht reicht auch im Alpenvorland der Wind noch einmal dafür
aus, an der 20 zu kratzen. Ansonsten dürfen vielfach wieder zwischen 15°C
Richtung Nordwesten und 18°C Richtung Süden erwartet werden, was im Nordwesten
in etwa dem jetzt schon gemessenen Temperaturniveau entspricht. Ganz im
Nordwesten macht sich die Meeresluft polaren Ursprungs bemerkbar, dort bleibt es
bei den ebenso aktuell schon gemessenen 10 bis 13°C. Etwas kühler bleibt es auch
im Südosten, wo es heute früh teils auf 5 bis 0°C abgekühlt hat. Dort kann bei
schwachwindigen Verhältnissen die Sonne die Temperatur nur auf Höchstwerte von
11 bis 13° hieven.

In der Nacht zum Montag zieht die Welle Magdalene nordostwärts und entwickelt
sich langsam zu einem flachen Tief, das am Morgen die Deutsche Bucht erreicht.
Die Regenfälle der Warmfront weiten sich in der Nacht auf den gesamten Westen
und Norden Deutschlands aus und bringen vor allem im Westen Niedersachsens teils
auch etwas mehr als 10 l/qm. Zur Mitte hin ziehen nur hohe und mittelhohe
Wolkenfelder über den Himmel, ganz im Süden und Südosten bleibt es zunächst
klar, später können sich dort bei windschwachen Verhältnissen wieder
stellenweise Nebelfelder bilden.

In den übrigen Gebieten verstärkt sich der Gradient wieder, was vor allem in den
Bergen wieder zu auffrischendem Wind aus Süd bis Südwest führt. In Hochlagen
sind wieder verbreitet steife bis stürmisch Böen zu erwarten, auf dem Feldberg
und Fichtelberg wieder zunehmend Sturmböen, auf den Alpengipfeln mitunter
schwere Sturmböen und auf dem Brocken Orkanböen. Vereinzelt kann es auch den
Leelagen der Gebirge steife Böen geben.

Die Temperaturen gehen in den meisten Regionen auf 11 bis 5°C zurück, im
windschwachen Südosten kann es bis nahe 0°C runter gehen.

Am Montag... zieht das Tief Magdalene über Dänemark und Südschweden hinweg zur
Ostsee. Damit bleibt es im Bergland bis zum Mittag unverändert windig. Am
Nachmittag schwächt sich dann der Gradient über Deutschland ab und in den Bergen
nimmt der Wind ab. Dafür gelangt der Bereich der Ostseeküste, vor allem in
Vorpommern, in den Bereich eines stärkeren Gradienten, so dass dort steife Böen
um West zu erwarten sind. Von Süden her setzt sich schon wieder
Hochdruckeinfluss durch.

Die Kaltfront von Magdalene schwenkt im Tagesverlauf südostwärts und erreicht
bis zum Abend eine Linie von Vorpommern bis zum Schwarzwald. Sie läuft aber
zunehmend in das Hoch hinein und bringt deswegen keine allzu starken
Niederschläge. Nur Richtung Emsland/Niederrhein kann es durch den dort lange
anhaltenden Regen weiter 10 bis 15 l/qm geben, so dass dort die etwa 20-stündige
Summe (von Sonntagabend bis Montagnachmittag) zumindest nach GFS durchaus teils
20 bis 30 l/qm erreichen kann, womit wir knapp an den Warnschwellen liegen.
Andere Modelle sind aber deutlich zurückhaltender. Rückseitig der Kaltfront
schwenkt der nördliche Teil des oben erwähnten Langwellentroges über die
Britischen Inseln hinweg zur Nordsee. Damit gelangt Höhenkaltluft (-30 bis
-32°C) in 850 hPa in den Nordwesten des Landes. In 850 hPa geht rückseitig die
Temperatur auf knapp unter 0°C zurück, aber auch auf der Vorderseite wird die
allermildeste Luft nach Osten verdrängt. Im Nordwesten wird es damit
einigermaßen instabil, so dass sich dort am Nachmittag Schauer bilden und ein
einzelnes Gewitter soll zur Nordsee hin nicht ganz ausgeschlossen werden.

Am längsten scheint die Sonne vor der Front noch im Südosten, im übrigen Land
dominiert die meiste Zeit über starke Bewölkung. Durch den durchaus spürbaren
Wind und etwas Sonne können in der Südosthälfte noch einmal gebietsweise 12 bis
18°C erreicht werden, mit den höchsten Werten im Lee einzelner Mittelgebirge. Im
windschwachen Niederbayern und ganz im Südwesten sind es dagegen "nur" 9 bis
12°C.

In der Nacht zum Dienstag zieht Tief Magdalene zum Baltikum ab. Der Nordosten
Deutschlands verbleibt noch im Bereich eines stärkeren Gradienten, so dass es an
der Ostsee teils noch steife Böen geben kann. Vom Süden bis zur Mitte setzt sich
weiter Hochdruckeinfluss durch, so dass der Wind vor allem im Süden ganz
einschläft. Auch in den Mittelgebirgen nimmt der Wind deutlich ab, bis zum
Morgen gibt es dann nur noch auf dem Brocken letzte Sturmböen.

Die Kaltfront wird vor allem mit der noch spürbaren Höhenströmung weiter nach
Südosten geschoben und erreicht bis zu den Frühstunden die Alpen. Wer jetzt an
Schnee denkt, hat das Ausgangsniveau der Temperatur nicht betrachtet. Bis zum
Morgen sinkt die Schneefallgrenze gerade mal auf 1500 m herab. Zudem sind die
Niederschläge, dem ungünstigen Umfeld der Kaltfront geschuldet, ohnehin im
Bereich weniger Millimeter anzusiedeln. Im Norden sorgt der nach Osten
durchschwenkende Trog zusammen mit der Höhenkaltluft für weitere Schauer, wobei
die externen Modelle deutlich mehr Regen bringen als ICON. Die in den Norden
gelangende Luftmasse weist in 850 hPa nur noch etwa -4°C auf, so dass es auf dem
Brocken sogar schon wieder etwas Schnee geben kann.

Wolkenauflockerungen gibt es in der Nacht nicht allzu viele. Mit der allmählich
kühleren Luftmasse sinkt aber das Temperaturniveau zumindest wieder in Richtung
jahreszeitgemäßer Verhältnisse. Mit Tiefstwerten zwischen 7 und 2°C bleibt es
aber überall noch frostfrei.

Am Dienstag... ist weiterhin Hochdruckeinfluss prägend. Der Trog im Norden zieht
nach Osten ab. Er schleppt einen schwachen Kurzwellentrog, der weit zurückhängt,
hinter sich her. Dieser überquert im Tagesverlauf Deutschland, hat aber keinen
prägenden Einfluss auf unser Wetter. Der höchste Druck im Süden wandert
allmählich etwas nach Osten, dennoch bleibt der Hochdruckeinfluss bis zum Abend
wetterbestimmend. Dies beschert weiten Landesteilen einen recht ruhigen Tag mit
schwachem bis mäßigem Südwestwind. Dabei soll sich die anfangs reichlich
vorhandene tiefe Bewölkung im Tagesverlauf auflockern. Die Kaltfront bleibt aber
weiterhin am Nordrand der Alpen hängen, so dass es vom südlichen Alpenvorland
bis in die Alpen hinein bis etwa 5 l/qm regnen kann. Da die Kaltluft nicht mehr
nennenswert vorankommt, sinkt auch die Schneefallgrenze in den Alpen kaum noch
weiter und die Talabfahrten werden immer grüner anstatt weißer.

Der Blick richtet sich wieder nach Westen, denn über dem Atlantik rauscht ein
neues Tiefdrucksystem heran, dessen erster Vorbote am Abend Schottland erreicht.
Dies lässt am Nachmittag über der Nordsee den Druck stark fallen, so dass ganz
im Nordwesten im Tagesverlauf der Wind aus Süd wieder deutlich auffrischt,
vielleicht reicht es dann zum Sonnenuntergang schon für erste steife Böen von
Borkum bis Sylt. Die Sonne wird aber gar nicht zu sehen sein, denn massive WLA
über der Nordsee sorgt für den Aufzug mehrschichtiger Bewölkung, die im Laufe
des Nachmittages schon über den ganzen Norden hinwegzieht. Niederschlag gibt es
aber dort zunächst noch nicht.

Die Temperatur steigt allgemein noch auf 5 bis 10°C, entlang des Rheins können
es noch einmal 12°C werden.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das oben erwähnte Schottlandtief weiter in die
nördliche Nordsee. Da sich ihm ein flott ziehender Trog von Westen her nähert,
ergibt sich zunehmend PVA und das Tief kann sich vertiefen. Unser Hoch zieht
sich dagegen allmählich auf den Balkan zurück. Damit fällt in allen Landesteilen
der Druck deutlich und vom Norden bis zur Mitte verstärkt sich der Gradient
massiv. Bis zum Morgen treten dann schon steife Böen aus Südwest bis ins
nordwestliche Binnenland hinein und an der Ostsee auf. An der Nordsee gibt es
zunehmend stürmische Böen und Sturmböen. Auch im höheren Bergland wird es in der
Nacht wieder stürmisch und auf dem Brocken treten erste orkanartige Böen auf.

Die Warmfront des Nordseetiefs überquert den Norden und Nordwesten Deutschlands
und bringt teils mäßige Regenfälle, so dass vom Emsland bis nach Mecklenburg
teils über 5 l/qm fallen können, in Schleswig-Holstein regional auch 10 bis 20
l/qm, wobei die Summen und die Regionalisierung durchaus von verschiedenen
Modelle noch etwas unterschiedlich gehandhabt werden. Über dem Süden ziehen
dagegen noch keine Wolken auf, bei den dortigen noch windschwachen Verhältnissen
könnte sich aber Hochnebel ausbreiten, was von allen vorliegenden Modellen
simuliert wird.

Die Tiefstwerte liegen im Süden um den Gefrierpunkt und damit gibt es dort
sensationellerweise wieder gebietsweise Frost. Im Nordwesten geht die Temperatur
nur auf 7°C zurück.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptische Lage wird von den vorliegenden Modellen einheitlich simuliert.
Beim Wind ergeben sich aber morgen durchaus Unterschiede bezüglich der stärksten
Böen von der Mitte bis zur Ostsee, wobei ICON am offensivsten ist. Auch in der
Nacht zum Mittwoch ist ICON offensiver als andere Modelle.
Beim Regen ist insbesondere GFS von heute Abend bis morgen Abend im Raum
Niederrhein/Emsland etwas offensiver und bringt teils 20 bis 30 l/qm. Dies wäre
in Anbetracht der dort in der Nacht zu Silvester gefallenen ebenso recht hohen
Mengen durchaus einer Warnung würdig. Allerdings sind sämtliche anderen Modelle
zurückhaltender, auch IFS ist zurückgerudert. Auch bis Mittwochfrüh sehen die
Niederschlagsfelder im Norden bei unterschiedlichen Modellen noch etwas
verschieden aus. Am Mittwoch könnte insbesondere Schleswig-Holstein von
Dauerregen betroffen sein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann