DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW z

Sturmlage über der Nordosthälfte mit Höhenpunkt der Windentwicklung in der Nacht
zum Sonntag. Dann im Nordosten teils schwere Sturmböen, nahe der Ostsee
eventuell orkanartige Böen. An der Ostsee exponiert Orkanböen, auch auf einigen
Berggipfeln schwere Sturmböen bis Orkanböen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... wir liegen aktuell unter einer insgesamt zyklonalen nordwestlichen
Strömung mit der uns ein Trog nach Osten passiert hat, gefolgt von einem
Höhenrücken über Westeuropa. Der Rücken sorgt wieder für antizyklonale
Rahmenbedingungen womit sich das Bodenhochdruckgebiet wieder mehr nach
Deutschland ausbreitet, während das zum Trog gehörige Tief nach Westrussland
abzieht. Druckfall über Nordwesteuropa kündigt das nächste Frontensystem an und
lässt den Wind auch im Vorfeld über Deutschland im Tageserlauf auf westliche
Richtungen drehen.

Da der stärkste Gradient nach Osten abzieht, lässt der Wind nach. Bis in den
frühen Nachmittag gibt es im Nordosten Windböen, anfangs stürmische Böen. Bis
zum Abend werden dann nur noch höhere Berge (Brocken, Erzgebirge, Alpen) mit
Sturmböen zu bewarnen sein.
Es schneit vor allem über der Mitte und nach Osten, Süden hin. Im Tagesverlauf
schwächen sich die Schneefälle ab und ziehen sich ins östliche Alpengebiet
zurück. Vor allem im Südosten kommt es aber noch zu Schauern, wobei bei
850-hPa-Temperaturen um -6 Grad bis in tiefere Lagen Schnee fällt und in
mittleren Lagen des Berglandes auch tagsüber noch etwas Glätte auftreten kann.
Die Schneemengen sind aber gering. An den Alpen schneit es noch ausdauernder mit
lokal in Staulagen 5 bi 10 cm Neuschnee in 12 Stunden.

Dazwischen erlaubt die maritime Polarluft Wolkenlücken, ganz im Norden kann es
länger sonnig werden. Allerdings geraten wir von Nordwesten wieder in den
Bereich stärkerer Warmluftadvektion auf der Vorderseite eines neuen
Nordatlantiktiefs, so dass von dort hohe und mittelhohe Wolken aufziehen.
Im Westen und im Norden verläuft der Tag meist niederschlagsfrei. Die
Höchstwerte liegen zwischen 5 und 8 Grad, im Bergland und im Südosten bei 2 bis
5 Grad.

In der Nacht zum Samstag schwenkt ein Keil des Hochs über SW Europa nach
Südosten durch und das Hoch zieht sich nach Süden zurück, weil mit kräftiger
Warmluftadvektion vor der Warmfront des ins Nordmeer ziehenden Tiefs von
Nordwesten der Druck fällt. Damit verschärft sich in der Nordwesthälfte der
Gradient und vor allem an der Nordsee stürmische Böen zur Folge, zudem kann es
steife Böen vom niedersächsischen Binnenland über Schleswig-Holstein bis zur
Ostsee geben. Auch auf dem Brocken und später im Erzgebirge frischt der Wind auf
mit erneuten Sturmböen.

Die Regenfälle der Warmfront breiten sich von der Nordsee bis auf eine Linie von
der Lausitz bis zur Pfalz aus. In 850
hPa steigt die Temperatur stetig an und schnell über 0 Grad, am Morgen im
Nordwesten schon auf +4 Grad. Das meist fällt über Norddeutschland, stellenweise
um 10 mm in 12 Stunden.
Nicht ganz ausgeschlossen ist im Mittelgebirgsraum stellenweise, und kurzzeitig
auch gefrierender Regen, falls sich
die Luft zuvor noch einmal entsprechend abkühlen kann. Im Oberharz, eventuell
zum Morgen in Thüringen ist vorübergehend kräftiger Schneefall denkbar, dann
aber wahrscheinlich nur oberhalb 600 bis 800 m.

Während die Bewölkung im Nordwesten weitgehend geschlossen bleibt, kann es
Richtung Südosten einige Lücken geben. Im oberen und östlichen Bergland ist
leichter Frost möglich, sowie teilweise im Süden, wo noch keine Niederschläge
ankommen. Glätte dürfte nur lokal ein Thema werden durch gefrierende Nässe.


Samstag... greift ein markanter Höhentrog unter Amplifizierung auf Skandinavien
und zum Abend hin ein scharfer kurzwelliger Troganteil auf den äußersten Norden
Deutschlands über, wodurch der Höhenrücken rasch über Deutschland
hinweg nach Süden abgedrängt wird. Auf der Vorderseite des Troges wird aufgrund
von PVA markante Hebung generiert. Dabei füllt sich das Bodentief über der
Norwegischen See auf, im Lee des Norwegischen Gebirges kommt es dagegen zu einer
kräftigen Zyklogenese. Das daraus resultierende Bodentief schlägt am Abend mit
einem Kerndruck von fast 965
hPa an der schwedischen Ostseeküste nördlich von Gotland auf. Dessen Warmfront
kommt nach Südosten voran, wobei es durch die starke WLA verbreitet, vor allem
im Osten kräftig regnen kann mit 5 bis 10 l/qm.

Die Kaltfront des Tiefs überquert zum Abend den Nordwesten, somit gerät das
Vorhersagegebiet zuvor in den Warmsektor des Tiefs, wobei die Regenfälle rasch
abklingen. Die Schneefallgrenze steigt auf deutlich über 1000 m, lediglich in
den ostbayerischen Mittelgebirgen kann es am Vormittag und Mittag noch kräftig
schneien. Stellenweise kann im Südosten auch
gefrierender Regen nicht ausgeschlossen werden. Die Kaltfront ist zunächst kaum
wetteraktiv, wird später etwas aktiviert und geht mit einer Schauerlinie einher,
an der es vermehrt zu stürmischen Böen, eventuell zu Sturmböen kommt.

Der Gradient verschärft sich aber auch schon davor deutlich und es gibt im
Tagesverlauf - mit Ausnahme einiger Niederungen im Südwesten und Süden des
Landes - verbreitet steife, im Norden und Osten bis in die mittleren Landesteile
stürmische Böen, im küstennahen Binnenland Sturmböen aus West bis Südwest.
An den Küsten muss verbreitet mit Sturmböen, zum Abend hin auch mit schweren
Sturmböen gerechnet werden, diese sollen auch das Binnenland Schleswig-Holsteins
erreichen. Exponiert sind an der See orkanartige Böen nicht ausgeschlossen, die
mit geringen Wahrscheinlichkeiten im Mos und in der Probabilistik vertreten
sind.
Auch in den Hochlagen der Mittelgebirge frischt der Wind stark auf, dort gibt es
zum Abend verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen, auf exponierten Gipfeln (v.a.
Brocken) Orkanböen.

Im Warmsektor steigt die 850 hPa -Temperatur verbreitet auf 0 bis +4 Grad, was
sich in Höchstwerten von +3 Grad im südöstlichen Bergland und +11 Grad im
Nordwesten. Sonne gibt es nur ganz im Süden, sonst bleibt es stark bewölkt bis
bedeckt.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Sturmtief Richtung Baltikum und soll sich
sogar noch etwas vertiefen. Die Kaltfront greift mit schauerartigen
Niederschlägen leichter Intensität weiter südwärts aus und erreicht am Morgen
die Alpen. Die Schneefallgrenze sinkt dabei allmählich auf etwa 400 bis 600 m,
wobei die Niederschläge wieder nachlassen. Somit reicht es in den Mittelgebirgen
lediglich für wenige Zentimeter Neuschnee, im Bayerwald fallen eventuell mehr
als 5 cm. In einigen Mittelgebirgsregionen kann (örtlicher) gefrierender Regen
nicht ganz ausgeschlossen werden. Im Schwarzwald und an den Alpen sind
staubedingt stärkere Niederschläge möglich, da liegt die Schneefallgrenze zum
Teil aber noch deutlich über 1000m.
Mit Kaltfrontpassage bzw. postfrontal an einem Bodentrog wird die
Windentwicklung weiter forciert. In der Nordosthälfte gibt es stürmische Böen
und Sturmböen aus Nordwest, vor allem Richtung Küsten sowie nach Nordosten hin
mit Frontpassage einzelne schwere Sturmböen. Küstennah sind über
Mecklenburg-Vorpommern auch orkanartige Böen nicht ausgeschlossen. An den Küsten
selbst sind orkanartige Böen, vereinzelt Orkanböen in Betracht zu ziehen, vor
allem in den westexponierten Lagen der Ostsee. Ähnliches gilt für die Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge und auch der Alpen, auf dem Brocken und dem
Fichtelberg gibt es Orkanböen.

Entspannter gestaltet sich die Windentwicklung in den Niederungen West-und
Südwestdeutschlands, wo es teilweise nicht einmal für steife Böen reicht. Der
Kaltfront folgt zwar erneut ein Schwall erwärmter maritimer Polarluft und die
850 hPa-Temperatur sinkt auf -2 bis -6 Grad, dennoch bleibt es aufgrund des
Windes in den Niederungen überwiegend frostfrei. Im Bergland gibt es dagegen
leichten Frost und Glätte.


Sonntag... zieht das Sturmtief nach Osteuropa ab und beginnt sich aufzufüllen.
Dahinter weitet sich durch kräftige Kaltluftadvektion der Höhentrog nach
Südosteuropa aus, während sich uns der nächste Höhenrücken nähert. Damit
schwächt sich bei uns die nordwestliche Höhenströmung etwas ab und wird von
Südwesten her antizyklonaler. Dies spiegelt sich auch im Bodendruckfeld wieder,
wo sich vom atlantischen Hoch ausgehend wieder ein Keil nach Süddeutschland
ausweitet.

Der Gradient nimmt zunächst aber kaum ab, was durch etwas Tagesgang noch
kompensiert wird, so dass der Wind bis zunächst unvermindert weiter weht,
lediglich an der Nordsee sind im ICON Abschwächungstendenzen erkennbar. Nach
Lesart der letzten Läufe könnte sich das Windmaximum sogar bis in den
Sonntagvormittag verschieben, wo im Nordosten weitere Bft 10 möglich wären. Am
Nachmittag fächert dann aber der Gradient deutlicher auf und ganz im Südwesten
(wo ohnehin keine Windwarnungen fällig waren) schläft der Wind fast komplett
ein. Am Abend sind im Umfeld der Ostsee stürmische Böen zu erwarten, in
exponierten Lagen Sturmböen. Auch in den Hochlagen des Erzgebirges gibt es noch
Sturmböen, dort hält der Nordwestwind voll drauf. In tiefen Lagen des Nordostens
gibt es letzte Windböen.
Die Kaltfront bleibt an den Alpen hängen, an ihr und auf der Rückseite kommt es
kaum zu dynamischer Hebung. Somit schneit es noch etwas im Stau der Alpen und
des Erzgebirges, wobei in der im ganzen Land wieder einfließenden Meereskaltluft
(-6 Grad in 850 hPa) die Schneefallgrenze bis 400 m sinkt. Dort kommen teils an
die 5 cm Neuschnee
zusammen. Anfangs gibt es auch im Umfeld der zentralen Mittelgebirge
Schneeschauer, die aber wenig ergiebig ausfallen.

Der Himmel zeigt sich meist wechselnd bewölkt, so dass abgesehen von den
Staulagen auch mal die Sonne durchkommt. Das Temperaturniveau ist der guten
Durchmischung der Luftmasse entsprechend relativ hoch, so dass die Höchstwerte
zwischen 5 und 9 Grad liegen dürften.

In der Nacht zum Montag folgt über die Nordsee der nächste Trog und ein
kleinräumiges Tief zieht Richtung Deutsche Bucht. Damit frischt der Wind von
Westen her wieder etwas auf mit steifen Böen in tiefen Lagen des Westens und
Südwestens und stürmischen Böen oder Sturmböen im Bergland. Dazu kommen mit
Übergreifen des okkludierenden Frontensystems Niederschläge auf, die bei einer
Schneefallgrenze von 300 bis 400 m im Bergland und nach Osten hin häufig als
Schnee fallen, stellenweise mit 5 cm Neuschnee.
Ansonsten kommt es bei teils stärker aufgelockerter Bewölkung noch zu ein paar
Schneeschauern mit geringem Neuschnee und vor allem im Südosten und Süden
gebietsweise zu leichtem Frost, während es im Nordwesten meist frostfrei bleibt.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im Großen und Ganzen ähnlich. Die Sturmlage am Wochenende
steht außer Frage, Details hinsichtlich zeitlichem Ablauf und Stärke der
Windentwicklung sind noch unsicher. Höhepunkt dürfte die Nacht zum Sonntag,
eventuell Sonntagvormittag sein.

Eine Vorabinformation für die Ostseeküste drängt sich nicht auf, die Orkanböen
an der See bleiben exponiert und die orkanartigen Böen küstennah sind
kleinräumig. Eventuelle Unwetterwarnungen für diese Regionen könnten direkt
ausgegeben werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner