DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-09-2016 21:00
SXEU31 DWAV 161800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.09.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ab heute Abend beginnend ergiebiger Dauerregen (Unwetter) in weiten Teilen
Bayerns sowie im östlichen Baden-Württemberg, auch auf Thüringen und den
Erzgebirgsraum übergreifend. Erst Sonntagfrüh nachlassend. Bis dahin
stellenweise Niederschlagssummen um 100 mm.
Ansonsten anfangs einzelne starke Gewitter mit Starkregen und kleinerem Hagel.
Im Alpenvorland und auch an der Ostseeküste auffrischender Wind, am Samstag an
der See und in freien Lagen des Alpenvorlandes stürmische Böen möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Troges, der in mehreren
Etappen austropft. Ein erster Austropfprozess erfolgt zu den Westalpen, ein
zweiter Cut-Off-Tief lässt ein abgeschlossenes Höhentief über Mittelfrankreich
entstehen, so dass sich ein Höhentief-Tripol bildet. Dieses Gebilde beginnt eine
rotierende Bewegung, wobei sich der Drehpunkt zunächst über den Vogesen
befindet. Als Folge hiervon verlagert sich das südlichere Höhentief zu den
östlichen Zentralalpen. Positive Vorticityadvektion in Verbindung mit einem
Auspumpen, das aus der Überströmung der Alpen resultiert und Warmluftadvektion
lassen an der Alpennordseite ein Bodentief entstehen, das auf Vb-artiger Zugbahn
weiter nordostwärts gesteuert wird. Dieses Tief gelangt über das Dreiländereck
Tschechien-Österreich - Bayern nach Böhmen, der Kerndruck kann dabei unter 1005
hPa sinken. Mit dieser Entwicklung setzt am Alpennordrand länger andauernder und
zusehends auch ergiebiger Dauerregen ein. Dies wird durch eine Gegenläufigkeit
der Strömung zwischen der unteren Troposphäre und höheren Troposphärenschichten
(etwa ab 500 hPa aufwärts) begünstigt, was einen zusätzlichen Hebungsantrieb
generiert.
Da in diesen Prozess labil geschichtete Luft von Südosteuropa einbezogen wird,
können einzelne Gewitter eingelagert sein mit dem Ergebnis, dass diese
Niederschläge konvektiv verstärkt sein können.
Diese Niederschläge werden bis Samstagfrüh sehr wahrscheinlich auch weite Teile
des Alpenvorlandes und den Bayerischen sowie Oberpfälzer Wald und in zunächst
abgeschwächter Form den Erzgebirgsraum und Südthüringen erfassen.
Die anderen Gebiete bleiben von diesen Dauerniederschlägen weitgehend verschont,
was nicht heißen soll, dass es dort vollständig trocken bleibt. Zwar können
weite Teile dieser Regionen von kompensierendem Absinken zwischen den einzelnen
Höhentiefs zehren. Aber ein derartiger Höhentiefkomplex ist immer wieder zu
Überraschungen fähig. Sehr wahrscheinlich wird es nur zur Ostsee hin weitgehend
trocken bleiben, wo sich noch der Einfluss des über Skandinavien liegenden
Bodenhochs bemerkbar macht. Dieses Hoch wird weiterhin von einem Höhenkeil
gestützt, der sich bis in die Ostgrönlandsee erstreckt.

Samstag ... setzt sich die oben beschriebene Rotationsbewegung des tripolartigen
Höhentiefkomplexes fort. Dabei gelangt das Höhentief aus dem östlichen
Zentralalpenraum zum Bayerischen Wald. Das Höhentief von Mittelfrankreich ist
dann über den Westalpen zu finden. Das dritte dieser Höhentiefs wird in die
Zirkulation des Höhentiefs über den Westalpen einbezogen und endet als
Kurzwellentrog, der von diesem Höhentief ausgeht.
Das aus der vorherigen Zyklogenese hervorgegangene Höhentief wird nordwärts
gesteuert und erreicht bis Samstagabend den Osterzgebirgsraum, wobei es hier
noch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen hinsichtlich
Intensität und Verlagerung dieses Tiefs gibt. Eine weitere Verlagerung nach
Norden ist jedoch unverkennbar. Demzufolge greifen die Aufgleitniederschläge,
die durch Warmluftadvektion gestützt werden, weiter nord- und auch etwas
westwärts aus. Sehr wahrscheinlich werden hiervon der Erzgebirgsraum,
Südthüringen, weite Teile von Franken und das westliche Baden-Württemberg,
möglicherweise auch das mittlere Thüringen und das östliche Hessen erfasst.
Hinsichtlich der Unwetterwarnschwellen sollte ein längerer Akkumulationszeitraum
zum Tragen kommen. Betrachtet man 12-std. Akkumulationszeiträume, ist sind
unwetterartige Summen bei weitem nicht so verbreitet zu erwarten wie für einen
24-std. oder gar 48-std. Zeitraum. Vor allem für das südliche Bayern zeichnen
sich dann größere Unterbrechungen des Niederschlagsereignisses ab. Da aber durch
Stau an den Alpen die Niederschläge später erst so richtig aufleben, wäre eine
Aufhebung der dort bereits aktiven Unwetterwarnungen ein falsches Signal.
Die westlichen Teile Deutschlands werden im Laufe des Tages von Niederschlägen
geringerer Intensität erfasst, die dort sehr wahrscheinlich nicht warnrelevant
sind.
Weitgehend trocken wird es nur im äußersten Südosten bleiben, Diese Region wird
von den Aufgleitprozessen nicht erfasst. Im Norden hält sich noch der Einfluss
des über Skandinavien liegenden Bodenhochs. Vor allem zur Küste hin sind
Auflockerungen und auch Aufheiterungen zu erwarten, wobei es weitgehend trocken
bleibt. Da sich in Verbindung zu dem in den Osterzgebirgsraum ziehenden
Bodentief kräftiger Gradient aufbaut, frischt im Norden der Nordostwind böig
auf, bis ins Binnenland hinein können, gestützt durch den Tagesgang, Windböen
auftreten, an der Ostseeküste sind auch stürmische Böen möglich, auf höheren
Berggipfeln können Böen bis Sturmstärke auftreten.
In Abhängigkeit von der Entwicklung des Bodentiefs können auch an dessen Süd-
und Westflanke warnrelevante Böen auftreten, die in freien Lagen durchaus Bft 8
und auf Berggipfeln Sturmstärke erreichen können.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden 19 bis 23, in der Mitte und im
Süden 16 bis 21 Grad, wobei Maxima um oder etwas oberhalb von 20 Grad nur mit
Hilfe der Sonne zustande kommen. In Gebieten mit länger andauerndem Regen
bewegen sich die Temperaturen um 14 Grad.
In der Nacht zum Sonntag kristallisiert sich das "stärkste" dieser Höhentiefs,
das bis Sonntagfrüh in den Golf von Genua zieht, als das Drehzentrum heraus. Das
bisher über Süddeutschland und Böhmen liegende Höhentief wandelt sich in einen
Trog um.
Das oben beschriebene Bodentief schlägt Westkurs ein und wird nach Franken
gesteuert, wobei ein allmählicher Auffüllungsprozess einsetzt. Gestützt durch
Warmluftadvektion werden sich die kräftigsten Niederschläge mehr in den Westen
und Südwesten Deutschlands verlagern, wobei die größten Niederschlagsmengen in
den Mittelgebirgen westlich des Rheins und in den südwestdeutschen
Mittelgebirgen, also den Regionen, die zuvor von diesem Niederschlagsereignis
noch nicht betroffen waren, zusammenkommen sollen. Ob dort noch einmal
Warnschwellen und welche Schwellenwerte überschritten werden (markant, Unwetter)
ist noch unsicher.
Der Norden bleibt nach wird vor von diesen Niederschlägen verschont, so dass es
dort verbreitet aufklaren kann. Abgesehen von der Ostseeküste, wo weiterhin
warnrelevante Böen auftreten können, sollte der Wind einschlafen.

Sonntag ... ändert das Höhentief über dem Golf von Genua seine Lage nur wenig.
Nach wie vor hält sich noch der Keil über der Nordsee, der bis in die
Ostgrönlandsee gerichtet ist. Dieser Keil blockiert den von diesem Höhentief
nach Norden gerichteten Trog, so dass dieser über dem Osten Deutschlands
verbleibt.
Gestützt durch den o.g. Keil kräftigt sich von Westen her der antizyklonale
Einfluss, so dass sich das o.g. Bodentief zusehends rascher auffüllt und der
zyklonale Einfluss weiter nach Osten abgedrängt wird. Hierdurch sollten sich die
Niederschläge auf eine Region konzentrieren, die sich vom Südwesten und Westen
Deutschlands bis in den östlichen Mittelgebirgsraum hinein erstreckt. Betrachtet
man allein den 12-std. Akkumulationszeitraum bis Sonntagabend, kommen dann keine
warnrelevanten Niederschlagssummen mehr zusammen.
Allerdings verdient dann die Niederschlagssituation an den Alpen etwa mehr
Beachtung. Bedingt durch die auf Nord drehende Windkomponente (sowohl am Boden
als auch in der mittleren Troposphäre) entwickelt sich am Alpennordrand eine
Stausituation, wodurch dort länger andauernde Niederschläge einsetzen können,
die vorerst aber noch von geringer Intensität und daher nicht warnrelevant sind.

Auflockerungen und auch längere sonnige Abschnitte sind im Norden und Nordwesten
am wahrscheinlichsten. Dort macht sich das Bodenhoch über Skandinavien und der
von diesem Hoch in die Nordsee gerichtete Keil mit Absinken bemerkbar.
Die Tageshöchsttemperaturen ändern sich gegenüber Samstag nur unwesentlich.
In der Nacht zum Montag verlagert sich das o.g. Höhentief nach Mittelitalien.
Der von diesem Tief ausgehende, nach Norden gerichtete Trog hält sich über dem
Nordosten Deutschlands, ist aber im Isohypsenfeld kaum noch zu finden. Folglich
sollten die von diesem Trog ausgehenden dynamischen Antriebe nur gering
ausgeprägt sein.
Die nach Südwesten hin kräftigere nördliche Windkomponente lässt vor allem die
Niederschläge in den südwestdeutschen Mittelgebirgen und an den Alpen andauern,
wobei deren Intensität nach wie vor vergleichsweise gering ist, so dass sehr
wahrscheinlich keine Warnschwellen erreicht werden. Über den östlichen
Mittelgebirgen sollten sich dann die Niederschläge abschwächen.
Im Norden und Nordwesten lässt Absinken am Rande des oben beschriebenen Hochs
bzw. Hochkeils den Himmel aufklaren. Aufgrund des dort noch vorhandenen
Gradienten dürfte die Nebelneigung gering bleiben.

Montag ... ändert sich an der Druck- und Geopotentialverteilung nur wenig. Das
Höhentief über Südeuropa wird allmählich zugeschüttet und ergibt mit dem nach
Mitteleuropa gerichteten Trog eine flache Troglage mit geringen
Geopotentialunterschieden und somit ohne relevante synoptische Antriebe. Das
Bodentief verlagert sich nunmehr nach Südosteuropa. Über Mitteleuropa ergibt
sich somit eine flache Druckverteilung, die nach Norden und Westen hin leicht
antizyklonal geprägt ist. In diesen Gebieten setzt sich zusehends der Einfluss
der Hochbrücke durch, die die Verbindung zwischen dem Hoch nordwestlich der
Azoren und dem über Skandinavien liegenden Hoch darstellt. Absinken sorgt in
diesen Gebieten mehr und mehr für Auflockerungen und auch für Aufheiterungen.
Der Süden und Südosten wird nach wie vor zyklonal beeinflusst, so dass dort
weitere Niederschläge zu erwarten sind. An den Alpen kann es dabei auch längere
Zeit regnen. Dabei kommen die Niederschläge hauptsächlich durch Stau zustande.
Wenn auch warnrelevante Schwellenwerte sehr wahrscheinlich nicht überschritten
werden, so bleibt doch in diesen Regionen ein ehe trüber Wettercharakter
bestehen.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden, Westen und in tieferen Lagen
Südwestdeutschlands Werte um oder etwas über 20 Grad. Ansonsten sind 15 bis 19,
an den Alpen bei länger andauerndem Regen kaum mehr als 12 Grad zu erwarten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der großräumigen synoptischen Strukturen zeigen die verfügbaren
Modelle eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Allerdings ergeben sich
hinsichtlich der Details doch größere Unterschiede. Diese betreffen vor allem
die Intensität und die Lage sowie die Zugbahn des Bodentiefs, das sich auf
Vb-artiger Zugbahn vom östlichen Alpenrand in den Osterzgebirgsraum und von dort
aus weiter nach Franken verlagern soll. Hier ergeben sich bereits bei einer 24-
bis 30stündigen Vorhersage Positionsunterschiede von mehr als 300 km (was man
eher beim heutigen Stand der Modelle bei einer 3 Tages-Vorhersage erwarten
würde) und Unterschiede hinsichtlich der Intensität dieses Tiefs um mehr als 5
hPa. Von der Verlagerung dieses Tiefs hängt es ab, wie weit diese Niederschläge
nach Norden und nach Westen ausgreifen, von der Intensität dieses Tiefs, wie
heftig diese Aufgleitprozesse erfolgen und wo und wie weit die
Unwetterwarnschwelle bzgl. der zu erwartenden Dauerniederschläge überschritten
wird. Aus der Erfahrung der vergangenen, annähernd vergleichbaren Lagen lässt
sich schlussfolgern, dass eine derartige Tiefentwicklung vor allem von der
COSMO-Familie gerne überschätzt wird und auch EZMW das Auffüllen derartiger
Tiefs eher etwas verzögert sieht. Demzufolge ergeben sich weiterhin sehr
unterschiedliche Resultate hinsichtlich der zu erwartenden Niederschläge.
Übereinstimmend sind bis in den Sonntag hinein Niederschlagsmaxima bis etwa 100
mm möglich. Ob der meiste Niederschlag in Thüringen und im westlichen
Erzgebirgsraum auftritt (EU4, ICON-EU), ob am westlichen Alpenrand und im
westlichen Alpenvorland (EZMW) oder in Franken und im nordöstlichen
Baden-Württemberg (GFS) oder in einem breiten Streifen von Oberfranken über den
Bayerischen Wald bis zum östlichen Alpenrand, wie COSMO-EU es zeigt, ergibt
jeweils eine andere Aussage.
Diese Modellunterschiede setzen sich bis in die Nacht zum Sonntag hinein fort.
Während dann nach EZMW und auch nach ICON-EU keine warnrelevanten
Niederschlagssummen mehr auftreten sollten, intensiviert sich dann nach COSMO-EU
bzw. EU4 das Niederschlagsgeschehen weiter im Westen, so dass dann selbst bei
12-std. niederschlagssummen zumindest im südlichen Rheinland-Pfalz und im
nordwestlichen Baden-Württemberg die Warnschwelle für Dauerregen, wenn nicht gar
die Unwetterschwelle, überschritten werden würde.
Etwas mehr "Systematik" liefert die Probabilistik. Nach dem EPS des EZMW und
auch COSMO-LEPS ist es wahrscheinlicher, dass die Niederschläge auf den
westlichen Erzgebirgsraum und Teile von Thüringen übergreifen als dass weiter
nach Westen hin, als ohnehin bereits bewarnt ist, Warnrelevante oder gar
unwetterartige Niederschlagssummen erreicht werden. Bemerkenswert ist hier, dass
sowohl das EPS des EZMW wie auch COSMO-LEPS die zu erwartenden
Niederschlagssummen bei den jüngsten Modelläufen etwas reduziert haben.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann