DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-05-2022 17:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.05.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin kühle Troglage mit Schauern und einzelnen Gewittern, ab Sonntag aber
nicht mehr so windig.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unterhalb eines breiten Höhentrogs, der
sich von Nord- bis nach Mitteleuropa erstreckt. Auf seiner Westflanke laufen
immer wieder kurzwellige Anteile vom Europäischen Nordmeer süd-südostwärts ab,
die den Haupttrog nicht nur am Leben, sondern auch vor Ort halten. Über
Westdeutschland etabliert sich sogar ein eigenständiges Drehzentrum, das mit
einem abgeschlossenen Kaltluftkörper korrespondiert (T500 um -27°C). Dadurch
bleibt die eingeflossene maritime Polarluft (T850 im Norden und in der Mitte um
0°C, im Süden etwas darüber) ausreichend labil geschichtet, um auch zur
ungünstigen Tageszeit den einen oder anderen Schauer, vielleicht sogar ein
kurzes Gewitter vornehmlich im Norden und Westen sowie in der westlichen Mitte
zu initiieren.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass der Gradient zwischen Hoch BURKHART mit
Zentrum unweit von Island (knapp über 1030 hPa) und Tiefkomplex HANNAH über
Fennoskandien immer weiter aufweicht (Druckanstieg im Nordosten, Druckfall im
Südwesten). Entsprechend geht der nordwestliche Wind mehr und mehr in die Knie,
einzig an der Nordsee bleibt er mit Passage eines flachen Bodentroges noch
längere Zeit mobil mit Böen 7 Bft, anfangs exponiert 8 Bft.
In der Mitte und im Süden geht die Temperatur vielerorts auf rund 5°C oder noch
darunter zurück. Bei längerem Aufklaren droht in ungünstigen Lagen leichter
Frost in Bodennähe.

Sonntag ... verlagert sich das Drehzentrum des Höhentrogs langsam über die Mitte
gen Osten, während gleichzeitig ein weiterer Randtrog von der westlichen Nordsee
her Südengland bzw. den Ärmelkanal ansteuert. Unter dem Strich bleibt uns die
Troglage mit hochreichender und unterschiedlich labil geschichteter Polarluft
erhalten. Bei 850-hPa-Temperaturen von 0 bis +3°C befindet sich die
höhenkälteste Luft über der Südhälfte (T500 um -28°C), entsprechend steil fallen
dort auch die Lapse-Rates aus. Zwar ist der Wasserdampfgehalt der Luftmasse
nicht besonders hoch (PPW meist unter 15 mm, spezifische Grundschichtfeuchte
meist unter 5 g/kg). Trotzdem wird etwas CAPE angeboten, das in Schauer und
spätestens am Nachmittag dann auch in einzelne Gewitter umgesetzt werden kann.
Neben dem Tagesgang kommt dabei auch etwas PVA an der SO-Flanke des elliptisch
konfigurierten Höhentiefs als Trigger ins Spiel. Da die Zellen aufgrund
fehlender respektive schwacher Höhenwinde weder schnell ziehen noch vor Wasser
triefen, ist in der Basis von gelben Warnungen auszugehen. In und an den Alpen
sinkt die Schneefallgrenze in den Schauern je nach Intensität auf etwas unter
2000 m, bei einer Nullgradgrenze nahe 2000 m wahrscheinlich aber nur schwerlich
auf 1500 m. Hinzu kommen ein Ende Mai sehr gut ausgeprägter Bodenwärmestrom
sowie entsprechende Gegenstrahlung, so dass unterhalb von 2000 m eigentlich
nicht viel Schnee und dieser auch nicht allzu lange liegenbleiben dürfte. Somit
ist die ausgegebene Schneefallwarnung für morgen Nachmittag als reine
Vorsichtsmaßnahme nach dem Motto "Wanderer aufgepasst, wenn ihr euch deutlich
aus dem Tal nach oben entfernt" aufzufassen.

Gleiches gilt übrigens für den großen Rest des Landes (Mitte/Norden), wo die
Luft zwar weniger labil, dafür aber etwas feuchter ist. Dass ICON-D2-EPS die
Gefahr von Starkregen signalisiert (Nordosten und Süden punktuell bis zu 30 oder
40%), sollte nicht überbewertet werden. Wir sprechen hier nach wie vor von
Kaltluftgewittern respektive gewittrigen Schauern, also, Ball flach halten.
Flach gehalten wird ab morgen auch der Wind, der aus warntechnischer Perspektive
keine Rolle mehr spielt, wenn die letzten morgendlichen 7er-Böen an der
Deutschen Bucht das Zeitliche gesegnet haben. In puncto Sonne dürfte die
Ausbeute von BaWü bzw. dem Saarland und der Pfalz bis hinüber nach Sachsen trotz
einiger Wolken im landesweiten Vergleich am besten ausfallen. In puncto
Temperatur hingegen ist überall Unterdurchschnitt angesagt. Maxima von 12 bis
18°C sind Ende Mai zwar immer mal wieder drin, vor dem Hintergrund des
meteorologischen Sommerbeginns am kommenden Mittwoch aber alles andere als eine
Offenbarung.

Das gilt übrigens auch für die Nacht zum Montag, die wieder ziemlich frisch
ausfällt. Zweistellige Tiefstwerte nahe 10°C treten allenfalls direkt am Meer
auf, ansonsten geht´s runter in den einstelligen Bereich. Im Süden und in
einigen Mittelgebirgssenken ist lokal sogar leichter Luftfrost denkbar.
Ansonsten verlagert das Höhentief sein Drehzentrum in den Nordosten des Landes,
von wo aus es insbesondere in der Nordhälfte einige, vereinzelt gewittrige
Schauer induziert. Aufgrund hoher Frequentierung bei gleichzeitig geringer
Zuggeschwindigkeit können sich in MV durchaus 5 bis 10, lokal evtl. sogar um 15
l/m² Niederschlag innert 12 h akkumulieren.

Montag ... lässt der Höhentrog einfach nicht locker. Zwar wandert das o.e.
Drehzentrum in Richtung Nordosten ab. Es bleibt aber ein nach Südwesten
zurückhängendes Trogresiduum übrig, in dem sich möglicherweise ein neues kleines
Höhentief bildet. Zu allem Überfluss eiert auch noch ein weiteres Höhentief von
der Norwegischen See gen UK, was dem gesamten Trogkomplex ein nicht alltägliches
Aussehen beschert.

Aussehen hin, Alltag her, Fakt ist, dass auch zu Beginn der neuen Woche noch
kein Luftmassenwechsel erfolgt. Wie auch angesichts einer völlig antriebslosen,
amorph anmutenden Druckverteilung und vollkommen schlaffen Höhenwinden.
Lediglich im äußersten Süden, quasi am Südrand des Troges, wird
niedertroposphärisch etwas mildere Luft (T850 am Abend um 7°C, sonst meist 1 bis
4°C) advehiert. Die Labilität bleibt erhalten, wobei das Maximum vom Südwesten
bis in den Osten verläuft. Dort werden etwas CAPE und entsprechend auch die
meisten Gewitter simuliert. Da weiterhin wenig Zug vorhanden ist, auf der
anderen Seite die Luft aber etwas feuchter wird (PPW nach Osten hin lokal an die
20 mm), ist punktueller Starkregen in Verbindung mit den Gewittern nicht ganz
von der Hand zu weisen. Dagegen deutet sich mit Annäherung eines schwachen
Rückens - er trennt unser Trogresiduum vom neuen "Ei" über UK - im Westen und
Nordwesten ein Minimum konvektiver Aktivität an.

Den meisten Sonnenschein gibt es im Süden und Südwesten, wo es mit bis zu 20°C
am Oberrhein auch am wärmsten wird. Weit weniger wirksam hingegen die sonnigen
Abschnitte an der Nordsee, wo sich Urlauber und Einheimische mit rund 13/14°C
begnügen müssen. Der große Rest des Landes kommt bei unterschiedlichen
Bewölkungsverhältnissen auf eine Spanne von 14 bis 18°C.

In der Nacht zum Dienstag rückt der Rücken weiter nach Osten vor, was uns
geopotenziell zwischen die Drehzentren über UK und der Ostsee bringt. Mit
Unterstützung des Tagesgangs resultiert daraus ein rasches Abebben der Schauer-
und Gewitteraktivität, außerdem lockert die Bewölkung vielerorts auf. Dabei
droht abermals eine sehr unterkühlte Nacht, in der die Temperatur in einigen
Mittelgebirgsmulden und -senken auf nahe 0°C zurückgeht. Frost in Bodennähe
tritt sogar noch etwas öfter auf.

Dienstag ... schwenkt ein Randtrog des quasistationären Höhentiefs über UK von
Südwest nach Nordost über den Vorhersageraum hinweg, bevor die Höhenströmung
beginnt zu zonalisieren. Gesamttroposphärisch beginnt die Temperatur von Süden
her zu steigen (am Abend T850 zwischen 3°C im Küstenraum und 10°C am Alpenrand
bzw. am Hochrhein). Damit setzt auch eine leichte Stabilisierung der Schichtung
ein, gleichwohl reicht es vornehmlich in einem von Nordwest nach Südost
verlaufenden Korridor für Schauer und einzelne Gewitter. Den meisten
Sonnenschein gibt es in der Südhälfte sowie an der Nordsee zu erhaschen, aber
auch sonst nehmen die Sonnenanteile gegenüber dem Vortag zu. Der Wind spielt bei
nach wie vor sehr geringen Luftdruckgegensätzen keine Rolle und die Temperatur
steigt auf 17 bis 23°C mit den höchsten Werten im Süden. Direkt an der See
werden mit auflandigem Wind nur rund 15°C erwartet.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundsätzlich haben alle Modelle die Troglage und die einsetzende Zonalisierung
am Dienstag im Programm. Allerdings ist Konfiguration des Troges jeweils etwas
anders geschnitzt, heiß, Höhentiefs und kurwellige Anteile differieren leicht.
Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Niederschlags- und
Konvektionsprognosen aus, wenn auch die Abweichungen nicht groß sind. Etwaige
Gewitterwarnungen müssen ohnehin in situ ausgegeben werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann