DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-02-2022 19:01
SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 05.02.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Schöne Grüße von ROXANA - windiger bis stürmischer und niederschlagsreicher
Sonntag. Schneefallgrenze erst hoch, dann wieder runter.
Auch zu Wochenbeginn weiterhin unbeständig und windig.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... wird das Ende des kleinen Zwischenhochs eingeläutet, das sich heute
in Form eines flachen Höhenrückens sowie eines zu den Alpen gerichteten
Bodenkeils bei uns präsentiert hat. Der Luftdruck beginnt in weiten Teilen des
Landes bereits wieder zu fallen und tatsächlich nimmt der Tiefdruckeinfluss im
Laufe der Nacht sukzessive zu. Dabei nähert sich nicht nur die gut ausgeprägte
Frontalzone vom Ostatlantik dem Vorhersageraum an. Südlich zahlreicher von der
Irminger See bis zu den Lofoten prominent aufgestellter Tiefdruckgebiete
(ROXANA, QUEENA) nimmt auch der südwestliche Bodenwind kontinuierlich zu. Am
spürbarsten wird das zunächst im Norden und Westen, bis zum Morgen dann auch in
der Mitte sowie allgemein im Bergland der Fall sein. Dabei stehen Böen 7-8 Bft,
an der See und im Bergland 8-9 Bft, in exponierten Kamm-, Kuppen- und
Gipfellagen 10-12 Bft auf der Karte.

Eingelagert in die lebhafte Strömung ist ein okkludierendes Frontensystem, das
zu einem doppelten Teiltief von ROXANA zwischen Island und Südnorwegen gehört.
Der Warmsektor ist noch ausreichend geöffnet und so steigt T850 im Norden und
Westen von -3 bis -6°C am Abend auf -2 bis 0°C am Morgen an. Neben frontalen
Antrieben sorgen WLA und PVA am diffluenten Ausgang der Frontalzone für
stratiforme Niederschläge, die sich von der Nordsee und den Niederlanden her
ost-südostwärts auf die Nordhälfte und weite Teile der Mitte ausbreiten. Später
nimmt der Regen in Küstennähe schauerartigen Charakter an, was der Annäherung
der schleifenden Kaltfront geschuldet ist. Akkumuliert über 12 h kommen im
Westen und Nordwesten vielfach 5 bis 15 l/m zusammen, was aber erst die
Ouvertüre zur morgigen Sonntagsvorstellung darstellt. Von daher ist auch die
Frage nach der Phase wichtiger, die der Niederschlag beim Erreichen der
Mittelgebirge annimmt. Es ist davon auszugehen, dass oberhalb etwa 400 bis 600 m
zunächst Schnee fällt, bevor die Schneefallgrenze bis zum Morgen langsam
ansteigt. Im Harz sowie in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen kommen 1
bis 5 cm, ganz oben im Stau und lokal um 10 cm vielfach nasser Schnee zusammen.


Ansonsten gilt es nur noch festzuhalten, dass weite Teile Süddeutschlands von
Wind und Wetter noch weitgehend verschont bleiben. Da es sogar für längere Zeit
gering bewölkt oder klar bleibt, geht die Temperatur gebietsweise in den
leichten Frostbereich zurück.

Sonntag ... wird´s ziemlich gruselig, auch wenn das freilich sehr subjektiv ist.
Der Verfasser ist sich aber sicher, dass ein Großteil unserer in Wetterfragen
tendenziell ziemlich verweichlichten Gesellschaft am Ende des Tages genau dieses
Urteil abgebeben werden. Zwar fängt die Frontalzone an zu mäandrieren
(Aufwölbung naher Atlantik => Austrogung Mitteleuropa), auf die bodennahen
Strömungsverhältnisse hat das aber keine große Auswirkung. Mit anderen Worten,
auf der Südflanke diverser, sich über der Norwegischen See und Skandinavien
versammelnder Tiefs (es sind weiterhin die Damen QUEENA und ROXANA, die
offensichtlich Gefallen daran gefunden haben, sich zu vermehren und mehrere
Kerne auszubilden) nimmt der südwestliche, später auf West drehende Wind weiter
zu. Lediglich im Norden, wo an der Kaltfront eine flache Welle von west nach Ost
durchschwenkt, fächert der Gradient auf. Warnwürdige Böen 7-8 Bft treten im
Wesentlichen nur noch an der See auf, Tendenz an der Ostsee im Tagessverlauf
vorübergehend nachlassend (in der Nacht zum Montag mit Drehung auf Nordwest an
der gesamten Küste wieder zunehmender Wind mit Böen 7-8 Bft, Nordsee bis 9 Bft).

Von der Mitte bis in den Süden ausbreitend gestaltet sich der Sonntag hingegen
sehr dynamisch mit lebhaftem Südwestwind, der in Böen häufig Stärke 8 bis 9 Bft
erreicht. Im höheren Bergland und ab dem Nachmittag auch im Alpenvorland
(Stichwort Leitplanke) sind Böen 10 Bft mit von der Partie, in exponierten Kamm-
und Gipfellagen reicht es für Böen 11 bis 12 Bft.

Zweite Baustelle neben dem Wind sind die Niederschläge, die sich nach Durchgang
der flachen Welle unmittelbar vor der Kaltfront im Westen deutlich
intensivieren. Mitentscheidend dafür sind zum einen die Exposition zum Jet über
Benelux und NO-Frankreich ("left exit"), zum anderen frontale Impulse
(Querzirkulation) im Verbund mit Staueffekten. Die Kaltfront schwenkt südwärts
durch und erreicht in der Nacht zum Montag die Alpen. Die zugehörigen
Niederschläge breiten sich von der Mitte bis in die südlichen Landesteile aus,
wo nur ein kleiner Streifen vom Werdenfelser Land bis zum Chiemgau bis zum Abend
noch verschont bleibt.
Präfrontal steigt die Schneefallgrenze tagsüber auf 800 bis 1000 m, bei sehr
guter Durchmischung z.T. sogar noch etwas darüber. Erst in der postfrontal
einströmenden maritimen Polarluft sinkt sie ab dem Abend von Norden her bis in
tiefe Lagen ab. Akkumuliert bis Montag früh kommen in den Hochlagen der
Mittelgebirge, später auch in und an den Alpen (wo die Schneefallgrenze aber
erst mal sinken muss) 10 bis 30 cm, in exponierten Staulagen (z.B. Bayerischer
Wald, Schwarzwald) 40 cm vielfach nasser Neuschnee zusammen. Es besteht
Schneebruchgefahr, in den höchsten Lagen sind Verwehungen möglich.

Ansonsten steht einigen Mittelgebirgen eine markante Dauerregenlage bevor, bei
der beginnend in der nächsten und teils bis in die übernächste Nacht andauernd
30 bis 40, lokal bis zu 50 l/m² (z.B. im Rothaargebirge) zusammenkommen können.
Direkt an der Kaltfront sind in sehr gut geschertem Umfeld, üppigen Höhenwinden
(auf 925 hPa bis zu 50 Kt) und allgemein gut ausgeprägter Dynamik auch einzelne
Gewitter möglich, die von Böen 8-9 Bft, im worst case vielleicht sogar 10 Bft
begleitet sein können. Mit kurzen Graupelgewittern muss ebenfalls in der
rückseitig einfließenden, zunehmend labil geschichteten maritimen Polarluft
gerechnet werden, wo T500 auf rund -35°C absackt. Darüber hinaus kommt es zu
Schauern, die ab dem Abend vermehrt in Schnee, Schneeregen oder Graupel
übergehen. Vor allem in den nördlichen und zentralen Mittelgebirgen könnte es
für wenige Zentimeter Neuschnee reichen, während in tiefen Lagen nur
vorübergehend und lokal mal Glätte durch Schnee oder Schneematsch auftreten
dürfte.

Noch ein Satz zu den Temperaturen, deren Maximum am Sonntag zwischen 4 und 10°C
liegt. In der Nacht zum Montag kühlt es auf 5 bis 0°C, im Bergland gibt es
leichten Frost (=> Glätte nicht nur durch Schnee, sondern auch durch gefrierende
Nässe möglich).

Montag ... starten wir in die neue Woche in einer hochreichend lebhaften
Nordwestströmung, die uns weiterhin mit Meeresluft polaren Ursprungs versorgt
(T850 um -6°C). Insgesamt trocknet die Luftmasse aber weiter ab und beginnt von
Westen her auch deutlich zu stabilisieren, da sich das Maximum der höhenkalten
Luft mit dem Trog nach Osten verabschiedet. An den Alpen und etwas abgeschwächt
auch am Erzgebirge staut es noch an, so dass dort noch mal 3 bis 10 cm, in den
Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen lokal vielleicht 15 cm auf den bereits
gefallenen Schnee hinzukommen. Ansonsten dürfte der Ertrag in den sich
entwickelnden Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauern wenig ergiebig sein und
zum Nachmittag hin wird es von Westen er ohnehin immer weniger mit der
Schauerei. Etwas Sonne gibt es zwischen den Schauern auch, am meisten im
äußersten Norden, Westen und Südwesten.

Flott bis sehr flott unterwegs bleibt der allgemein auf West bis Nordwest
drehende Wind. "990iger" Tiefs über dem Baltikum und dem Bottnischen Meerbusen
(ROXANAs) sowie ein "1035iger" Hoch (HOLM) westlich der Biskaya mit Keil
Richtung Alpen gewährleisten einen veritablen Gradienten, der zusätzliche
Unterstützung durch den Tagesgang erfährt. Mit Ausnahme des äußersten Südwestens
weht ein mäßiger bis frischer und sehr böiger nordwestlicher Wind, der
verbreitet Stärke 7 Bft, im Norden und Osten 8 Bft erreicht. An der See und im
höheren Bergland stehen Sturmböen 9 Bft, in exponierten Kammlagen schwere
Sturmböen oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft auf der Karte. Bei guter
Durchmischung steigt die Temperatur auf 3 bis 9°C.

In der Nacht zum Dienstag gibt es Grüße von einem fetten Orkantief namens SARAI,
das seine Zelte über der Irminger See aufgeschlagen hat und tagsüber einen
Kerndruck von knapp über 930 hPa auf die Platte gebracht hat. Bis zum Morgen
geht´s zwar hoch auf rund 950 hPa, was aber immer noch mehr als imposant ist und
auf der Wetterkarte einem Fingerabdruck gleicht. Bei uns kommt von der guten
SARAI zunächst allerdings nur die Warmfront an, die mit dem auf West bis Südwest
rückdrehenden Wind zu uns reinkommt. Sie bringt nicht nur einen gewaltigen
Temperaturanstieg (T850 von -3 bis -7°C am Abend auf 0 bis +3°C am Morgen (außer
im Südosten)). Sie bringt dem Norden, in abgeschwächter Form auch der der Mitte
etwas Regen oder Nieselregen. Im Bergland kann es anfangs etwas schneien und
lokal ist kurzzeitig auch mal gefrierender (Niesel)Regen denkbar.

Im Süden und Südosten reißt die Wolkendecke teilweise aus, letzte Schneeschauer
im Erzgebirge und an den Alpen ziehen alsbald ab. Dann kühlt es ebenso wie im
Bergland ab bis in den leichten Frostbereich. Der Wind büßt schon in den
Abendstunden erheblich an Substanz ein. Übrig bleiben Böen 7-8 Bft an der Küste
und im Bergland, exponierte Hochlagen noch darüber.

Dienstag ... schwenkt die Warmfront nach Osten durch, während die nachfolgende
Kaltfront in schleifender Manier Norddeutschland okkupiert. Derweil verlagert
Hoch HOLM sein Zentrum nach Frankreich, was dem äußersten Süden - die Rede ist
von einem Streifen zwischen Südschwarzwald und Inn - einen sonnenscheinreichen
Tag beschert. Im großen Rest der Nation bestimmen in der einfließenden milden
Atlantikluft viele Wolken das Tagesbild, aus denen es mit Ausnahme des
Südwestens mitunter leicht regnet oder nieselt. Dazu weht ein mäßiger bis
frischer westlicher Wind, der insbesondere an der See und im Bergland, teils
aber auch in Leelagen sowie gebietsweise im norddeutschen Binnenland Böen 7-8
Bft, exponiert 9 Bft generiert. Die Temperatur steigt auf 5 bis 11°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle eine sehr ähnliche Entwicklung.
Gleichwohl präsentiert sich das Warnmanagement facettenreich und in Teilen auch
diffizil. Langweilig geht anders...


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann