DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 18.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW a

Nachts im Norden Starkregen, sowie vereinzelt Gewitter. Auch am Sonntag einzelne
starke Gewitter, Unwetter nicht ausgeschlossen. Dafür aber außer im Norden
teilweise sehr heiß mit bis zu 38°C.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegen wir unter einer schwachen, leicht antizyklonal konturierten
west-südwestlichen Höhenströmung im Bereich schwacher Luftdruckgegensätze am
Boden, wobei sich dort eine schwache Rinne über der Landesmitte formiert.
Ausgelöst werden die Höhenwinde durch einen Höhenrücken, der vom westlichen
Mittelmeer zu uns nach Mitteleuropa weist und einem Trog über dem Nordmeer, der
von dort aus Kontakt hält zu einem Höhentief knapp westlich der Iberischen
Halbinsel. Auf dessen Vorderseite wird afrikanische Heißluft über Spanien und
Frankreich nach Deutschland geschaufelt, sodass bis zum Abend die Temperatur in
850 hPa im Süden und in der Mitte auf rund 20°C oder etwas darüber ansteigen.
Entsprechend erhitzt sich die Luft verbreitet auf 30 bis 36°C, nach Südwesten
hin laut Mos gar bis auf 37 bis 39°C.
Ob dann wirklich Temperaturrekorde fallen, muss aber noch abgewartet werden. Es
wird nämlich auch Saharastaub zu uns verfrachtet, der zum einen die Einstrahlung
dämpfen kann, zum anderen wäre auch Cirrus möglich, der bislang nicht oder
dünner simuliert wird. Dazu wird die Luftmasse immer labiler, allerdings mangelt
es deutlich an atmosphärischem Wasserdampf, so dass konvektiv zunächst nichts zu
befürchten ist.

In Norddeutschland kommt die Heißluft nicht wirklich an. Stattdessen baut sich
ein bemerkenswerter Temperaturgradient mit extrem hoher Baroklinität auf. Über
Dänemark strömt schon kühle Luft ein mit weniger als 5°C in 850 hPa, über
Südniedersachsen stehen die 20°C an. Die entsprechende Kaltfront dürfte langsam
von Norden her übergreifen und mit einem Wolkenband abends auch etwas Regen die
küstennahen Bereiche und Schleswig-Holstein überdecken. Allerdings wird sie
bodennah von schwachen bis mäßigen Nordwestwinden "unterlaufen", die nach Süden
vorauseilen und bis auf eine Linie vom Emsland bis nach Vorpommern eine Art
"kühlen Fuß" generieren. Die Höchstwerte bleiben dort unter 30°C, ganz im Norden
unter 25°C und direkt an der Nordsee mit auflandiger Windkomponente unter 20°C.

Die damit verbundene Stabilisierung der Atmosphäre führt auch dazu, dass trotz
steigender Feuchte, PPW um 35 mm, hoher Scherung und aufkommender Helizität
konvektiv auch im Norden nicht viel geht.

In der Nacht zum Sonntag wird die Kaltfront im Norden aktiviert, da der Trog in
die Nordsee vorankommt und sich in der Rinne mehrere kleine Tiefdruckgebiete
bilden können, die mit verstärkter Hebung auf den Frontbereich ausgreifen
können.
Bei weiter steigender Baroklinität fällt im Norden gebietsweise kräftiger,
schauerartig verstärkter Regen, der im ICON, IFS um 30 mm in 6 Stunden bringen
kann. In den Prognosetemps über dem Norden zeigt sich zudem ein Elevated Mixed
Layer, eine abgehobene Labilitätsschicht, in der einige hundert Joule pro
Kilogramm MU-CAPE generiert werden, im ICON D2 bis 700 J/kg. Von unten lässt
sich damit nichts anfangen, die aufkommende dynamische Hebung kann aus der
Labilität dann aber eingelagerte Gewitter machen. Sollten diese auftreten wären
Starkregen, Hagel und Sturmböen möglich.

Weiter im Süden passiert nicht viel. Selbst entlang der Achse der Rinne frischt
lediglich der Wind zeitweise stärker auf mit Böen Bft 7 bis 8 vor allem im
Bergland. Vor allem im Süden und über der Mitte bleibt die Nacht warm mit
gebietsweise mehr als 20°C.


Sonntag... schwenkt der Troganteil über der Nordsee etwas weiter nach Südosten,
während das Höhentief über der Biskaya fast ortsfest bleibt. Die Höhenströmung
ändert sich nur wenig, trotzdem kommt die Kaltfront etwas südwärts voran, da
sich die Bodenrinne etwas in den Süden verschiebt und die eingelagerten
Tiefkerne ostwärts abziehen.
An bzw. rückseitig der Front (Stichwort Anacharakter) kommt es im Norden
zunächst zu zeitweiligen Regenfällen, die aber nicht mehr an die Intensität der
Nacht erreichen. Und ob es noch für eingelagerte Gewitter reicht, ist fraglich,
aber auch nicht ausgeschlossen.
Eher treten Gewitter präfrontal auf. Eventuell vormittags und mittags von
Benelux in den Nordwesten und Westen hereinziehend, dann auch über der Mitte, im
Bereich der Bodentiefdruckrinne, wo immerhin CAPE-Werte von über 1000 J/kg
angeboten werden. Damit diese in Gewitter umgesetzt werden können, bedarf es
aber der Mithilfe der Orografie und die Numerik ist sich dahingehend einig, dass
es nur für vereinzelte Überentwicklungen reicht. Wenn´s kracht, dann sind neben
Starkregen und Hagel auch (schwere) Sturmböen drin, weil die Grundschicht
trocken ist und über eine inverse V-Struktur verfügt. Im Süden sollten sich
dagegen konvektiv weiter fast nichts tun, bestenfalls im Alpenraum und über dem
Bergland im Südwesten kann es mal für vereinzelte (starke) Gewitter reichen.

Während im Norden und Westen der Wolkenanteil erhöht ist, scheint im großen Rest
der Republik verbreitet die Sonne. Dabei wird es erneut heiß mit ähnlichen
Spitzen wie am Vortag bis zu 38°C, während unter den Wolken im Nordwesten selbst
die 20°C nicht mehr überschritten werden.
Bei Passage der Rinne und Winddrehung auf Nordwesten frischt derselbe stark auf
mit Böen der Stärke 6 bis 7, im Bergland Bft 8.

In der Nacht zum Montag erreicht der Trog Dänemark, was mit einer Aktivierung
der Kaltfront verbunden ist. Wo genau sie dann liegt, ist unsicher,
voraussichtlich vom Südwesten in die östliche Mitte. Auch kann sich erneut ein
Tief in der Rinne bilden, dass über den Süden nach Osten bis Nordosten zieht.
Alle Modelle reagieren dann aber mit einer deutlich erhöhten Wetteraktivität in
Form schauerartiger Regenfälle und eingelagerter teils kräftiger Gewitter in
einem Streifen vom Saarland und Rheinland-Pfalz bis Thüringen und Sachsen.
Eventuell greifen diese aber auch weiter nach Norden aus.
Weitgehend ausgenommen davon sollten noch der Süden sein, wo nur einzelne starke
Gewitter aufziehen sowie größere Teile Nord- und Nordwestdeutschlands
(Rückseite) sein.


Montag... zieht der Trog über Norddeutschland mit Schauern und einzelnen
Gewittern hinweg. Diese besitzen aber in kühler Luft keinen Unwettercharakter
mehr und sind höchstens der Marke gelb bis ocker durch eventuell stürmische Böen
oder Starkregen. Die Rinne mit eingelagerter Kaltfront wird nach Süddeutschland
geführt. Die (Stark-) Regenfälle und einzelnen Gewitter, die sich frontal und
auf die Trogvorderseite fokussieren, ziehen über die Mitte im Tagesverlauf
ostwärts ab, mit welchem Timing und wo genau ist unsicher und tagsüber beruhigt
sich das Wetter in der einfließenden kühleren und stabileren Luftmasse deutlich.


Lediglich im Süden halten sich Reste der instabilen Warmluft, in der es tagsüber
wieder zu brodeln anfängt und sich einzelne Schauer und Gewitter mit
Unwetterpotential bilden. Die Luftmasse bleibt feucht, hochreichend geschert,
mangels Dynamik im Süden dürfte die Auslöse aber nach wie vor vom Bergland
ausgehen. Auch die zuvor schon einsetzende Kaltluftadvektion sollte einerseits
die Gewitter etwas dämpfen, zum anderen ist auch die große Hitze im Süden nicht
mehr zu erwarten. Gebietsweise sind dort noch 28 bis 32°C auf der Karte, während
es über Norddeutschland meist schon nicht mehr für 20°C langt.
Dazu frischt der West- bis Nordwestwind im Norden zeitweise kräftig auf mit 7er
Böen, an der See eventuell exponiert Bft 8. Aber auch auf der Rückseite des
abziehenden Tiefs und an der Kaltfront sind im Südosten steife Böen, im Bergland
stürmische Böen nicht ausgeschlossen.

In der Nacht zum Dienstag zieht der Trog über den Osten ab und wir gelangen
unter die Vorderseite eines Höhenrückens über Frankreich unter leichtes
Absinken, was auch eine schwache Hochdruckzone über Deutschland stützt. Die
letzten Schauer und Gewitter im Südosten klingen ab und auch die Konvektion über
dem Nordosten ist bald vorbei. Auch der anfangs kräftige Wind an der Ostsee und
im Südosten flaut ab.
Dazu kühlt die Luft teilweise auf einstellige Werte ab, vor allem im Norden und
der Mitte, wogegen im Südwesten, wo sich die warme Luft hält, Minima um 15°C
erwartet werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Strukturen sehen in allen Modellen ähnlich aus. Dennoch werden
Details unterschiedlich simuliert. Hinweise auf markanten Starkregen im Norden
haben etliche Modelle im Programm, Warnungen sollten aber in situ erfolgen,
zumal die Mengen wohl nicht unwetterartig werden. Was die Gewitter angeht, kann
eine defensive Strategie verfolgt werden. Ob es im Norden nachts überhaupt
zündet, ist fraglich. Der Deckel ist stark und es müsste schon enorme Hebung da
sein, um diesen zu sprengen. Auch der Sonntag geht in der trockenen Heißluft und
mangels Dynamik gewitterarm über die Bühne, einzelne Unwetter sind natürlich
möglich, eine Vorabinfo brauchen wir dafür aber nicht.
Die stärksten Hinweise auf aktives Wetter gibt es für die Nacht zum Montag; da
spricht die Tageszeit aber gegen großflächige Unwetter.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner