DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-07-2022 08:01
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 13.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa (Nordwest antizyklonal)

Heute von der Nordsee inaktive Kaltfront mit Windauffrischung im äußersten
Norden, Front bis zur Mitte vorankommend. Dort sowie im Süden am Donnerstag
vereinzelte Gewitter möglich, gleichzeitig im Norden (lokale elektrische)
Schauer. Vor allem an den Küsten ab heute Nachmittag windig.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... ist ein relativ flacher, von Südwesteuropa bis zur Ostsee reichender
Höhenrücken final damit beschäftigt, Deutschland ostwärts zu verlassen. Lange
wird es nicht mehr dauern und schon jetzt, am frühen Mittwochmorgen ist gut
erkennbar, dass die Höhenströmung dahinter beginnt zu zonalisieren. Wie so oft
wird der Rücken von WLA überlaufen, die sich im Norden und in der Mitte in Form
erstaunlich dichter hoher und mittelhoher Bewölkung oberhalb etwa 650 bis 600
hPa bemerkbar macht. In den Analysen kann sogar eine "heimatlose" Warmfront
(sagt man so, wenn die Front isoliert auftritt und keine Anbindung an ein
Frontensystem hat) finden. Hier und da fällt etwas Regen, allerdings ist die
Intensität überwiegend im Bereich der Homöopathie anzusetzen. Lediglich in der
Mitte zeigen sich immer mal wieder einzelne abgehobene Schauer, aus denen etwas
mehr Regen fällt. Ganz im Süden ist von dem Gewölk nichts oder nur wenig zu
spüren. Grund ist u.a. ein von UK/Irland über die Alpen bis hinüber zum Balkan
gerichteter Hochkeil. Es handelt sich um das ehemalige Hoch IOSIF bzw. das, was
davon noch übriggeblieben ist. Inzwischen hat sich nämlich ein neues Hoch über
dem nahen Atlantik positioniert (JÜRGEN), das quasi mit seinem Vorgänger
gemeinsame Sache macht.

Ansonsten geht der geschulte Meteorologenblick heute in Richtung Norden, wo sich
über Grönland und dem Europäischen Nordmeer ein veritabler Trogkomplex befindet.
Auf dessen Südflanke wird die Frontalzone relativ weit nach Süden gedrückt, was
schlussendlich auch bei uns zu der o.e. Zonalisierung der Höhenwinde führt. Fast
noch interessanter als das ist aber eine Kaltfront, die sich aktuell noch etwas
weiter im Nordwesten über der Nordsee aufhält. Sie ist Bestandteil des Tiefs
ANIJ (etwas unter 990 hPa), das heute dicht an Jan Mayen vorbei nach Norden
zieht. An der Front hatte sich in der Nacht ein flaches Wellentief gebildet
(BARBARA), wodurch sie in ihrer Progression etwas aufgehalten wurde. In den
nächsten Stunden zieht das Wellentief unter Intensivierung nach Skandinavien,
während die Front schon bald auf Nordwestdeutschland übergreift. In ihrem
Vorfeld bleibt es zunächst stark bewölkt bis bedeckt mit vereinzelt ein paar
Tropfen, bevor die Wolkendecke noch am Vormittag von der Nordsee her beginnt
aufzulockern. Vor allem die Inseln und die küstennahen Gebiete können sich dann
noch über einige Sonnenstunden freuen. Ansonsten gilt es den auffrischenden, von
Südwest auf West bis Nordwest drehenden Wind zu erwähnen. An der Ostsee und an
der schleswig-holsteinischen Nordseeküste erreicht er ab dem Nachmittag eher
vereinzelt, ab dem Abend dann häufiger in Böen Stärke 7 Bft. Und auch im
küstennahen Binnenland ist die eine oder andere steife Böe nicht ausgeschlossen
(auf dem Brocken, der allerdings nicht gerade küstennah positioniert ist, reicht
es mitunter sogar für stürmische Böen 8 Bft).

Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 28 bis 34°C im Süden und Südwesten,
sonst meist 25 bis 31°C (die von MOS-Mix für Teile der westlichen Mitte
angebotenen rund 33°C scheinen angesichts des höheren Wolkenanteils etwas zu
hoch gegriffen), rund um die Deutsche Bucht etwas darunter.

In der Nacht zum Donnerstag kommt die Kaltfront etwa bis zur nördlichen Mitte
voran, wobei sie - bezogen auf das Wetter - ihre bisherige Zurückhaltung
beibehält. Für mehr als ein paar wenige schwache Schauer an bzw. knapp vor der
Front dürfte es nicht reichen, was neben der bescheidenen Luftmasse (nicht
ausreichend labil genug) auch der Tageszeit sowie mangelnder Unterstützung aus
der Höhe geschuldet ist. In der postfrontal einfließenden subpolaren Meeresluft
(Rückgang T850 im äußersten Norden auf rund 5°C) lockert die Bewölkung vielfach
auf. Gleichzeitig wird KLA-bedingt ein neuer Hochkeil generiert, auf dessen
Nordostflanke ein solider Gradient erhalten bleibt. Folgerichtig weht vor allem
an der Ostsee weiterhin ein mäßiger bis frischer West-Nordwestwind mit Böen 7
Bft. Während es im norddeutschen Binnenland in frischer Luftmasse bei längerem
Aufklaren und einschlafendem Wind z.T. auf Werte um 10°C abkühlt, wird es in der
Warmluft im Süden teilweise nicht kühler als 18 oder 19°C, an einigen höher
gelegenen Orten sogar 20°C.

Donnerstag... greift ein flacher, dafür recht breit angelegter Höhentrog auf den
Vorhersageraum über. Dabei wird etwas Höhenkaltluft in den äußersten Norden
gespült (T500 um -20°C über rund +5°C auf 850 hPa), wodurch die subpolare
Luftmasse labilisiert und auch etwas CAPE aufgebaut wird. Fraglich ist, ob die
in den Prognosesoundings simulierte kleine Sperrschicht bei etwa 600 hPa
geknackt werden kann. Aber auch so wird es für einige Schauer reichen und man
sollte nicht aus allen Wolken fallen, wenn vereinzelt mal eine elektrische
Entladung registriert wird. Weit sicherer als potenzielle Gewitter ist im
äußersten Norden der nach wie vor flotte West-Nordwestwind, der in einem
Streifen von der schleswig-holsteinischen Nordseeküste bis hinüber nach
Vorpommern mit Böen 7 Bft, an der Ostsee exponiert vielleicht sogar 8 Bft
aufwartet.

Elektrische Entladungen respektive Gewitter können auch weiter südlich
auftreten, wo die Kaltfront sich mit Mühe über den zentralen Mittelgebirgsraum
zur südlichen Mitte schleppt. Die präfrontale Warmluft wird von der unteren
Troposphäre her zunehmend labilisiert (Anstieg T850 auf Werte um oder etwas über
20°C südlich der Donau), darüber hinaus zeigt sich im unmittelbaren Frontvorfeld
eine Feuchteakkumulation. Es wird etwas CAPE generiert, die z.T. zwar gedeckelt
ist. Trotzdem ist es gut möglich, dass mit Unterstützung der Orografie
vornehmlich im zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum sowie in Teilen Bayerns
und BaWüs einzelne Gewitter ausgelöst werden, die aufgrund einigermaßen
passabler Scherungsbedingungen sogar als markant durchgehen können (weniger
wegen Starkregen als vielmehr durch Böen 8, worst case 9 Bft (inverse
V-Struktur)). Um Missverständnissen vorzubeugen, Schauer und Gewitter markieren
eher die Ausnahme als die Regel, die weiterhin durch "Niederschlagsfreiheit" und
Trockenheit geprägt ist.

Noch ein paar Bemerkungen zu Bewölkung, Sonne und Temperatur. Im Süden, also in
weiten Teilen Bayerns und BaWüs scheint die Sonne häufig, während die
Wolkenanteile zur (östlichen) Mitte hin, also im Frontbereich, zunehmen. Noch
etwas weiter nördlich schließt sich ein weiterer sonnenscheinreicher Streifen
an, der etwa von NRW bis hinüber nach BB und in den Berliner Raum reicht. Hier
greift kompensatorisches Absinken zwischen der (prä)frontalen Hebung und der
trog- bzw. höhenkaltluftbedingten Hebung im Norden, wo sich ein klassisch
wechselhafter Wolkencharakter einstellt. Bemerkenswerter als die
Wolkenverteilung ist das kräftige Süd-Nord-Gefälle der Temperatur, das am Abend
auf 850 hPa bei ca. 17 Grad liegt (4°C über Westerland stehen 21°C über Bad Tölz
gegenüber). Von daher verwundert es nicht, dass auch in zwei Meter Höhe die
Spanne riesig ist. Während im südlichen Oberrheingraben 34 oder gar 35°C
angesteuert werden, reicht es direkt an der Nordsee meist nicht mal für 20°C.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der breite Trog langsam gen Osten und die
Luftmasse beginnt von Westen her zu stabilisieren. Gleichwohl muss gerade in
Küstennähe noch mit dem einen oder anderen Schauer gerechnet werden. Derweil
macht die Kaltfront im Süden weiteren Boden in Richtung Alpen gut, bis zum
Morgen geht T850 im Alpenvorland um rund 10 Grad zurück. In Verbindung mit der
Frontpassage kommt es in Teilen Bayerns zu Schauern bzw. zeitweiligen
Regenfällen, die zumindest punktuell mal 5 l/m² oder etwas mehr in die Töpfe
bringen können. Die Gewitterbereitschaft hingegen nimmt tagesgangbedingt alsbald
ab. Bedingt durch eine Bodentrogpassage über Südskandinavien legt der
West-Nordwestwind an der Ostsee, bedingt auch an der Nordsee (SH) noch etwas zu
mit Böen 7-8 Bft. Mit 16 bis 8°C werden die Nachttemperaturen allgemein wieder
angenehmer, einzig im äußersten Süden könnte es noch etwas wärmer bleiben.


Freitag... stellt sich vorübergehend eine relativ glatte west-nordwestliche
Höhenströmung ein. Darunter verstärkt sich der Hochkeil geringfügig bzw. weitet
sich etwas nach Osten aus, während sich der Hochschwerpunkt (immer noch JÜRGEN)
langsam gen UK/Irland verlagert. Die Kaltfront, die mittlerweile die Alpen
erreicht hat, dürfte vor allem inneralpin noch für konvektive Umlagerungen
sorgen, was einzelne Schauer am deutschen Alpenrand aber nicht ausschließt.
Ansonsten scheint aber in der Südhälfte die Sonne von einem meist nur locker
bewölkten Himmel. Mit 24 bis 29°C, an Hoch- und Oberrhein lokal 30°C wird es
nicht mehr so heiß wie an den Vortagen.

Von der Süd- in die Nordhälfte, wo der Tag nicht nur wolkiger, sondern mit 18
bis 25°C auch kühler verläuft. Schauer sind eher selten, auch nicht besonders
ausgeprägt und am ehesten in Küstennähe anzutreffen. Der geringfügig auf
westliche Richtungen rückdrehende Wind lässt im Tagesverlauf vorübergehend nach,
wobei aber an der Ostsee sowie im küstennahen Binnenland (Vorpommern) bis in den
Nachmittag hinein 7er-Böen auftreten können.

In der Nacht zum Samstag erreicht ein weiterer Randtrog von der Nordsee und
Südskandinavien her Norddeutschland. Er macht gemeinsame Sache mit einem
Bodentrog, was nicht nur eine deutlich zunehmende Schauerneigung (inkl. kurzer
Kaltluftgewitter), sondern auch einen böig auffrischenden, nun wieder
rechtdrehenden Wind zur Folge hat. An den Küsten wird es stürmisch mit Böen 8
Bft, exponiert vielleicht 9 Bft. Weit beschaulicher verläuft die Nacht im Süden
und in großen Teilen der Mitte unter der Obhut des nach wie vor präsenten
Hochkeils. Windstille gepaart mit Wolkenarmut sorgen in der eingeflossenen
subpolaren Luftmasse für eine anständige Abkühlungsrate, die z.T. erst im
einstelligen Temperaturbereich um 8°C endet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung ist unstrittig und wird von keinem der an dieser
Stelle für gewöhnlich begutachteten Modelle angezweifelt. Dass es trotzdem
Unschärfen und kleinere Diskrepanzen gibt, gehört zum Tagesgeschäft. In diesem
Zusammenhang interessiert natürlich besonders die Frage, was am morgigen
Donnerstag konvektiv so geht. Hier agieren die meisten Modelle in der
Wetterinterpretation recht zurückhaltend, was angesichts der simulierten
Vertikalprofile nicht ganz einleuchtet. Mehr als Abwarten und die Möglichkeit,
die Gewitter in den Warnlageberichten anzusprechen, ist aus jetziger Sicht nicht
möglich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann