DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z

In der Nacht zum Donnerstag und Donnerstag Sturmlage, vereinzelt orkanartige
Böen möglich. Im Bergland auf einigen Gipfeln Orkanböen. Danach zögernde
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befinden wir uns unter einer kräftigen südwestlichen Strömung vor
einem großen Langwellentrog, welcher mit seiner Achse vom Nordmeer zu den
Britischen Inseln reicht und vor allem in seinem Südteil zügig nach Osten
schwenkt. Begleitet wird dies von kurzwelligen Trögen, die nach Nordosten
ablaufen, wobei ein sehr markanter zum Tagesende den Ärmelkanal erreicht und
vorderseitig einen scharfen Bodentrog mit eingelagertem Tief mit sich führt.
An der Südflanke des mehrkernigen Tiefkomplexes über Skandinavien wird in einem
breitem Warmsektor Meeresluft subtropischen Ursprungs herangeführt, in der die
850er Temperaturen auf 10 bis 15°C steigen.
Da die Strömung noch etwas nach Süd rückdreht, stellt sich an den Alpen eine
leichte Föhnlage ein. Die Maxima liegen dabei in weiten Landesteilen bei 19 bis
22°C. Im Nordwesten, wo eine Kaltfront am ehesten ankommt etwas darunter, in
einigen Föhntälern sind dagegen nahe 25°C nicht ausgeschlossen.

Die Kaltfront der Tiefs über Skandinavien greift im Tagesverlauf schleifend von
Westen her auf Deutschland über und erreicht zum Abend etwa eine Linie Oderbruch
- Pfalz. Sie bringt ganz im Nordwesten bis zum Mittag teils kräftigen Regen, ist
sonst aber zunächst nur wenig wetteraktiv. Erst abends wird Zuge einer flachen
Wellenbildung über Frankreich die Hebung an ihr wieder stärker.
Die postfrontal einströmende etwas kühlere Meeresluft ist zunächst recht stabil
geschichtet, auch im Bereich des Tiefausläufers fehlt es an Labilität, so dass
es an der Kaltfront eher nicht für Gewitter reicht, obwohl einige
Wetterinterpretationen dies andeuten. Erst im weiteren Verlauf mit Annäherung
höhenkälterer Luft bis -20°C sind über dem Westen und Nordwesten Schauer und
Gewitter mit Sturmböen (knapp 50kt in ca. 1000m Höhe) möglich. Bei hoher
Scherung sind Schauer/Gewitterlinien möglich. Sollten sich diese
strömungsparallel ausrichten oder bei wiederholten Schauern wäre auch Starkregen
ein Thema, da die Luft mit PPW von 25 bis 30 mm feucht bleibt. Aufgrund der
hohen Zuggeschwindigkeit ist dies aber nur wenig wahrscheinlich.

Abseits der konvektiven Böen sind außer im Süden, wo die Windauffrischung nicht
recht greift, im Tagesverlauf häufiger steife Böen, über der Nordwesthälfte
einzelne stürmische Böen und an der Nordsee sowie im höheren Bergland Sturmböen

zu erwarten. Auf dem Brocken geht der Wind rauf bis Orkanstärke in Böen.

In der Nacht zum Donnerstag macht die Windzunahme weitere Fortschritte und das
Ganze geht in eine Sturmlage über! Der Langwellentrog weitet sich über uns nach
Südosten aus, so dass die Kaltfront, allerdings nur langsam, auch den Süden
überquert, wobei die Welle nach Nordosten abläuft, möglicherweise gefolgt von
einer Weiteren.
Der Jet (130kt in 300 hPa) verschiebt sich dabei genau über Deutschland nach
Südosten, sodass seitens der Dynamik kaum Wünsche offen bleiben.
Die dann postfrontalen Regenfälle erreichen den äußersten Südosten noch nicht.
Vor allem im Südwesten kann es staubedingt und durch die Wellen teils kräftig
regnen. ICON simuliert im Schwarzwald und dessen Umfeld Stark/Dauerregen mit 30
bis 50 mm in 12 Stunden. Hier sind aber Fragezeichen angebracht, da ICON nicht
gerade konsistent simuliert und die Ergebnisse von den anderen Modellen und
deren Ensembles nicht gestützt werden.

Darüber hinaus verlagert sich der scharfe Kurzwellentrog begleitet von
vorderseitig sehr kräftiger positiver Vorticityadvektion mit dem Bodentief nach
Osten, wobei vorderseitig eine Linie (weiter sehr große Scherung) mit Schauern
und Gewittern durchzieht, gefolgt von einer Art "backbend" Okklusion mit
Bodentrog. Das Tief soll zum Morgen Schleswig-Holstein erreichen; der Bodentrog
den Westen. Dabei verschärft sich der Gradient im Laufe der Nacht von Westen her
deutlich und der Wind, bzw. Sturm werden auch ohne hochreichende Konvektion ein
großes Thema.
Verbreitet muss allein aus dem Gradienten heraus mit stürmischen Böen oder
Sturmböen gerechnet werden. In Gipfellagen ist schwerer Sturm, exponiert Orkan
zu erwarten.
Die Windmaxima sollten dann aber an der Konvektion und im Bodentrog zu finden
sein, wo jeweils die starken Oberwinde (50 bis 60 kt in 925 hPa) des Lowlevel
Jets runtergemischt werden können und schwere Sturmböen wahrscheinlicher werden
und selbst orkanartige Böen nicht ausgeschlossen sind.

In der einfließenden frischeren Meeresluft sinken die 850 hPa Temperaturen bis
zum Morgen auf 9°C im Südosten und bis 1°C über dem Westen. Die Schichtung
bleibt instabil, Cape-Werte bis 200 J/kg, ein Wassergehalt um 25 mm, starke
Scherung lassen die teils kräftigen, linienhaften Schauer und Gewitter andauern.
Starkregen dürfte bei der raschen Verlagerung wenig wahrscheinlich sein.


Donnerstag... schwenkt der Kurzwellentrog rasch ostwärts durch. Ebenso rasch
verschwindet das Tief in Richtung Finnischer Meerbusen, was den auf westliche
Richtungen drehenden Wind aber nur wenig nachlassen lässt, da durch
Druckanstieg über Frankreich, aber auch durch nachfolgende Boden- und Höhentröge
der große Druckgradient über Deutschland aufrechterhalten wird. Der Haupttrog
schwenkt derweil langsam nach Osten durch.

Zunächst mal verlagert sich das Sturmmaximum an der Südwestflanke des Bodentiefs
und im Bereich des Bodentroges mit Böen bis zu 10 Bft, vereinzelt orkanartige
Böen Bft 11 in den Osten, wo das Windmaximum am Vormittag erreicht werden
dürfte. Dahinter fächert der Gradient von Westen leicht auf, von großartig
nachlassendem Wind kann aber kaum die Rede sein. Es bleibt stürmisch. Vor allem
im Norden, der teilweise vom nächtlichen Sturm verschont wurde, frischt der Wind
auf der Rückseite des Tiefs stürmisch auf mit teils schweren Sturmböen,
exponiert orkanartigen Böen an den Küsten und
im Bergland sowie Orkanböen auf einigen Gipfeln. Der Wind lässt wohl vor allem
am Nachmittag vor allem im Süden und Westen deutlicher nach.

Ansonsten ziehen die Regenfälle im Süden und Südosten ab (am längsten regnet es
am östlichen Alpenrand) und z.T. lockert es im Süden und Osten sogar auf. Von
Nordwesten her folgen mit den Trögen aber weitere schauerartige Regenfälle,
Schauer aber auch kurze Gewitter, die von Sturmböen begleitet sein können. Vor
allem sticht eine sich formierende Kaltfront ins Auge, die abends mit einem
Regenband den Süden erreicht und der ein Schwall kalter Meeresluft folgt, die
auf direkterem Wege über die Nordsee zu uns gelangt.

Mit 12 bis 18°C bleibt es zunächst aber noch ziemlich mild. Erst hinter der
Kaltfront gehen die 850er Temperatur unter den Gefrierpunkt zurück und in
kräftigen Schauern oder Gewitter ist Graupel möglich. Die Temperatur geht schon
nachmittags von Nordwesten her zurück, der "Thermohammer" kommt dann ab Freitag,
wenn die maritime Luftmasse straight ahead aus polaren Breiten zu uns strömt.

In der Nacht zum Freitag dringt die Kaltfront mit Regen über den Süden zu den
Alpen vor, schwächt sich aber ab, da sich von Westen her ein Hochkeil
hereinschiebt. Im Stau der Alpen regnet es am längsten, wobei dort die kalte
Luft noch nicht richtig ankommt und die Schneefallgrenze deutlich oberhalb von
1500 m bleibt, während sonst in der einströmenden Meereskaltluft die
entsprechenden Werte auf 0 bis -3°C in 850 hPa sinken. Im Norden wird die
Schaueraktivität durch weitere Tröge aufrechterhalten, ansonsten lockert die
Bewölkung stärker auf und es bleibt weitgehend trocken.

An den Küsten und im höheren Bergland bleibt es stürmisch, teils mit schweren
Sturmböen oder orkanartigen Böen, vor allem im Tiefland lässt der Wind von
Westen her aber weiter nach. Im Bergland gibt es lokal leichten Frost.


Freitag... verlagert sich die Hauptachse des Höhentroges langsam nach Osten, was
uns unter eine auf Nordwest drehende, zyklonal konturierte Höhenströmung bringt.
Im Bodendruckfeld verbringen wir den Freitag am Südrand der mehrkernigen
Tiefdruckzone über Nordeuropa wobei mit der kräftigen Nordwestströmung kalte
Meeresluft polaren Ursprungs mit 0 bis -3°C in 850 hPa zu uns gelangt.
Der Gradient ist nach wie vor recht gut aufgestellt, so dass der aus westlichen
Richtungen wehende Wind mit Unterstützung des Tagesgags auffrischt mit Böen 7-8
Bft, vereinzelt in Leelagen Bft 9, an der Küste und in höheren Lagen häufiger 9
Bft, vereinzelt 10. Etwas gemächlicher gibt sich der Wind in der Südwesthälfte,
wo der zonal orientierte Hochkeil eine Gradientauffächerung bewirkt.

Derweil fällt südlich der Donau noch etwas Regen, in höheren Lagen (über 1500m)
Schnee. Ansonsten setzt sich im Süden zeitweise die Sonne durch. In der
Nordhälfte kommt es an einer Konvergenz vermehrt zu Schauern (mit Graupel und im
höheren Bergland teils als Schnee) und einzelnen Gewittern.
Mit Höchstwerten von 8 bis 13°C werden die Temperaturen auf Normalmaß gestutzt.

In der Nacht zum Samstag setzt sich von Südwesten her Hochdruckeinfluss durch
und der Gradient fächert fast überall stark auf, bzw. verschwindet ganz.
Gebietsweise lockert es stärker auf oder es wird gering bewölkt und es bildet
sich Nebel. Reste der Schauer sind anfangs vor allem noch über der Mitte und dem
Norden zu finden, sonst trocknet es ab und der kräftige, in Böen teils
stürmische West- bis Nordwestwind zieht sich zur Ostsee hin zurück. Vor allem
anfangs sind an den Küsten und auf exponierten Bergen noch Sturmböen oder
schwere Sturmböen möglich und die Temperaturen gehen in den einstelligen Bereich
zurück, am Erdboden ist über Süddeutschland leichter Frost zu erwarten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind bei der Entwicklung weitgehend einig. Die Sturmlage kommt, die
auch zeitlichen Abläufe werden einigermaßen kongruent simuliert. Unterschiede
verbleiben in Detailfragen. Cosmo Leps liefert einen recht markanten Streifen
mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten für orkanartige Böen, den die anderen
Verfahren nicht mittragen. Diese sind zwar in der Konvektion vereinzelt sicher
mit dabei, für eine Unwetterwarnung auch im Flachland, entsprechend für eine
Vorabinformation sollten es nach aktuellem Stand aber nicht reichen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner