DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-06-2022 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.06.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Dienstag im Süden, Südosten und Osten teils kräftige Schauer
und Gewitter, lokal Unwetter. Am Dienstag im Süden neue Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befinden wir uns zwischen einem weit bis ins Nordmeer aufgewölbten
Rücken und einem Trog, der sich von Grönland bis zu Britischen Inseln sowie bis
nach Frankreich und bis zur Iberischen Halbinsel erstreckt. Deutschland liegt
trogvorderseitig in einer südwestlichen Strömung. Im Langwellentrog lassen sich
ein Randtrog über der südwestlichen Nordsee sowie ein Höhentief, das derzeit
über dem Norden Spaniens abtropft, ausmachen.
Bodennah liegt eine wellende Kaltfront, die zum Tief REBECCA II über dem
Nordmeer gehört, von Nord nach Süd über der Mitte Deutschlands. Sie trennt
feuchtwarme bzw. -heiße Luft östlich davon (T850 hPa zwischen 10 und 20 Grad)
von deutlich kühlerer (T850 hPa zwischen 7 und 10 Grad) westlich davon.
Die feuchtwarme Luftmasse ist im Osten und Südosten bei Lapse Rates bis zu -0,75
K/100 m aktuell ausreichend labil, wobei zunächst auch noch bis fast 2000 J/kg
ML-CAPE simuliert werden. Tagsüber fehlten jedoch dynamische Impulse, weshalb
Konvektion bisher nur lokal in Gang gekommen ist.
Ab den Abendstunden ändert sich das allerdings. Durch den die südwestliche
Nordsee erreichenden Randtrog verstärkt sich die PVA, was zunächst im Süden und
Südosten, in der zweiten Nachthälfte im Osten vermehrt Schauer und Gewitter
aufkommen lässt.
Bei PPW's von 38 bis 44 mm steht sehr viel Feuchtigkeit zur Verfügung, was die
Modelle bei nicht unbedingt schnell ziehenden Zellen in Starkregen bis in den
Unwetterbereich ummünzen. Durch Verclusterung der Gewitter kann dieser auch
mehrstündig fallen. Das ICON-D2-EPS liefert zunächst bis zu 40%
Wahrscheinlichkeit für mehr als 25 l/qm in einer Stunde im südlichen
Baden-Württemberg und im südöstlichen Bayern, in der zweiten Nachthälfte im
südlichen Sachsen sogar bis zu 60%.
Zudem sind anfangs den Modellen zufolge im Süden noch schwere Sturmböen um 100
km/h (Bft 10) möglich, wenn bei Gewitterbildung DLS von 15 bis 25 m/s angezeigt
wird, die Hodographen zum Teil rechtsgedreht sind und sich mögliche Superzellen
ausbilden. Scherung und CAPE machen anfangs auch größeren Hagel um 3 cm denkbar.

Aufgrund der möglichen unwetterartigen Erscheinungen wurde für den Süden und
Südosten bzw. Teile Sachsens eine Vorabinformation für schwere Gewitter
herausgegeben, erste kräftigere Entwicklungen gibt es bereits.
In den ersten Nachtstunden lässt die Unwettergefahr bezüglich Wind und Hagel
bald aber auch nach, da bei nachlassender Labilität MU-CAPE langsam schwindet.
Folglich liegt der Fokus dann mehr und mehr auf dem Starkregen, der sich in der
zweiten Nachthälfte in den Osten verlagert.
In den anderen Gebieten lockern die Wolken dagegen auf, weil sich postfrontal
von Westen her ein Keil des Azorenhochs hereinschiebt. Dieser Keil wurde bereits
auf den Namen GABOR getauft.
Während es dabei meist trocken bleibt, sind im Nordwesten (Niedersachsen,
Schleswig-Holstein) noch ein paar Schauer oder anfangs auch Gewitter unterwegs,
die sich aus Hebung des Randtrogs speisen. Er schwenkt im Nachtverlauf von der
südwestlichen Nordsee bis nach Dänemark durch, sodass die Schauer immer seltener
werden.
Die Tiefsttemperaturen liegen 18 und 12 Grad im Osten und zwischen 13 und 8 Grad
sonst, in der Eifel teils bei 5 Grad.

Dienstag ... zieht der Randtrog über Dänemark endgültig ab, zugleich macht sich
das Höhentief von Nordspanien auf dem Weg über den Löwengolf nach Norditalien.
Dazwischen ist die immer noch südwestliche Höhenströmung vorübergehend
antizyklonal gekrümmt, woraufhin sich über Norddeutschland der Azorenhochkeil
GABOR als eigene Hochzelle abspaltet. Die über dem Osten liegende Tiefdruckrinne
hat sich bereits am Morgen nach Osten verabschiedet.
So geht es in einen häufig heiteren Tag ohne nennenswerte Niederschläge hinein,
im Süden sind die Wolken in etwas feuchterer Luft zum Teil dichter.
Mit Annäherung des Höhentiefs setzt am Nachmittag im Süden Druckfall ein, der
laut den Modellen letztlich zur Ausbildung eines Leetiefs führt.
So bilden sich nachmittags aus den Alpen heraus Schauer und Gewitter, die auf
den Süden übergreifen und etwa bis zur Donaulinie vorankommen. Allerdings
herrscht in der Modellwelt Uneinigkeit, was die räumliche Ausbreitung und
Verteilung angeht. So sind nördlichere Ausbreitungsvarianten genauso möglich wie
Schwerpunkte vor allem in Baden-Württemberg und/oder in Bayern.
Von den Gewitterparametern herrschen die besten Bedingungen im Südosten Bayerns
mit CAPE-Werten bis 1300 J/kg, ein wenig Scherung und PPW's bis 40 mm. Dort wird
aber auch der stärkste Deckel (hohe CIN-Werte) gerechnet. Sollte der Deckel
durchbrochen werden, sind Starkregen, Sturmböen und Hagel möglich, lokal
bezüglich Starkregen und Hagel bis in den Unwetterbereich.
In Baden-Württemberg werden hingegen die meisten konvektiven Signale gezeigt,
dort steht jedoch kaum CAPE zur Verfügung, was auf zum Teil unelektronische
Schauer hindeutet. Bei PPW's bis 38 mm ist dort ebenfalls Starkregen denkbar.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus unterschiedlichen Richtungen.
Die Höchstwerte liegen zwischen 21 Grad an der See und 29 Grad im Binnenland.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Höhentief über die Alpen hinweg in den Süden
Baden-Württembergs. Das Leetief über Süddeutschland verlagert sich daraufhin in
die Mitte Deutschlands. Im Norden überwiegt noch der Einfluss des Hochs GABOR,
das sich nach Skandinavien zurückzieht.
Mit dieser Entwicklung breiten sich Schauer und Gewitter bis in die Mitte aus,
die Modelle legen allerdings deutlich unterschiedliche Schwerpunkte der
stärksten Niederschläge. Bei ICON-D2 beispielsweise zieht das Maximum über
Baden-Württemberg nach Hessen, beim EZMW gibt es nur ausgangs der Nacht ein
Maximum über Sachsen. Vieles wird wohl auf die genaue Geometrie des Höhentiefs
ankommen und die Steuerung des Leetiefs nach Norden.
Von den Begleiterscheinungen ist bei PPW's von 30 bis 41 mm primär der
Starkregen zu nennen, der lokal unwetterartig ausfallen kann. Scherung und CAPE
gibt es vornehmlich in der östlichen Mitte und im Südosten, sodass dort auch
Hagel und Sturmböen auf den Plan treten.
In der norddeutschen Tiefebene bringt der Hochdruckeinfluss dagegen eine locker
bewölkte Nacht, in der es trocken bleibt.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 und 9 Grad, in der Eifel bei 7 Grad.

Mittwoch ... wandert das Höhentief von Süddeutschland ins westliche Sachsen,
wobei es sich durch Angliederung zum sich regenerierenden Langwellentrog über
den Britischen Inseln zum Randtrog umwandelt. Das flache Tief über der Mitte
Deutschlands wird damit in den Nordosten gedrückt.
Zwar zeigen die Modelle dieses flache Tief auf recht ähnlicher Zugbahn,
weiterhin gibt es aber größere Diskrepanz hinsichtlich der räumlichen Verteilung
der Niederschläge.
Die PPW's betragen von der Mitte bis in den Osten und Südosten 30 bis 45 mm, was
wieder den Starkregen in den Vordergrund rückt. CAPE ist mit Werten bis 2000
J/kg vor allem im Südosten vorhanden, Scherung dagegen im Nordosten. Die
Labilität ist allgemein eher schwach ausgeprägt und erreicht nur im Osten Lapse
Rates bis -0,65 K/100 m.
Hagel und Sturmböen müssen aufgrund der Werte mit eingeplant werden, auch wenn
die Überlappung der Zutaten nicht stimmig ist.
Im Westen deutet sich eine geringere Niederschlagsneigung auf der westlichen
Flanke des Leetiefs an, weil dort etwas trockenere Luft nach Süden strömt.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus unterschiedlichen Richtungen.
Die Höchsttemperaturen liegen erneut zwischen 21 Grad an der See und bis 29 Grad
im Binnenland.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Randtrog zur westlichen Ostsee durch
und führt das flache Tief in den Skagerrak. Nachfolgend wird die südwestliche
Strömung wieder ein wenig antizyklonaler, sodass von Süden her der Druck steigt.

Schauer und Gewitter verlagern sich mehr und mehr in den Nordosten, allerdings
ist das Timing der Modelle unterschiedlich. UK10 und EZMW beispielsweise bringen
bis in den Morgen Niederschläge, bei den deutschen Modelle sind sie dann schon
nordostwärts abgezogen.
Die PPW's sind weiterhin hoch und Scherung ist ebenfalls vorhanden, CAPE
hingegen nicht. So ist abermals der Starkregen das Hauptthema. Sturmböen und
Hagel können jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen werden.
In den anderen Landesteilen lockern die Wolken unter zunehmenden
Hochdruckeinfluss auf und es bleibt meist trocken. Lokal kann es flache
Nebelfelder geben.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 19 und 12 Grad, in der Eifel bei bis 8
Grad.

Donnerstag ... verbleiben wir auf der Vorderseite des Langwellentrog, wobei die
Strömung leicht auf Südsüdwest rückdreht und wieder sehr warme bis heiße Luft
(T850 hPa 12 bis 20 Grad) angezapft wird. Zunächst ist diese aber auch trocken.
Von Westen rückt uns dann jedoch eine Kaltfront auf die Pelle, sie gehört zu
einem Tief bei den Britischen Inseln. Damit gelangen in den Westen präfrontal
wieder feuchtere Luftmassen, womit die Schauer- und Gewitteraktivität erneut
zunimmt.
Bei PPW's bis 40 mm ist erneut Starkregen einzukalkulieren. CAPE erreicht etwa
bis 1500 J/kg, was größeren Hagel möglich macht. Oberwinde hingegen sind
schwach, sodass Wind wohl nur eine untergeordnete Rolle spielt.
In den anderen Landesteilen ist es unter Hochdruckeinfluss meist trocken. An den
Alpen ist lokal ein Gewitter nicht ausgeschlossen.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus unterschiedlichen Richtungen
Die Temperatur erreicht 26 bis 32 Grad, an der See bleibt es etwas kühler.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren nur anfangs harmonisch, spätestens ab morgen nehmen die
Unterschiede immer mehr zu. Ob und wann dann Vorabinformationen notwendig
werden, kann daher erst zeitnah beurteilt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler