DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

27-11-2021 13:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 27.11.2021 um 10.30 UTC



Sehr wechselhaft, zeitweise stürmisch und nass-kalt. Bergland winterlich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 04.12.2021


Die Mittelfrist verdient die Bezeichnung: wechselhaft und nass-kalt. Zwar sind
wir bezüglich der Ausgangslage von einer günstigen Konstellation für einen
Wintereinbruch recht weit entfernt, doch könnte es dennoch in der erweiterten
Mittelfrist vorübergehend für einen winterlichen "touch" auch für tiefere Lagen
reichen. Doch der Reihe nach.

Der Polarwirbel in der Stratosphäre konnte sich im Verlauf der letzten Wochen
immer weiter aufbauen dank fehlender destruktiv interferierender Impulsflüsse,
sodass er aktuell und in absehbarer Zukunft im oberen Terzil dessen liegt, was
bisher zu dieser Jahreszeit beobachtet wurde. Dennoch nehmen nun während dieser
Mittelfrist die meridionalen und vertikalen Impulsflüsse zu (besonders vor
Island, weniger ausgeprägt entlang des Mittelsibirische Berglands, über Japan
und entlang der Aleuten), sodass die Intensität des Wirbels etwas in Richtung
Median gebracht wird. Dies geht einher mit einer Zunahme der Wellenzahl auf k=4.
Grundsätzlich ist diese Entwicklung nicht uninteressant, denn die bisher im
troposphärischen Polarwirbel gesammelte Kaltluft (z.B. aktuell über die Arktis
gemittelt mit einer Anomalie von -1.2 Kelvin bei der Temperatur in der unteren
Grenzschicht) kann nun im Zuge dieser Verwellungen regional weit nach Süden
vorstoßen. Die Schneeverteilung entlang und nördlich des Polarkreises ist mit
Blick auf die Flächenausdehnung leicht überdurchschnittlich, aber nicht so, wenn
man auf die Mengen bzw. Schneehöhen schaut. Dennoch stützt auch dieser Faktor
die Kaltluftproduktion.
Ausgelöst durch die nun zunehmende Wellflussaktivität findet in der Stratosphäre
kurzzeitig ein kleines "displacement" statt, bevor sich in der Folge laut
aktueller Vorhersagen der Polarwirbel zentriert über dem Nordpol wieder
ungestört aufbauen kann.
Der Polarwirbel in der oberen Troposphäre hingegen verlagert seinen Schwerpunkt
von der Barentssee bzw. Karasee in Richtung Laptewsee und spaltet sich
vorübergehend in einen zweiten Ast mit Zentrum über dem kanadisch-arktischen
Archipel auf, bevor auch hier wieder eine Fokussierung über dem Nordpol
einsetzt. Die Zeit bis zur Bildung des zweiten Schwerpunkts über Kanada (bis
Anfang/Mitte Dezember) ist der Zeitraum, wo für uns noch Winterwetter
herausspringen kann, bevor aus der Sicht des heutigen Vorhersagers die
Vorzeichen immer schlechter werden.

Entsprechend sieht die Vorhersage bei der AO aus, die mit einer eng gebündelten
Memberschar in den deutlichen Plusbereich springt - mit einer ähnlichen
Entwicklung innerhalb der NAO. Etwas gegenläufig zu dieser Entwicklung (wo man
u.U. gar eine Westwindautobahn über dem Nordatlantik erwarten würde) verhalten
sich die planetaren Wellen, deren großen Amplituden nahezu ortsfest verharren -
besonders die über Europa. Dank dieses Umstandes, der vorhandenen Kälte in
Skandinavien und der Option einer allmählichen Rückseite der Welle eröffnet in
der erweiterten Mittelfrist dann ein Fenster für vorübergehende richtige
Winterkälte. Mal abwarten, ob es reicht.

Bis dahin aber betrachten wir mal unsere aktuelle Mittelfrist von Dienstag
(30.11.) bis Samstag (4.12.).

Die bis zum Beginn der Mittelfrist dominante Rossby-Welle erneuert sich zum
Mittelfristbeginn und beeinflusst unter geringem Amplitudenverlust unser Wetter
bis zum Samstag. Daher kann das Wetter als insgesamt sehr wechselhaft und
nass-kalt bezeichnet werden. Es macht jetzt nicht viel Sinn die Schwerpunkte des
00Z Laufs herauszuarbeiten, die teils innerhalb des Modells (von Lauf zu Lauf),
teils im internationalen Modellvergleich divergieren.

Einzig die Wellenpassage am Dienstag kann dank recht guter Modellkonsistenz
hervorgehoben werden, wenngleich im ENS z.B. beim Druck weiterhin eine deutliche
Bifurkation bzgl. Intensität und Zugbahn zu erkennen ist (siehe
IFS-Modelllaufvergleich). Dies wird auch beim ENS spread beim Luftdruck
hervorgehoben mit höheren Werten, die von Dänemark nach Berlin reichen.
Abgesehen davon aber hat die Welle Zugang zu einer modifizierten (sub)tropischen
Luftmasse mit einem hohen Feuchtegehalt und PPWs um 20 mm, sodass die Hebung für
üppig Niederschlag sorgen dürfte - über der Mitte und dem Süden zunächst als
(Nass)Schnee und dann zunehmend in Regen übergehend.
Der West- bis Nordwestwind spielt je nach Intensität und Zugbahn der Welle eine
Bedeutung, aus heutiger Sicht sieht es jedoch nach einem überschaubaren
Windereignis mit Bft 8 Böen an dessen Südflanke (Süddeutschland) sowie
Westflanke (Deutsche Bucht) aus - natürlich mit höheren Böen im Bergland bzw.
über der offenen See. Inwiefern in Kältelöchern der zentralen Mittelgebirge
lokal/vorübergehend Glatteis durch gefrierenden Niederschlag bzw. erhebliche
Schneeverwehungen im oberen Bergland Süddeutschlands ein Thema werden kann erst
in der Kurzfrist näher erörtert werden.

Bereits in der Nacht zum Mittwoch erfasst die nächste Warmfront Deutschland von
Westen und wird rund 20h später von einer Kaltfront abgelöst.
Am Donnerstag könnte es auf der Rückseite des Langwellentroges vorübergehend
Schauerwetter geben, bevor zum Freitag das nächste kräftige Tief mit
Niederschlägen (feste/flüssige Phase) vor den Toren bzw. über der Deutschen
Bucht steht.

In der erweiterten Mittelfrist wandert der Langwellentrog über Europa langsam
ostwärts und bei gleichzeitiger Keilaufwölbung über dem Nordatlantik könnte sich
eine nördliche Strömung einstellen - vorübergehend und zügig abtrocknend, aber
eben kälter. Auch die Ausbildung einer schleifenden Luftmassengrenze über
Norddeutschland ist im Übergangsbereich von Mittelfrist zur erweiterten
Mittelfrist dank des möglicherweise südwärts driftenden und von der Numerik
nicht selten unterschätzten skandinavischen Kältepools nicht ausgeschlossen.

Die Höchstwerte pendeln tagsüber meist zwischen 1 und 7 Grad, am Mittwoch im
Westen um 10 Grad. Die Tiefstwerte liegen je nach Luftmasse und Auflockerung
zwischen +5 und -4 Grad.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die zyklonal geprägte Mittelfrist beginnt bis einschließlich Mittwoch sehr
homogen bezüglich der Verlagerung und Platzierung der Tief- und Hochdruckgebiete
bzw. der Wellen. Dabei scheint zum Mittelfristbeginn, am Dienstag, eine aktive
Welle Norddeutschland zu überqueren und Deutschland einen nassen Tag zu
bescheren. Innerhalb der letzten 3 Modellläufe wird die Lage und Intensität
dieser Welle konstant gezeigt, wenngleich noch das Einbeziehen von noch mehr
Energie nicht unwahrscheinlich erscheint infolge eines über Südwestnorwegen
immer südlicher gerechneten Vorticity Maximums. Das wird auch durch eine
Bifurkation des Luft-/Kerndrucks im ENS hervorgehoben, wobei die stärkeren
Lösungen eine etwas nördlichere Zugbahn aufweisen (Dänemark zur südlichen
Ostsee).

Zum Mittwoch nähert sich von Westen der nächste Langwellentrog, der innerhalb
der letzten 3 Läufe immer westlicher und amplifizierter gerechnet wurde -
begründet durch eine stärkere Keilaufwölbung über dem Nordatlantik. Die
Diskrepanzen beschränken sich aber auf die obere Troposphäre und deuten nur auf
ein verzögertes Durchschwenken der Trogachse (nun in Richtung Donnerstag) hin.
Bezüglich der Bodendruckanomaliewerte ergeben sich keine Unterschiede - alle
Läufe heben ein 985 hPa Kerntief über Dänemark und Südschweden hervor. Natürlich
entscheidet die Geometrie des Bodentiefs über einen möglichen Schwerpunkt mit
Blick auf erhöhtes Windpotenzial.

In der Folge (Freitag/Samstag) nehmen die Unterschiede der Wellenphasen deutlich
zu und diese Unsicherheit erstreckt sich auch stromauf über Nordamerika bis in
den Nordpazifik. Das Resultat während der letzten 3 Läufe von IFS war ein
Sturmtief mit einem Kerndruck von 965 bis 975 hPa, das mal über Rügen, mal gar
nicht oder über der Deutschen Bucht berechnet wurde. Allerdings ist die
Sturmoption mit Blick auf das ENS noch in der Minderheit.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die zunehmende Unsicherheit zeigt sich auch beim Blick auf die internationale
Modellwelt sehr gut. Bis Mittwoch scheint der Fahrplan zu stehen, wenngleich es
bei der Welle am Dienstag und der am Mittwoch folgenden Tiefdruckentwicklung
geringe Platzierungsunterschiede gibt. In der Folge nehmen die Unsicherheiten
ausgehend vom Nordatlantik mit Lage und Intensität der Wellen zu. Auch die
Ausprägung des dann steuernden Zentraltiefs über Skandinavien wird inhomogen
gehandhabt bzw. geht ICON mit einer progressiveren Lösung einen Einzelweg. Alle
Lösungen zeigen jedoch die Fortdauer der wechselhaften West- bis
Nordwestwetterlage mit dem Potenzial für kräftige Zyklogenesen im Bereich
Nordwesteuropas, die in der Folge auch Mitteleuropa erfassen könnten.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen ausgewählter Städte in Deutschland stützen den sehr
wechselhaften Charakter der Mittelfrist, wobei kein Tag ohne wenigstens etwas
Nass vergehen sollte. Schwerpunkte sind aktuell der Dienstag und Freitag, wobei
sich letzterer stark an die det. Lösung mit dem Sturmtief klammert und von der
Memberschar nur teilweise mitgetragen wird.
Die Temperaturwerte legen zum Mittwoch etwas auf Werte knapp unter 10 Grad zu
und gehen in der Folge wieder zurück. Überall sind Schneespitzen auszumachen,
allerdings mit einer großen Memberspreizung und sicherlich auch abhängig von der
Tageszeit und Niederschlagsintensität.
Eine Ausnahme von alldem scheint das Alpenvorland zu sein, wo es insgesamt
kühler und nasser wird mit höheren Wahrscheinlichkeiten für Neuschnee. Dies
zeigt sich auch bei der Wahrscheinlichkeitsverteilung der variablen
Niederschlagskategorien, wo abgesehen vom Mittwoch und Donnerstagvormittag meist
die Schneephase überwiegen sollte. Das bezieht sich auf Höhenlagen über 500-600
m. Ansonsten sind keine reinen Schneespitzen auszumachen - sprich, nur Teile
der Member zeigen im restlichen Deutschland zeitweise Schnee/Nassschnee und
abgesehen vom Bergland eher die flüssige Phase.

Bei den Rauchfahnen liegt die 850 hPa Temperatur die Mittelfrist über mittig im
Ensemblespread, wenngleich die Unsicherheiten zum Samstag zunehmen. Ähnliches
erkennt man beim 500 hPa Geopotenzial, wobei hier der Kontrolllauf zunehmend am
unteren Ende der Member zu finden ist.

Die Mittelfrist beginnt mit 3 Clustern und dem klimat. Regime "Atlantikrücken",
jedoch mit marginalen Unterschieden mit Blick auf das Wetter in Deutschland.
In der Folge nimmt die Anzahl der Cluster auf 4 zu mit demselben klimat. Regime.
Der Kontroll.- und der det. Lauf befinden sich beide im 2. Cluster. Alle Cluster
zeigen eine recht einheitliche Entwicklung des Langwellentroges über Europa,
wenngleich dessen Intensität variabel behandelt wird. Dies hat Folgen, wie
schnell dieser an Amplitude einbüßt. Abgesehen davon aber sind die Unterschiede
über Mitteleuropa gering und stützen die allgemeine Erwartung einer sehr
wechselhaften Mittelfrist. Auch in der erweiterten Mittelfrist ändert sich an
der Verteilung des blockierenden Keils über dem Nordatlantik und der planetaren
Welle über Europa wenig, wenngleich sich das Wellenmuster geringfügig nach Osten
verschiebt. Hier wird dann zu schauen sein, inwieweit sich ggf. kältere
Kontinentalluft gegen den offenen Atlantik wehren kann.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


NIEDERSCHLAG:

Am DIENSTAG scheint aus heutiger Sicht der regenreichste Tag zu werden. In
einzelnen Staulagen der Mittelgebirge könnte es für markante Regenmengen
reichen, wenngleich die noch leicht schwankende Zugbahn der Welle sowie eine
schwankende Schneefallgrenze diesen Warnparameter eher unwahrscheinlich macht.

Über der Mitte und besonders im Süden fällt Schnee, der im Tagesverlauf
sukzessive von Nordwesten in Regen übergeht. Im süddeutschen Bergland sowie im
östlichen Bergland der zentralen Mittelgebirge sind markante Neuschneemengen von
10 bis 20 cm in 24h wahrscheinlich, in Staulagen bzw. oberhalb von 1000 m
regional auch mehr.
Inwieweit im Tiefland markante Neuschneemengen vorübergehend auftreten können
ist noch unsicher und hängt auch vom timing/ der Niederschlagsintensität ab. Der
EFI reagiert im Süden mit doch verbreitet erhöhten Werten bzw. positiven
SOT-Werten, sodass allgemein südlich der zentralen Mittelgebirge mit einem
winterlichen bzw. matschigen Autofahrtag gerechnet werden muss.

In der Folge fällt im Bergland immer wieder Schnee, der zeitweise auch markante
Mengen erreichen kann, was besonders den Alpenstau betrifft. Schwerpunkte sind
jedoch aus heutiger Sicht noch keine auszumachen.

WIND:

Am DIENSTAG und MITTWOCH besteht das Potenzial für stürmische Böen in
Süddeutschland (Dienstag) sowie deutschlandweit (Mittwoch) aus Südwest bis West.
Über der Deutschen Bucht sowie im Bergland drohen Sturmböen (Bft 9), exponiert
zeitweise auch mehr (Bft 10 oder 11). Im ENS sind die Wahrscheinlichkeiten für
eine markante Sturmlage jedoch noch sehr gering (10%). An beiden Tagen ist der
EFI erhöht und zeigt auch geringe SOT Werte an, doch fokussiert sich das
kräftigste Signal ehr auf das Bergland. Dennoch kann der Wind auch in tiefen
Lagen zeitweise ruppig bzw. stürmisch wehen.

In der Folge werden die Signale dank der zunehmenden Unsicherheit innerhalb der
Numerik rasch diffus. Grundsätzlich kann man sich jedoch ab Freitag mit Blick
auf die Dynamik eine weitere kräftige Tiefdruckentwicklung vorstellen.

SCHNEEVERWEHUNGEN:

Am DIENSTAG können im oberen Bergland Süd- und Ostdeutschlands markante
Verwehungen auftreten. Ob es für noch mehr reicht muss in der Kurzfrist bewertet
werden, wenn das Temperaturprofil der Atmosphäre, der Bodenwärmestrom und
Neuschnee/Wind besser bewertet werden können.

Zum Mittwoch sollte die Erwärmung weitere Verwehungen unterdrücken/abschwächen.

GLÄTTE:

Entlang der zentralen Mittelgebirge kann am DIENSTAG lokal gefrierender
Niederschlag auftreten und für Glatteis sorgen. Dies ist jedoch aus heutiger
Sicht wenig wahrscheinlich.

In den Nächten besteht allgemein bei zunächst zum Mittwoch/Donnerstag
abnehmender Nachtfrostgefahr eher im Bergland Glätteproblematik, bevor in der
Folge bei erneuter Abkühlung auch wieder zunehmend die tiefen Lagen betroffen
sind. Ob dies regional markante Glätte wird kann jetzt (auch dank der eher
milden Vorgeschichte) nicht abgeschätzt werden bzw. ist eher gering
wahrscheinlich.

TAUWETTER:

Am Mittwoch setzt besonders im Süden Tauwetter ein, allerdings sehen die meisten
Member keine markante Lage (überschaubarer Niederschlag mit Pausen sowie nur
eine vorübergehende schwache Erwärmung). Daher ist das Potenzial gering
wahrscheinlich.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy